Das Lächeln vor der Mona Lisa
Kunstwerke dienen vielen als schmückendes Beiwerk für ihre Fotos, die rechtlichen Risiken sind ihnen oft nicht bewusst.
Früher wurden Selfies ausgedruckt und ins Fotoalbum geklebt, heute werden sie auf Facebook, Instagram und Twitter hochgeladen. Das Selbstportrait, meist mit der Smartphone- oder Digitalkamera fotografiert, wirkt gleich noch besser, wenn nicht nur das eigene, sondern auch noch ein bekanntes Gesicht darauf zu sehen ist.
So drängen sich Millionen Menschen im Pariser Louvre jedes Jahr um die Mona Lisa, das Meisterwerk von Leonardo da Vinci. Das weltberühmte Bild wird aber kaum betrachtet. Laut Louvre-Verwaltung halten sich die Personen im Durchschnitt vor da Vincis Werk weniger als eine Minute auf. Ist das perfekte Selfie gemacht, wird es schnell in den sozialen Netzwerken veröffentlicht. Doch nicht jedes Bild darf einfach ins Netz gestellt werden. Einige Kunstwerke sind urheberrechtlich geschützt.
Mit dem deutschem Urheberrecht werden künstlerische Werke in den Bereichen Literatur, Wissenschaft und Kunst geschützt. Der Urheber, der Schöpfer eines Werkes, entscheide demnach allein, wie sein Werk verwertet wird. „Ausgenommen von dem Urheberrecht sind Kunstwerke, deren Künstler bereits seit 70 Jahren verstorben ist“, sagt David Seiler, Rechtsanwalt für Urheber- und Datenschutz in der Rechtsanwaltskanzlei DS law in Cottbus-Brandenburg. Werde ein Kunstwerk fotografiert, sei dieses Bild vorerst nur für den Privatgebrauch. In Fotoalben, im Wohnzimmer an der Wand oder in einer geschlossenen Facebook-Gruppe, die rein aus Familienmitgliedern bestehe, dürfe das Foto gezeigt werden. Mit der Veröffentlichung in sozialen Netzwerken würden nicht nur das Urheberrecht, sondern auch die Nutzungsbedingungen der Netzwerke verletzt. So heißt es in den Datenschutzrichtlinien von Facebook, dass die Nutzer nur Inhalte veröffentlichen dürfen, wenn sie damit keine Rechte anderer Personen verletzen oder gegen Gesetze verstoßen.
Neben dem Urheberrecht sei auch das Besichtigungsrecht des jeweiligen Museums zu beachten. „Wer ein Museum betritt und Eintritt bezahlt, schließt damit einen Besichtigungsvertrag ab. Das Museum entscheidet, ob und was fotografiert werden darf oder nicht“, betont Seiler. Wer dennoch Bilder ins Netz stellt, muss mit einer Strafe rechnen. „Es kommt zu einer Abmahnung und das Bild muss entfernt werden. Bei einem großen Streitwert kann man mit bis zu 6000 Euro rechnen. Zusätzlich kommen die Prozesskosten hinzu“, sagt der Anwalt. Mit einem Streitwert sei der Wert des Gegenstandes gemeint, um den es geht – in diesem Fall ein Kunstwerk. Dieser Wert würde von dem zuständigen Gericht festgelegt.
Nicht nur die Mona Lisa, auch andere Kunstwerke sind häufige Motive. Die Reichtagskuppel oder das Brandenburger Tor in Berlin sind ebenfalls gern gesehene Objekte, um das eigene Selfie-Lächeln noch größer werden zu lassen. Hier wird das Urheberrecht eingeschränkt: Es gilt die Panoramafreiheit. Davon sind Kunstwerke betroffen, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden. „Öffentliche Kunstwerke dürfen nur von öffentlich zugänglichen Orten fotografiert werden. Hilfsmittel wie beispielsweise eine Leiter sind nicht erlaubt“, erläutert Seiler. Dabei könne die Gesetzeslage der Panoramafreiheit in jedem Land variieren. Wer die genaue Rechtslage nicht kenne, solle die Bilder nur privat nutzen.
Kunstinstallationen unter freiem Himmel würden allerdings nicht unter die Panoramafreiheit fallen, sagt der Rechtsanwalt. „Kunstinstallationen sind nicht bleibend. Sie sind auf bestimmte Dauer festgelegt. Nur
Kunstwerke, die dauerhaft auf öffentlichem Raum vorhanden sind, fallen unter dieses Gesetz“, betont Seiler. Ansonsten sei die Zustimmung des Künstlers notwendig, um das Bild in sozialen Netzwerken zu veröffentlichen.
Doch fällt das Selbstportrait unter das Urheberrecht? Denn laut Urhebergesetz sind die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe zu sehen sind, erlaubt. „Die Rechtsprechung ist hier streng ausgelegt, nur wenn das Kunstwerk zufällig im Bild zu sehen oder austauschbar ist, gilt es als Beiwerk. Selfies werden aber bewusst vor Kunstwerken gemacht“, sagt Seiler.
Als Kunstliebhaberin hat die US-Amerikanerin Mar Dixon im Januar 2014 die Aktion „Museum-Selfie-Tag“ins Leben gerufen. An diesem Tag wird dazu aufgerufen, ein Selbstportrait mit Kunstwerk aus einem Museum unter dem Stichwort #museumselfieday in den sozialen Netzwerken hochzuladen. Ziel dieser Aktion ist es laut Dixon, den Museen mehr Aufmerksamkeit zu schenken und die Leute dazu zu motivieren, öfter Museen zu besuchen. Zugunsten dieses Tages hätten einige Museen ihre Vorschriften zum Fotografie-Verbot gelockert, sagt Dixon. Ein Beispiel dafür ist das Potsdamer Filmmuseum. Dort darf sonst nicht überall fotografiert werden. Diese Einschränkung gebe es, da es bei einigen Filmaufnahmen an Bildrechten fehle. Eigens für den Museum-Selfie-Tag hatte das Museum eine Filmkulisse installiert, in der die Besucher Selfies machen konnten. Wer jetzt auch ein Selfie mit berühmten Kunstwerken machen möchte, darf sich zwischen dem 16. und 20. Januar 2020 auf den nächsten Museum-Selfie-Tag freuen.