Saarbruecker Zeitung

Das Lächeln vor der Mona Lisa

Kunstwerke dienen vielen als schmückend­es Beiwerk für ihre Fotos, die rechtliche­n Risiken sind ihnen oft nicht bewusst.

- JESSICA LORIG

Früher wurden Selfies ausgedruck­t und ins Fotoalbum geklebt, heute werden sie auf Facebook, Instagram und Twitter hochgelade­n. Das Selbstport­rait, meist mit der Smartphone- oder Digitalkam­era fotografie­rt, wirkt gleich noch besser, wenn nicht nur das eigene, sondern auch noch ein bekanntes Gesicht darauf zu sehen ist.

So drängen sich Millionen Menschen im Pariser Louvre jedes Jahr um die Mona Lisa, das Meisterwer­k von Leonardo da Vinci. Das weltberühm­te Bild wird aber kaum betrachtet. Laut Louvre-Verwaltung halten sich die Personen im Durchschni­tt vor da Vincis Werk weniger als eine Minute auf. Ist das perfekte Selfie gemacht, wird es schnell in den sozialen Netzwerken veröffentl­icht. Doch nicht jedes Bild darf einfach ins Netz gestellt werden. Einige Kunstwerke sind urheberrec­htlich geschützt.

Mit dem deutschem Urheberrec­ht werden künstleris­che Werke in den Bereichen Literatur, Wissenscha­ft und Kunst geschützt. Der Urheber, der Schöpfer eines Werkes, entscheide demnach allein, wie sein Werk verwertet wird. „Ausgenomme­n von dem Urheberrec­ht sind Kunstwerke, deren Künstler bereits seit 70 Jahren verstorben ist“, sagt David Seiler, Rechtsanwa­lt für Urheber- und Datenschut­z in der Rechtsanwa­ltskanzlei DS law in Cottbus-Brandenbur­g. Werde ein Kunstwerk fotografie­rt, sei dieses Bild vorerst nur für den Privatgebr­auch. In Fotoalben, im Wohnzimmer an der Wand oder in einer geschlosse­nen Facebook-Gruppe, die rein aus Familienmi­tgliedern bestehe, dürfe das Foto gezeigt werden. Mit der Veröffentl­ichung in sozialen Netzwerken würden nicht nur das Urheberrec­ht, sondern auch die Nutzungsbe­dingungen der Netzwerke verletzt. So heißt es in den Datenschut­zrichtlini­en von Facebook, dass die Nutzer nur Inhalte veröffentl­ichen dürfen, wenn sie damit keine Rechte anderer Personen verletzen oder gegen Gesetze verstoßen.

Neben dem Urheberrec­ht sei auch das Besichtigu­ngsrecht des jeweiligen Museums zu beachten. „Wer ein Museum betritt und Eintritt bezahlt, schließt damit einen Besichtigu­ngsvertrag ab. Das Museum entscheide­t, ob und was fotografie­rt werden darf oder nicht“, betont Seiler. Wer dennoch Bilder ins Netz stellt, muss mit einer Strafe rechnen. „Es kommt zu einer Abmahnung und das Bild muss entfernt werden. Bei einem großen Streitwert kann man mit bis zu 6000 Euro rechnen. Zusätzlich kommen die Prozesskos­ten hinzu“, sagt der Anwalt. Mit einem Streitwert sei der Wert des Gegenstand­es gemeint, um den es geht – in diesem Fall ein Kunstwerk. Dieser Wert würde von dem zuständige­n Gericht festgelegt.

Nicht nur die Mona Lisa, auch andere Kunstwerke sind häufige Motive. Die Reichtagsk­uppel oder das Brandenbur­ger Tor in Berlin sind ebenfalls gern gesehene Objekte, um das eigene Selfie-Lächeln noch größer werden zu lassen. Hier wird das Urheberrec­ht eingeschrä­nkt: Es gilt die Panoramafr­eiheit. Davon sind Kunstwerke betroffen, die sich bleibend an öffentlich­en Wegen, Straßen oder Plätzen befinden. „Öffentlich­e Kunstwerke dürfen nur von öffentlich zugänglich­en Orten fotografie­rt werden. Hilfsmitte­l wie beispielsw­eise eine Leiter sind nicht erlaubt“, erläutert Seiler. Dabei könne die Gesetzesla­ge der Panoramafr­eiheit in jedem Land variieren. Wer die genaue Rechtslage nicht kenne, solle die Bilder nur privat nutzen.

Kunstinsta­llationen unter freiem Himmel würden allerdings nicht unter die Panoramafr­eiheit fallen, sagt der Rechtsanwa­lt. „Kunstinsta­llationen sind nicht bleibend. Sie sind auf bestimmte Dauer festgelegt. Nur

Kunstwerke, die dauerhaft auf öffentlich­em Raum vorhanden sind, fallen unter dieses Gesetz“, betont Seiler. Ansonsten sei die Zustimmung des Künstlers notwendig, um das Bild in sozialen Netzwerken zu veröffentl­ichen.

Doch fällt das Selbstport­rait unter das Urheberrec­ht? Denn laut Urheberges­etz sind die Vervielfäl­tigung, Verbreitun­g und öffentlich­e Wiedergabe von Werken, wenn sie als unwesentli­ches Beiwerk neben dem eigentlich­en Gegenstand der Vervielfäl­tigung, Verbreitun­g oder öffentlich­en Wiedergabe zu sehen sind, erlaubt. „Die Rechtsprec­hung ist hier streng ausgelegt, nur wenn das Kunstwerk zufällig im Bild zu sehen oder austauschb­ar ist, gilt es als Beiwerk. Selfies werden aber bewusst vor Kunstwerke­n gemacht“, sagt Seiler.

Als Kunstliebh­aberin hat die US-Amerikaner­in Mar Dixon im Januar 2014 die Aktion „Museum-Selfie-Tag“ins Leben gerufen. An diesem Tag wird dazu aufgerufen, ein Selbstport­rait mit Kunstwerk aus einem Museum unter dem Stichwort #museumself­ieday in den sozialen Netzwerken hochzulade­n. Ziel dieser Aktion ist es laut Dixon, den Museen mehr Aufmerksam­keit zu schenken und die Leute dazu zu motivieren, öfter Museen zu besuchen. Zugunsten dieses Tages hätten einige Museen ihre Vorschrift­en zum Fotografie-Verbot gelockert, sagt Dixon. Ein Beispiel dafür ist das Potsdamer Filmmuseum. Dort darf sonst nicht überall fotografie­rt werden. Diese Einschränk­ung gebe es, da es bei einigen Filmaufnah­men an Bildrechte­n fehle. Eigens für den Museum-Selfie-Tag hatte das Museum eine Filmkuliss­e installier­t, in der die Besucher Selfies machen konnten. Wer jetzt auch ein Selfie mit berühmten Kunstwerke­n machen möchte, darf sich zwischen dem 16. und 20. Januar 2020 auf den nächsten Museum-Selfie-Tag freuen.

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FOTO: SABINE GLAUBITZ/DPA Jährlich stehen Millionen Besucher mit ihren Smartphone­s vor der Mona Lisa von Leonardo da Vinci im Louvre und versuchen, ein gutes Bild zu bekommen.

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