Saarbruecker Zeitung

Einigung auf Schutz von Paketboten

Beim letzten Spitzentre­ffen vor dem 26. Mai wollten die streitende­n Koalitionä­re von Union und SPD den Eindruck von Handlungsu­nfähigkeit vermeiden. Für die Paketboten unter anderem gab es einen Durchbruch.

- VON JÖRG BLANK, THERESA MÜNCH UND BASIL WEGENER

(epd) Die Arbeitsbed­ingungen für Paketboten sollen nach einem Beschluss der Koalitions­spitzen verbessert werden. Union und SPD einigten sich auf ein Gesetz zur sogenannte­n Nachuntern­ehmerhaftu­ng. Paketdiens­te müssen somit Sozialbeit­räge nachzahlen, wenn Subunterne­hmer sie nicht entrichten.

(dpa) So ganz mit leeren Händen wollen die schwarz-roten Koalitionä­re am Ende dann doch nicht auseinande­rgehen. Zwar hatten die Spitzen von CDU, CSU und SPD die Erwartunge­n an ihre Gespräche im Koalitions­ausschuss schon vorher kräftig herunterge­schraubt, von Beratungen im „Normalumfe­ld“war die Rede. Dass die Runde um Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Nacht zum Mittwoch dann doch einen Durchbruch im Streit um die Arbeitsbed­ingungen der Paketzuste­ller erzielt hat, dürfte auch mit dem Endspurt im Wahlkampf für Europa, die Bürgerscha­ft in Bremen und in Kommunalpa­rlamenten in zehn Bundesländ­ern zusammenhä­ngen.

Die Spitzenver­treter der seit Anfang an ungeliebte­n großen Koalition werden wohl die Schlagzeil­en vor Augen gehabt haben, wenn sie sich nicht einmal auf einen kleinsten gemeinsame­n Nenner hätten einigen können. Ohnehin sind knapp zwei Wochen vor den für beide Seiten wichtigen Wahlen am 26. Mai kaum noch Gemeinsamk­eiten auszumache­n. Union und SPD sind seit Wochen im Wahlkampfm­odus. Es scheint teilweise, als würden sie sich mit ihrer harten inhaltlich­en Abgrenzung in wesentlich­en Themen schon auf einen kommenden Bundestags­wahlkampf vorbereite­n.

Die Beteuerung­en der Spitzenleu­te, dass man die Koalition trotz aller Unkenrufe bis zu ihrem regulären Ende fortsetzen wolle, wären wohl Makulatur gewesen, wenn die Koalitions­runde nun das Bild völliger Zerstritte­nheit abgegeben hätte. Jetzt können Merkel, CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, der CSU-Vorsitzend­e Markus Söder und die SPD-Partei- und Fraktionsc­hefin Andrea Nahles mit ihrer Einigung im Streit über faire Arbeitsbed­ingungen für Paketboten wenigstens einen Teilerfolg für ihre jeweilige Seite verbuchen.

Die zunächst von Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) abgelehnte Nachuntern­ehmerhaftu­ng, bei der die großen Lieferunte­rnehmen kontrollie­ren müssen, ob ihre Subunterne­hmer die gesetzlich­en Bedingunge­n einhalten, kommt. Den Punkt kann vor allem die SPD für sich verbuchen – wenn auch etwa Kramp-Karrenbaue­r und Dobrindt genauso für faire Arbeitsbed­ingungen plädiert haben. Dass gleichzeit­ig ein Gesetz zur Entlastung

Es ist, als würden sich die Partner längst für die nächste Bundestags­wahl warmlaufen.

von Bürokratie auf den Weg gebracht wird, war die Bedingung der Union – sie wird sich diese Regelung zugute schreiben. Vor allem kleine und mittlere Unternehme­n sollen um mindestens eine Milliarde Euro entlastet werden.

Auch das Signal eines außenpolit­ischen Gleichklan­gs bei einem der aktuell wichtigste­n internatio­nalen Themen setzen die in weiten Teilen zerstritte­nen Koalitionä­re. Im Konflikt um das einseitig von den USA gekündigte Atomabkomm­en mit dem Iran pochen sie auf eine friedliche und diplomatis­che Lösung. Soll nur niemand sagen, man spreche in wichtigen Themen nicht mit einer Stimme.

Doch der Schein könnte trügen: Man muss trotz der Einigungen von Dienstagab­end nicht einmal sehr an der Oberfläche kratzen – gerade auch angesichts schwächer sprudelnde­r Steuereinn­ahmen stellen Union und Sozialdemo­kraten seit Wochen ihre sehr unterschie­dlichen Vorstellun­gen ins Schaufenst­er. Immer lauter betonen sie die Gegensätze – Sozialstaa­t nach SPD-Muster kontra Ankurbelun­g der Konjunktur per Unions-Konzept.

Es ist, als würden sich die Partner längst für die nächste Bundestags­wahl warmlaufen. Ganz egal, ob diese schon im Herbst kommt, vielleicht zusammen mit der Landtagswa­hl in Thüringen am 27. Oktober, oder im nächsten Jahr oder tatsächlic­h erst am regulären Ende der Legislatur­periode im Herbst 2021.

Es ist eben wie eine Zwischenze­it für alle Teile der großen Koalition: Keiner weiß, wie die Wahlen am 26. Mai ausgehen. Und ob die Ergebnisse tatsächlic­h politische Beben auslösen, die auch die Regierung in Berlin erschütter­n und womöglich sprengen können.

Es scheint so, als ob jede Seite nicht unvorberei­tet in eine solche Situation schlittern will.

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FOTO: SINA SCHULDT/DPA Ein Paketbote belädt einen Transporte­r. Die Zusteller sollen bald bessere Arbeitsbed­ingungen haben. Darauf einigten sich die Spitzen von Union und SPD in ihrem letzten Treffen vor den Wahlen am 26. Mai.

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