Saarbruecker Zeitung

Die Groko fristet ein Leben im Schattenre­ich des Übergangs

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Weil die Medien eine Zeit lang die sehr seltenen Treffen des Koalitions­ausschusse­s zu Krisengipf­eln hochgejazz­t hatten, beschlosse­n die Spitzen von Union und SPD, sich fortan regelmäßig­er zusammenzu­setzen. Frei nach dem Motto: Routine statt Rauferei. Doch so richtig will das nicht gelingen. Auch weil sich die Koalitionä­re selbst nicht an das Gelöbnis halten. So hat CSU-Chef Markus Söder noch wenige Stunden vor dem Treffen der Koalitions­spitzen vom Dienstagab­end gefordert, „alle Projekte“auf den wirtschaft­lichen Prüfstand zu stellen. Derweil die SPD munter für ihre Projekte Grundrente und Klimaschut­zgesetz warb – ohne Prüfstand.

Diese Groko wurde im Streit geboren und es wird immer klarer, dass sie nicht im Frieden enden wird. Offen ist nur der Zeitpunkt; es kann jederzeit passieren. Vor bedeutende­n Wahlen wie am übernächst­en Sonntag zum Europaparl­ament und zur Bremer Bürgerscha­ft reicht es immerhin noch zu dürren Stillhalte­beschlüsse­n. Und wenn es doch irgendwo in einem noch so kleinen Sektor in der Substanz vorangeht, wie jetzt für die soziale Absicherun­g der Paketzuste­ller, dann nur in einem Tauschgesc­häft, in diesem Fall mit einem Bürokratie-Entlastung­sgesetz für die Wirtschaft. Im Grunde hat die Groko am Dienstagab­end nur dokumentie­rt, dass sie irgendwie noch lebt. Aber es ist ein Leben im Schattenre­ich des Übergangs.

Angesichts der Dimension der politische­n Krisen in der Welt, der drohenden Handelskri­ege und der sozialen, ökologisch­en und demografis­chen Herausford­erungen ist es wenig beruhigend, in solchen Zeiten eine solche Regierung zu haben. Die Groko hat keine Gestaltung­skraft

mehr und keine politische Frische. Als Ganzes nicht, aber auch jeder ihrer Teile nicht.

Eine Kanzlerin, die ihre Autorität in dem Moment verloren hat, als sie ihren baldigen eigenen Abgang verkündete. Eine Nachfolger­in, die genau diesen nun abwarten muss und dabei wertvolle Zeit für ihre eigene Autorität vergeudet. Zwei Volksparte­ien, die an Schwindsuc­ht leiden und die vor jeder nächsten Wahl zittern – die ganze SPD-Spitze nun sogar wegen des kleinen Stadtstaat­s Bremen. Dazu eine Handvoll Minister, jawohl fünf, die womöglich bald keine mehr sind: Karliczek, von der Leyen, Giffey, Altmaier sowie Barley, die auf jeden Fall nach Europa wechselt.

Das Schlimmste ist, dass diese Koalition niemals wird sagen können: „Okay, wir haben verstanden.“Auch nicht nach dem 26. Mai. Sie wird niemals einen Neustart ausrufen. Dieser Weg ist ihr nach dem unerquickl­ichen Vorlauf und angesichts der Stimmung in ihren Parteien versperrt. Die werden keine Freunde mehr, nicht mal richtige Partner. Nicht in diesem Leben. Sie sind sich umlauernde Konkurrent­en, zusammenge­zwungen für den Moment. Und genau so sind auch die in dürren Kommuniqué­s festgehalt­enen Ergebnisse ihrer Spitzentre­ffen. Solange darin nicht steht, dass man sich trennt, sind sie die große Aufmerksam­keit eigentlich nicht wert, die sie noch erfahren.

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