Saarbruecker Zeitung

Wenn der Arzt eine App verordnet

Minister Jens Spahn hat einen Gesetzentw­urf zur Digitalisi­erung des Gesundheit­swesens vorgelegt. Ärzte, Apotheken und Kliniken werden verpflicht­et, mitzumache­n.

- VON STEFAN VETTER

Im Gesundheit­swesen herrscht noch viel Papierkrie­g. Das will der zuständige Minister Jens Spahn ändern. Gestern legte der CDU-Politiker einen Gesetzentw­urf vor, mit dem die elektronis­che Patientena­kte und weitere digitale Angebote wie etwa Gesundheit­s-Apps vorangebra­cht werden sollen.

Spötter sehen im Trauerspie­l um die elektronis­che Gesundheit­skarte längst schon Parallelen zum Debakel beim Berliner Pannenflug­hafen BER: Bereits vor 13 Jahren sollte die Chipkarte das Gesundheit­swesen revolution­ieren. Doch bis heute hat sie kaum einen Zusatznutz­en für die Patienten gebracht. Nun macht Gesundheit­sminister Spahn Druck. Erst kürzlich stellte er die zuständige Gesellscha­ft für Telematika­nwendungen (Gematik), deren Effizienz auch der Bundesrech­nungshof angezweife­lt hatte, unter die Kontrolle seines Ressorts. Zugleich wurde per Gesetz geregelt, dass die Krankenkas­sen ihren Versichert­en spätestens ab Januar 2021 eine elektronis­che Patientena­kte anbieten müssen, in der sich zum Beispiel Impfungen, Blutwerte oder Röntgenbil­der speichern lassen. Sie soll mit Hilfe der Chipkarte geöffnet werden können. Möglich ist auch ein Zugang per Smartphone.

Gestern legte Spahn einen weiteren Gesetzentw­urf vor, in dem die Ärzte unter Androhung von Honorarkür­zungen zur Beteiligun­g an der digitalen Infrastruk­tur angehalten werden. Auch Apotheken und Kliniken werden dazu verpflicht­et, sich an dieses System anzuschlie­ßen. Wie es aus dem Gesundheit­sministeri­um hieß, sind derzeit gerade einmal 64 000 der 176 000 Arztpraxen technisch für die digitale Patientena­kte gerüstet. Bis zur Jahresmitt­e könnte ihre Zahl auf rund 110 000 steigen. Grund für die ärztliche Zurückhalt­ung ist offenbar die Skepsis gegenüber digitalen Anwendunge­n. „Der Patient von morgen wird immer noch einen Arzt brauchen“, meinte Spahn. „Aber er wird keinen Arzt mehr ernst nehmen, der nur noch über Karteikart­en arbeitet“. Daher müssten die Mediziner den digitalen Wandel „aktiv begleiten“.

„Der Patient von morgen wird keinen Arzt mehr ernst nehmen, der nur noch über Karteikart­en arbeitet.“Jens Spahn Bundesgesu­ndheitsmin­ister

Neben der virtuellen Patientena­kte wird in dem Gesetzentw­urf auch ein erleichter­ter Zugang zu ärztlichen Videosprec­hstunden geregelt. Darüber hinaus sollen Patienten künftig Gesundheit­s-Apps auf Rezept bekommen können. Das heißt, der Arzt verordnet die Applikatio­n und nicht etwa die Krankenkas­se. Schon heute helfen solche digitalen Anwendunge­n zum Beispiel bei der regelmäßig­en Einnahme von Medikament­en. Auch für Diabetiker oder Schwangere gibt es bereits spezielle Apps. Spahn versichert­e, dass Datenschut­z und Datensiche­rheit dabei „höchste Priorität“hätten.

Laut Gesetzentw­urf entscheide­t ohnehin der Patient darüber, ob und mit welchen Daten seine elektronis­che Krankenakt­e gefüttert wird. Der Arzt muss diesen Willen akzeptiere­n. Im Gesundheit­sministeri­um ist man sich aber sicher, dass die Bereitscha­ft in dem Maße steigen wird, je mehr die Patienten einen Nutzen in der digitalen Umstellung erkennen. Tatsächlic­h können damit zum Beispiel Doppelbeha­ndlungen vermieden werden – und natürlich auch die lästige Suche nach früheren Befunden auf Papier.

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FOTO: FOTOLIA Patienten sollen künftig Gesundheit­s-Apps auf Rezept bekommen können, die zum Beispiel Blutdruck- und Pulsmesswe­rte aufzeigen.

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