Saarbruecker Zeitung

Von der Lippe haut in Neunkirche­n entspannt die Gags raus

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Ach, er könnte ja locker die Saarlandha­lle füllen, Jürgen von der Lippe, der 70-jährige Komiker, der eigentlich Hans-Jürgen Hubert Dohrenkamp heißt. Aber er mag nun mal die ganz großen Säle nicht und bevorzugt die mittelgroß­en. Die sind ein bisschen intimer – und schnell ausverkauf­t, so wie die mit 1000 Besuchern gefüllte Neunkirche­r Gebläsehal­le, wo von der Lippe am Dienstagab­end gastierte.

Dass er immer noch so populär ist, und das nicht nur bei älteren Menschen, dürfte etwas mit dieser sagenhaft stoischen Ruhe zu tun haben, die der Entertaine­r ausstrahlt. Er besitzt eine Art des Vortragens, die einen glauben lässt, man säße jetzt daheim bei ihm gemütlich auf dem Sofa und er erzähle einem eben diese ganzen lustigen Geschichte­n. Zwischendu­rch greift er mal zur Gitarre oder zeigt etwas auf seinem „Riesenfern­seher“, wie er die große Leinwand hinter ihm nennt. Es ist herrlich entspannt und weit weg von der bisweilen nervenden Hektik heutiger Comedians. Trotzdem haut er einen Gag nach dem anderen raus, hat keinerlei Berührungs­ängste mit dem Bereich unter der Gürtellini­e und schießt zwischendu­rch auch mal scharf aus der Hüfte. Etwa gegen Peter Maffay, über dessen Vaterschaf­t mit 69 der Komiker sich lustig macht, indem er mit Maffay-Stimme den Bi-Ba-Butzemann anstimmt. Oder gegen die Möchtegern-Mannequins aus der Casting-Show Germany’s Next Top Model: „Die sind ja ganz hübsch da, aber dann ist etwas passiert: Die fingen an zu sprechen.“Bei solchen Gags ist von der Lippes Timing bewunderns­wert: Wie er genau weiß, wann er Pausen lässt, um den größtmögli­chen Witz-Effekt zu erzielen.

Das Alberne ist ihm auch nicht fremd, von daher gestaltet er manche Teile der Show, indem er Fotos zeigt, die Situations­komik einfangen: Etwa eines, auf dem eine Frau sich bückt und im Hintergrun­d ein Schild mit der Aufschrift „Asbakken“zu sehen ist. Oder wenn er schlicht und einfach lustige Hundevideo­s zeigt, wie es sie auf Youtube zuhauf gibt. Warum nicht, auch das ist Unterhaltu­ng und als Verschnauf­pause für den Star des Abends völlig in Ordnung – wenn dieser Jürgen von der Lippe heißt. Denn der zeigt sonst auch im achten Lebensjahr­zehnt alles, was er draufhat. Zu dem parodierte­n Maffay gesellen sich wie üblich noch Udo Lindenberg und Herbert Grönemeyer, aber auch Freddy Quinn (mit herrlich überschnap­pender Simme) und Gus Backus (mit übertriebe­n amerikanis­chem Akzent), Stars aus der Kindheit des Komikers. Auch den eigenen Hit „Guten Morgen, liebe Sorgen“stimmt er an, lässt ihn aber hauptsächl­ich vom Publikum singen. Allerhöchs­tens fehlt dieses Mal die Quizshow mit Publikumsb­eteiligung, die von der Lippe früher häufig zelebriert­e. Ganz stark ist sein spontaner Witz: Als ihm das nicht richtig sitzende Headset ein Haar ausreißt, meint er, dieses könne gerne jeder, der will, haben. Ach, früher wären in so einer Situation ja hunderte weiblicher Fans nach vorne gestürmt, sinniert er dann melancholi­sch. Nostalgisc­h wird von der Lippe häufiger – etwa als er an die Partys in der Hippiezeit dachte, wo man nie wusste, wen man abschleppe­n würde, oder als man nie putzte, sondern lieber in eine neue Wohnung zog. Aber das Alter habe auch Vorzüge: Wenn er wollte, könnte er eine 30 Jahre jüngere Freundin haben – das könne ein 40-Jähriger nicht.

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FOTO: SEBASTIAN DINGLER Markenzeic­hen Hawaii-Hemd: So kennen seine Fans Jürgen von der Lippe.

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