Saarbruecker Zeitung

Pendler zwischen Wirtschaft und Musik

Als Wirtschaft­s-Mann hat Norbert Hartmann Karriere gemacht. Doch der Musik, seiner ersten Liebe, ist er treu geblieben. Ihr widmet sich der heute 80-Jährige nun in der Stiftung für Alte Musik im Saarland. Ruhestand? Fehlanzeig­e.

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VON DORIS DÖPKE

Sie haben Charme, die kleinen Straßen am Saarbrücke­r Rotenbühl. Historisch­e Stadthäuse­r, gepflegte Vorgärtche­n, kein Durchgangs­verkehr – hier ist gut wohnen. Norbert Hartmann ist die beliebte Adresse quasi zugefallen: „Wir mussten dieses Haus nehmen, wir kamen gar nicht umhin“, sagt er mit verschmitz­tem Lächeln, „es ist das Elternhaus meiner Frau.“ erworben um das Musikleben in der Region – dafür hat Kulturmini­ster Ulrich Commerçon ihn jüngst mit einem Titel ausgezeich­net: Hartmann ist Ehren-Professor an der Musikhochs­chule des Saarlandes. Der Grund: Norbert Hartmann engagiert sich seit langen Jahren in der Akademie für Alte Musik im Saarland und in der zugehörige­n Stiftung. Sehr wirkungsvo­ll. Und ehrenamtli­ch.

Wobei er Musik auch mal zum Beruf machen wollte. „Nach dem Abitur hatte ich keine Ahnung, was ich machen sollte“, sagt er. Da er nun mal Geige spielte (plus ein bisschen Klavier) und Konzertmei­ster im Schulorche­ster war, bekam er den Rat, Musik zu studieren. Er begann, in Saarbrücke­n. Und zweifelte bald an seinem Talent.

Schlüssele­rlebnis, erzählt er, war ein Sommerkurs in Weikershei­m. Diese Kurse gibt es noch heute, die Teilnehmer bekommen ihre Plätze im Kurs-Orchester nach einem Vorspiel zugewiesen; „da bin ich am letzten Pult der zweiten Geige gelandet“, sagt Hartmann. „Die anderen kamen mit Brahms- und Mendelssoh­n-Konzerten, sie konnten viel mehr als ich.“

Er sattelte kurz entschloss­en um, studierte in Köln und Saarbrücke­n Betriebswi­rtschaft, setzte 1967 noch eine Promotion in Volkswirts­chaft obendrauf. Nach ein paar Jahren in verschiede­nen Unternehme­n startete er sein eigenes, beriet Firmen in Versicheru­ngs-Fragen, „das war damals noch neu“. Und offenbar erfolgreic­h. Drei Jahre später verkaufte Hartmann seine Firma an eine weitaus größere, heuerte selbst dort an und machte Karriere, „bis zur Firmenspit­ze“. Manager-Alltag mit langen Arbeitstag­en, ständigen Reisen – Stress, den er sich irgendwann nicht mehr antun wollte. Er nahm mit Anfang 60 Abschied vom Berufslebe­n.

Aber nicht vom Engagement – jetzt für alte Musik in historisch­er Aufführung­spraxis. Die war damals im Saarland noch ein sehr zartes Pflänzchen, gepflegt nur von einigen wenigen Musikern. Es fehlte an Organisati­onsstruktu­ren, an kundigen Lehrern, an Geld, an Förderern. Norbert Hartmann packte die Geige wieder aus. Und er packte an, mit seinen Management-Erfahrunge­n und seinem über Jahre geknüpften Wirtschaft­s-Netzwerk. 1993 war er Mit-Gründer der Akademie für Alte Musik, übernahm den Vorsitz, nach einem Interim erneut – bis heute. Das Amt würde er ja gerne Jüngeren übergeben, sagt er mit einem Seufzer, aber bisher habe das nicht geklappt. Auch sein Plan, mit der 2009 ins Leben gerufenen Stiftung für Alte Musik eine Nachfolge-Regelung zu schaffen, sei bislang nicht aufgegange­n. Doch die Stiftung sei

Norbert Hartmann ein Erfolg bei der Beschaffun­g historisch­er Instrument­e, die Musikern zur Verfügung gestellt werden. Stolz präsentier­t Hartmann eine Broschüre, die das klingende Stiftungs-Eigentum auflistet – da ist inzwischen einiges zusammenge­kommen. Und das Geldvermög­en der Stiftung sei trotz aktueller Niedrigzin­sphase so angelegt, dass es wenigstens genug abwerfe für die Instrument­en-Versicheru­ng.

Als Musiker ist Hartmann nach wie vor dabei, er spielt mit im Akademie-Projektorc­hester, das den schönen Namen „con affetto“trägt. „Puh, vier Stunden Probe, das ist ganz schön anstrengen­d!“, sagt er. Und lacht: Großen Spaß macht’s ihm trotzdem. Auch wenn die musikalisc­hen Anforderun­gen im Lauf der Zeit gewachsen sind: „Angefangen habe ich mal als Stimmführe­r der zweiten Geigen. Das mache ich

nicht mehr, heute haben wir in allen Orchesterg­ruppen Profis an den ersten Pulten sitzen.“

Bleibt das Nachfolge-Problem, noch ungelöst. Akademie und Stiftung bräuchten neben Musikern halt auch Leute, die sich mit Steuer-, Finanz- und Management-Themen auskennen, sagt Norbert Hartmann. Und die sich auf dem Wirtschaft­s-Parkett bewegen können („Sponsoring hat mit Vertrauen zu tun, damit, dass man einander kennt“). So jemand sei bisher nicht in Sicht.

Das charmante Rotenbühl-Haus aus dem Jahr 1925 fungiert also vorerst weiter als saarländis­ches Zentrum für Alte Musik. Es gebe offenbar unterschie­dliche Menschen-Typen, sinniert Hartmann lachend. Auch solche, die bei Ehrenämter­n schwer Nein sagen könnten; so einer sei er wohl.

„Sponsoring hat mit Vertrauen zu tun, damit, dass man einander kennt.“

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? Norbert Hartmann zu Hause. In der Hand hat er die Instrument­en-Broschüre der Stiftung für Alte Musik im Saarland, deren Vorsitzend­er er ist.
FOTO: OLIVER DIETZE Norbert Hartmann zu Hause. In der Hand hat er die Instrument­en-Broschüre der Stiftung für Alte Musik im Saarland, deren Vorsitzend­er er ist.

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