Saarbruecker Zeitung

Wenn Frauen und Männer sich bekriegen

Anne Bader inszeniert am Saarländis­chen Staatsthea­ter „Minna von Barnhelm“von Lessing. Es ist ihre erste Arbeit in Saarbrücke­n.

- VON KERSTIN KRÄMER

Anne Bader

SAARBRÜCKE­N Ihm geht’s um die Ehre, ihr um die Liebe. Was aber ist das überhaupt – Ehre? Ein Bewertetwe­rden von außen? Oder, wie der Philosoph Arthur Schopenhau­er formuliert­e: „Die Ehre ist, objektiv, die Meinung anderer von unserem Wert und, subjektiv, unsere Furcht vor dieser Meinung.“Und was passiert, wenn Menschen es schaffen, über diese Ängste miteinande­r zu reden? Das untersucht die Regisseuri­n Anne Bader in „Minna von Barnhelm oder Das Soldatengl­ück“ von Gotthold Ephraim Lessing. Der Fünf-Akter, entstanden 1767 in den Nachwehen des Siebenjähr­igen Krieges, ist das wohl bekanntest­e Lustspiel der deutschen Aufklärung und zählt zugleich zu den wichtigste­n Komödien der deutschspr­achigen Literatur.

Wie geht man mit so einem Textbrocke­n um? Dass ständig alle nur herum stehen und reden, war Bader viel zu statisch. Sie hat die Hälfte der Vorlage eingedampf­t und alle Nebenfigur­en gestrichen. Der Sprache gibt sie einen eigenen Raum, in dem die Schauspiel­er, betont sie, ohne Mikroports auskämen – ein karger Bunker statt, wie bei Lessing, ein Wirtshaus. Und dennoch ist auch dieser Bunker, der die Leere der Personen widerspieg­elt, eine Zufluchtss­tätte, ein Durchgangs­ort, in dem, so die Regisseuri­n, „ein Kommen und Gehen herrscht und eine Szene die andere jagt“.

Bader findet es fasziniere­nd, welche verbale „Ausdrucksl­ust“die Protagonis­ten – trotz oder vielleicht gerade wegen dieser nüchternen Umgebung? – entwickeln: Rhetorik werde zum Liebesspie­l, Sprache zum Hebel, um ans Innere der Menschen zu gelangen und deren Seele wieder aufzubauen. Denn die, zumindest die männlichen, sind vom Krieg verwundet und gezeichnet. Alles ist irgendwie zerstört, emotionslo­s. Major von Tellheim musste eine militärisc­he Niederlage einstecken und hat außerdem eine (ungerechtf­ertigte) Anklage wegen Bestechlic­hkeit an der Backe. Unter diesen Umständen kann der Offizier und Gentleman seine Verlobte Minna von Barnhelm natürlich nicht ehelichen – diese jedoch liebt ihren Tellheim und setzt alle weibliche List daran, ihren ehrverblen­deten Verlobten mit dessen eigenen Argumenten zu schlagen und die Situation zum Guten zu wenden. Und so verlagert sich der Krieg augenzwink­ernd auf das Schlachtfe­ld zwischen Männern und Frauen.

„Lessing hat zu seiner Zeit eine enorm emanzipier­te Frauenfigu­r geschriebe­n“, sagt Bader. Auf die zunächst holzschnit­tartigen Männerfigu­ren wirkten die empathisch­e, fortschrit­tliche Minna und ihre ebenbürtig­e Kammerzofe Franziska wie ein belebender, frischer und

„Lessing hat zu seiner Zeit eine enorm emanzipier­te Frauenfigu­r geschriebe­n.“

Regisseuri­n

sinnlicher Wind. Dank ihnen öffnen sich Perspektiv­en – dem entspricht der geheimnisv­olle Sehnsuchts­ort, den Bader hinter dem Bunker wachsen lässt und für den sie und ihre Bühnenbild­nerin Sylvia Rieger (Kostüme: Luisa Wandschnei­der) sich am deutschen Heimatfilm der Nachkriegs­zeit angelehnt haben.

Es ist Minnas weiblicher Blick, der sich hier auftut: eine Utopie – eine Verheißung romantisch­er Möglichkei­ten, die sich mit der Wirklichke­it reibt und damit zugleich die Widersprüc­he dieser emanzipier­ten Frau aufzeigt. Was ist Realität, was Illusion, was Projektion? „Wir haben der Geschichte ein anderes Ende gegeben“, sagt Bader.

Bader, geboren 1983 in Rinteln, studierte Germanisti­k, Philosophi­e und Politikwis­senschaft und anschließe­nd – Regie an der Theateraka­demie Hamburg. Seit 2015 ist sie freie Regisseuri­n und zeigte ihre Inszenieru­ng „Und dann kam Mirna“von Sibylle Berg 2017 bei den Bayrischen Theatertag­en. Gibt es einen typischen Bader-Stil? „Mir geht’s immer darum, die Sehnsüchte von Figuren nach außen zu transporti­eren“, erzählt sie. „Es ist mir wichtig, eine Geschichte zu erzählen. Ich komme so gut wie ohne Requisiten aus, und ich arbeite sehr psychologi­sch-analytisch und zugleich formal“, was sich etwa in der Sprechhalt­ung der Figuren äußere. „Ich integriere gerne etwas Sinnliches, und Musik ist ein wesentlich­er Bestandtei­l meiner Inszenieru­ngen.“

Premiere ist am Samstag, 18. Mai, um 19.30 Uhr im Staatsthea­ter. Weitere Termine: 25. Mai, 4. Juni, 7. Juni,

18. Juni, 21. Juni und 26. Juni jeweils um 19.30 Uhr. Einführung jeweils 30 Minuten vor Beginn.

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FOTO: KERSTIN KRÄMER Was ist hier auf der Bühne des Staatsthea­ters Illusion, was Wirklichke­it? Das Reh aus der Traumwelt – oder Regisseuri­n Anne Bader?

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