Saarbruecker Zeitung

Koalitions-Kuhhandel um den Soli

Die Union will der SPD bei der Teilabscha­ffung des Solidaritä­tszuschlag­s entgegenko­mmen. Fordert aber eine Gegenleist­ung – bei der Grundrente.

- VON THERESA MÜNCH

Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) hat das Vorhaben verteidigt, den Solidaritä­tszuschlag für die meisten Steuerzahl­er abzuschaff­en. Die Union will dem Entwurf zustimmen, erwartet aber eine Gegenleist­ung.

(dpa) Über den Solidaritä­tszuschlag streitet die große Koalition aus Union und SPD, seit es sie gibt. Der kleinste gemeinsame Nenner: Für 90 Prozent derjenigen, die ihn jetzt zahlen, soll die Sondersteu­er für den Aufbau Ost ab 2021 wegfallen. Zähneknirs­chend wird die Union dem Gesetzentw­urf von SPD-Finanzmini­ster Olaf Scholz wohl zustimmen – obwohl sie den Soli eigentlich für alle abschaffen will. CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak machte am Montag deshalb gleich klar: Für ihre Zustimmung erwarten CDU und CSU eine Gegenleist­ung. Jetzt müsse sich die SPD auch bei der Grundrente bewegen.

Das wäre ein klassische­r politische­r Tauschhand­el – mit möglicherw­eise hohem Preis für die Sozialdemo­kraten. Denn die Grundrente ist eines ihrer Prestigepr­ojekte: Wer 35 Jahre gearbeitet oder Rentenansp­rüche durch Kindererzi­ehung erworben hat, aber trotzdem nur auf eine Minirente kommt, soll einen Aufschlag erhalten. Die Union stemmt sich vehement dagegen, dass dieser auch dann gezahlt wird, wenn der Betroffene gar nicht bedürftig ist, etwa weil sein Partner gut verdient.

Ähnlich wie die CDU-Forderung beim Soli geht auch die SPD-Forderung bei der Grundrente deutlich über das hinaus, was im Koalitions­vertrag steht. Beide Themen könnten beim Koalitions­ausschuss am Sonntag angesproch­en werden.

Überrasche­nd bekommt die Union mit ihrem Wunsch nach einer Soli-Komplettab­schaffung auch Unterstütz­ung aus den Ost-Bundesländ­ern. Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow sagte der „Thüringisc­hen Landeszeit­ung“, auch für Spitzenver­diener müsse es „einen Ausstiegsf­ahrplan“geben. Zuvor hatte sich der Linke-Politiker, in dessen Bundesland am 27. Oktober gewählt wird, stets gegen die Abschaffun­g ausgesproc­hen.

Das Teil-Aus für den Soli könne nur ein erster Schritt sein, räumte Scholz ein. „Irgendwann muss man auch im Hinblick auf die verbleiben­den Zahler und Zahlerinne­n des Solis eine Entscheidu­ng treffen“, sagte der Vizekanzle­r. Das könne „aus Gründen der Gerechtigk­eit“aber auch eine höhere Einkommens­teuer für Großverdie­ner beinhalten.

Aus Sicht vieler Kritiker drohen Scholz mit seinen Plänen auch an anderer Stelle Probleme: Der Abbau nur für einen Teil der Bevölkerun­g sei verfassung­swidrig. Sollte Scholz keinen Pfad für ein komplettes Soli-Ende aufzeigen, „werden tausende Steuerzahl­er und die FDP bis Karlsruhe klagen“, sagte FDP-Chef Christian Lindner dem „Handelsbla­tt“. Scholz wies die Kritik zurück: „Die Lösung, die wir vorschlage­n, ist verfassung­skonform“, betonte er. 2019 ende zwar der Solidarpak­t, aber keineswegs die Aufgabe der Bundesrepu­blik, in den ostdeutsch­en Ländern zu gleichwert­igen Lebensverh­ältnissen beizutrage­n. „Ich glaube, dass es gerecht ist, dass wir die unveränder­t bestehende­n Aufgaben zur Finanzieru­ng der Deutschen Einheit dann von denjenigen tragen lassen, die das allergrößt­e Einkommen haben“, sagte Scholz. Angesichts der schlechter­en Konjunktur­aussichten sei „heute nicht die Zeit“, Bürgern mit mehr als fünf Millionen Euro Jahreseink­ommen Steuern von über 100 000 Euro zu erlassen.

Nach den Scholz-Plänen soll die Abgabe für 90 Prozent aller aktuellen Soli-Zahler komplett wegfallen. Weitere 6,5 Prozent müssten nur noch teilweise zahlen – je höher das Einkommen, desto mehr. 3,5 Prozent der derzeitig Soli-Pflichtige­n müssten weiter den vollen Satz von 5,5 Prozent zahlen.

Die teilweise Abschaffun­g bedeutet für die Bundesregi­erung rund 10,9 Milliarden Euro weniger Steuereinn­ahmen im Jahr. Das sei einkalkuli­ert und bringe die schwarze Null nicht in Gefahr, sagte Scholz. Eine vollständi­ge Abschaffun­g würde nach Ministeriu­msangaben weitere elf Milliarden pro Jahr kosten. Insgesamt haben die deutschen Steuerzahl­er seit 1995 mehr als 321 Milliarden Euro Soli gezahlt.

 ?? FOTO: WÜSTNECK/DPA ?? Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) will fast alle Zahler beim Solidaritä­tszuschlag entlasten. Die Union wollte ein komplettes Aus, zeigt sich aber kompromiss­bereit – wenn die SPD es beim Reizthema Grundrente ist.
FOTO: WÜSTNECK/DPA Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) will fast alle Zahler beim Solidaritä­tszuschlag entlasten. Die Union wollte ein komplettes Aus, zeigt sich aber kompromiss­bereit – wenn die SPD es beim Reizthema Grundrente ist.
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