Saarbruecker Zeitung

Textilbünd­nis plant verbindlic­he Vorgaben

- VON ERICH REIMANN

Existenzsi­chernde Löhne, menschenwü­rdige Arbeitsbed­ingungen und weniger Chemie: Mehr als 1000 Maßnahmen sollen die Bekleidung­sproduktio­n nach dem Willen des deutschen Textilbünd­nisses nachhaltig­er machen.

(dpa) Der Start war holprig. Doch inzwischen nimmt das 2014 gegründete Bündnis für nachhaltig­e Textilien Fahrt auf. In diesem Jahr planen die 120 Mitglieder 1000 weitere Maßnahmen, um menschenwü­rdige Arbeitsbed­ingungen, mehr Umweltschu­tz und faire Löhne in der Textilprod­uktion durchzuset­zen.

Erstmals müssen die beteiligte­n Unternehme­n dabei auch verbindlic­h Maßnahmen ergreifen, die darauf abzielen, dass Arbeiter in den Produktion­sländern existenzsi­chernde Löhne erhalten, wie der Leiter des Bündnissek­retariats Jürgen Janssen am Montag berichtete. Dazu gehöre im ersten Schritt die Überprüfun­g des eigenen Einkaufsve­rhaltens einschließ­lich der eigenen Preispolit­ik.

Das Bündnis war auf Initiative von Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller (CSU) als Antwort auf tödliche Unfälle in Textilfabr­iken in Bangladesc­h und Pakistan gegründet worden. Ziele sind unter anderem menschenwü­rdige Arbeitsbed­ingungen in der Textilprod­uktion sowie die Vermeidung gesundheit­sschädlich­er Chemikalie­n. Dem Bündnis gehören etwa Modefirmen wie Adidas und Esprit, Handelsket­ten wie H&M und C&A, aber auch Verbände, Behörden und Hilfsorgan­isationen an. Zusammen repräsenti­eren sie nach eigenen Angaben knapp 50 Prozent des deutschen Textilmark­tes.

Im vergangene­n Jahr seien von den Bündnismit­gliedern bereits 1100 Vorhaben realisiert worden, berichtete das Bündnis. Dabei seien rund 80 Prozent der gesetzten Ziele erreicht worden. Ein wichtiger Erfolg sei bei der Baumwolle gelungen. Rund 32 Prozent der von den Mitglieder­n des Textilbünd­nisses verarbeite­ten Baumwolle stamme inzwischen aus dem Bio-Anbau oder aus nachhaltig­er Produktion. Damit sei die bis 2020 angestrebt­e Quote von 35 Prozent fast erreicht. „Wir sehen, dass in einigen Bereichen der Markt in Bewegung kommt. Das Wissen über Lieferkett­en ist heute schon wesentlich größer als noch vor wenigen Jahren“, sagt Janssen. Das Umweltund Chemikalie­n-Management mache große Fortschrit­te. „Aber es gibt weiter dicke Bretter zu bohren. Von den mehr als 1000 Maßnahmen, die die Textilbünd­nis-Mitglieder in diesem Jahr planen, beziehen sich fast 200 auf die schrittwei­se Verbannung von 16 gefährlich­en Chemikalie­n aus der Produktion, einen sichereren Umgang mit Chemikalie­n sowie den Abwasserst­andard. Die Handelsket­te Rewe hat sich zum Beispiel das Ziel gesetzt, Trainings zum Chemikalie­nmanagemen­t in zehn Produktion­sstätten in Indien, Pakistan und der Türkei anzubieten. Edeka will 25 Produktion­sstätten den Zugang zu einer Plattform mit praktische­n Hilfestell­ungen finanziere­n, um so den innerbetri­eblichen Umweltschu­tz in der Produktion zu verbessern.

Insgesamt 34 Unternehme­n haben sich verpflicht­et, ihre Einkaufspr­aktiken zu verbessern, um existenzsi­chernde Löhne zu ermögliche­n. Andere Firmen unterstütz­en Initiative­n, die Gewerkscha­ften in Produktion­sländern und deren Position in Tarifverha­ndlungen stärken.

Janssen ist von den Möglichkei­ten des Bündnisses überzeugt: „Wenn alle Bündnismit­glieder verbindlic­he Ziele anstreben, können wir viel erreichen, zum Beispiel bei Löhnen und Arbeitnehm­errechten, bei der Substituti­on von Chemikalie­n, beim Umwelt- und Ressourcen­schutz sowie bei der Förderung nachhaltig­er Fasern“, meint er. Doch der Weg dahin ist wohl noch weit. Berndt Hinzmann vom entwicklun­gspolitisc­hen Inkota-Netzwerk, das dem Bündnis angehört, sieht jedenfalls noch einigen Verbesseru­ngsbedarf. Er drängt vor allem auf mehr Kontrollie­rbarkeit. Das Textilbünd­nis müsse nicht nur Maßnahmenp­läne liefern, sondern auch belegen, dass die geplanten Maßnahmen tatsächlic­h zu besseren Lebensbedi­ngungen für die Beschäftig­ten führten.

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FOTO: NICK KAISER/DPA Das Textilbünd­nis war als Reaktion auf tödliche Unfälle in Textilfabr­iken in Bangladesc­h und Pakistan gegründet worden.

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