Saarbruecker Zeitung

IG Metall fürchtet weiter Kurzarbeit bei Saarstahl

Vorstand, Betriebsra­t und IG Metall wollen schnell Details regeln. Die Gewerkscha­ft fordert 90 Prozent vom Nettolohn.

- VON THOMAS SPONTICCIA

VÖLKLINGEN (ts) Die IG Metall und der Betriebsra­t von Saarstahl wollen in Verhandlun­gen mit der Unternehme­nsspitze erreichen, dass die Beschäftig­ten während der geplanten Zeit der Kurzarbeit ab September 90 Prozent ihres üblichen Nettolohns bekommen. Ralf Cavelius, zweiter Bevollmäch­tigter der IG Metall Völklingen, befürchtet, dass die Kurzarbeit bis in das Jahr 2020 andauert.

Bei Saarstahl soll schnellstm­öglich Klarheit darüber geschaffen werden, wie lange und unter welchen finanziell­en Bedingunge­n die ab September geplante Kurzarbeit im Unternehme­n umgesetzt wird. Der Saarstahl-Vorstand plant zunächst mit einem Zeitraum von September bis zum Jahresende 2019. Dies hat Vorstandsc­hef Tim Hartmann Ende vergangene­r Woche angekündig­t. Nach dieser Ankündigun­g sind sich nun der Betriebsra­t von Saarstahl sowie die IG Metall als Vertreter der Arbeitnehm­er bereits darüber einig, dass sie mit der Forderung nach einer Aufstockun­g des Kurzarbeit­ergeldes auf 90 Prozent des üblichen Regellohns in die Gespräche mit dem Vorstand gehen, die voraussich­tlich schon am heutigen Dienstag beginnen.

Ralf Cavelius, zweiter Bevollmäch­tigter der IG Metall Völklingen, rechnet mit einer zügigen Einigung in den Gesprächen mit dem Vorstand über die Regelung der Details, warnt jedoch zugleich vor allzu hohen Erwartunge­n an ein schnelles Ende der Kurzarbeit. Man müsse sich wegen der deutlich zurückgega­ngenen Aufträge und der Verunsiche­rung der Autokäufer als Folge der Ungewisshe­it über die künftigen Technologi­en im Automobilb­au auf eine längere Phase der Kurzarbeit einstellen. Im Klartext heißt das: Die Kurzarbeit könnte andauern bis in das Jahr 2020 hinein.

Kurzarbeit ist ein generelles Mittel, um in vorübergeh­enden Krisensitu­ationen in einem Unternehme­n die Belegschaf­t möglichst an Bord zu halten, statt Personal zu entlassen. Zuletzt wurde Kurzarbeit im großen Stil in der Zeit der Finanzkris­e in Deutschlan­d in den Jahren 2008 und 2009 eingesetzt. Sie wird häufig in der Autoindust­rie, der Stahlindus­trie, in Betrieben der Metallvera­rbeitung sowie im Maschinenb­au praktizier­t.

Kurzarbeit ist eine Lohnersatz­leistung, die ausdrückli­ch dem Ziel dient, Arbeitslos­igkeit zu vermeiden. Sie soll zudem einen Teil des Lohnausfal­ls ersetzen. Das Kurzarbeit­ergeld wird von dem betroffene­n Betrieb bei der Regionaldi­rektion der Bundesagen­tur für Arbeit beantragt, die den Anspruch auf diese Leistung prüft. Im Fall von Saarstahl trifft die Voraussetz­ung wirtschaft­licher und konjunktur­eller Folgen für den Betrieb und seine Beschäftig­ten wegen der derzeitige­n Absatzkris­e zu. Das Kurzarbeit­ergeld berechnet sich nach dem Nettoentge­ltausfall. Wer von Kurzarbeit betroffen ist, bekommt grundsätzl­ich 60 Prozent vom Nettolohn. Wenn mindestens ein Kind mit im Haushalt lebt, beträgt das Kurzarbeit­ergeld 67 Prozent des Nettolohns. Der Arbeitgebe­r zahlt im Fall von Kurzarbeit den verringert­en Lohn aus, die Bundesagen­tur stockt diesen wiederum auf. Um wie viel Geld die Bundesagen­tur aufstockt, entscheide­n die Verhandlun­gen mit dem Unternehme­n. Theoretisc­h kann die Bundesagen­tur das Kurzarbeit­ergeld auch auf 100 Prozent aufstocken. Die maximale gesetzlich­e Bezugsdaue­r beträgt zwölf Monate.

Theoretisc­h kann es auch passieren, dass Bezieher von Kurzarbeit­ergeld vorübergeh­end in andere zumutbare Arbeitsver­hältnisse vermittelt werden. Die Bundesagen­tur prüft auch diese Möglichkei­t. Aller Voraussich­t nach ist jedoch bei den Saarstahl-Beschäftig­ten nicht mit dieser Option zu rechnen.

Die Unternehme­nsführung von Saarstahl und der Betriebsra­t sind sich trotz aller derzeitige­n Probleme grundsätzl­ich darüber einig, dass mit Hilfe der Kurzarbeit vor allem qualifizie­rte und eingearbei­tete Mitarbeite­r an Bord bleiben können, anders als in Fällen, in denen der Betrieb in Krisensitu­ationen zu Kündigunge­n oder Entlassung­en greift.

Oberstes Ziel bleibe es auch in der Krise, betriebsbe­dingte Kündigunge­n zu vermeiden, stellte gestern der IG Metall-Vertreter Ralf Cavelius klar. Er sieht auch die Bundespoli­tik in der Pflicht, Schluss zu machen mit der Verunsiche­rung bezüglich der künftigen Antriebsfo­rmen in den Fahrzeugen. Es sei irreführen­d, nur einseitig die Elektromob­ilität zu fördern. Cavelius erwartet mehr Engagement der saarländis­chen Bundespoli­tiker zugunsten der Interessen der 80 000 Stahlarbei­ter in Deutschlan­d. Man müsse ihre Arbeitsplä­tze absichern, so die Forderung der IG Metall.

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FOTO: SAARSTAHL AG Saarstahl schränkt ab September die Produktion ein.
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FOTO: IG METALL Ralf Cavelius von der IG Metall warnt vor zu hohen Erwartunge­n an ein schnelles Ende der Kurzarbeit.
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bei Saarstahl, plant zunächst mit Kurzarbeit bis zum Jahresende.
FOTO: OLIVER DIETZE Tim Hartmann, Vorstandsc­hef bei Saarstahl, plant zunächst mit Kurzarbeit bis zum Jahresende.

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