IG Metall fürchtet weiter Kurzarbeit bei Saarstahl
Vorstand, Betriebsrat und IG Metall wollen schnell Details regeln. Die Gewerkschaft fordert 90 Prozent vom Nettolohn.
VÖLKLINGEN (ts) Die IG Metall und der Betriebsrat von Saarstahl wollen in Verhandlungen mit der Unternehmensspitze erreichen, dass die Beschäftigten während der geplanten Zeit der Kurzarbeit ab September 90 Prozent ihres üblichen Nettolohns bekommen. Ralf Cavelius, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Völklingen, befürchtet, dass die Kurzarbeit bis in das Jahr 2020 andauert.
Bei Saarstahl soll schnellstmöglich Klarheit darüber geschaffen werden, wie lange und unter welchen finanziellen Bedingungen die ab September geplante Kurzarbeit im Unternehmen umgesetzt wird. Der Saarstahl-Vorstand plant zunächst mit einem Zeitraum von September bis zum Jahresende 2019. Dies hat Vorstandschef Tim Hartmann Ende vergangener Woche angekündigt. Nach dieser Ankündigung sind sich nun der Betriebsrat von Saarstahl sowie die IG Metall als Vertreter der Arbeitnehmer bereits darüber einig, dass sie mit der Forderung nach einer Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 90 Prozent des üblichen Regellohns in die Gespräche mit dem Vorstand gehen, die voraussichtlich schon am heutigen Dienstag beginnen.
Ralf Cavelius, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Völklingen, rechnet mit einer zügigen Einigung in den Gesprächen mit dem Vorstand über die Regelung der Details, warnt jedoch zugleich vor allzu hohen Erwartungen an ein schnelles Ende der Kurzarbeit. Man müsse sich wegen der deutlich zurückgegangenen Aufträge und der Verunsicherung der Autokäufer als Folge der Ungewissheit über die künftigen Technologien im Automobilbau auf eine längere Phase der Kurzarbeit einstellen. Im Klartext heißt das: Die Kurzarbeit könnte andauern bis in das Jahr 2020 hinein.
Kurzarbeit ist ein generelles Mittel, um in vorübergehenden Krisensituationen in einem Unternehmen die Belegschaft möglichst an Bord zu halten, statt Personal zu entlassen. Zuletzt wurde Kurzarbeit im großen Stil in der Zeit der Finanzkrise in Deutschland in den Jahren 2008 und 2009 eingesetzt. Sie wird häufig in der Autoindustrie, der Stahlindustrie, in Betrieben der Metallverarbeitung sowie im Maschinenbau praktiziert.
Kurzarbeit ist eine Lohnersatzleistung, die ausdrücklich dem Ziel dient, Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Sie soll zudem einen Teil des Lohnausfalls ersetzen. Das Kurzarbeitergeld wird von dem betroffenen Betrieb bei der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit beantragt, die den Anspruch auf diese Leistung prüft. Im Fall von Saarstahl trifft die Voraussetzung wirtschaftlicher und konjunktureller Folgen für den Betrieb und seine Beschäftigten wegen der derzeitigen Absatzkrise zu. Das Kurzarbeitergeld berechnet sich nach dem Nettoentgeltausfall. Wer von Kurzarbeit betroffen ist, bekommt grundsätzlich 60 Prozent vom Nettolohn. Wenn mindestens ein Kind mit im Haushalt lebt, beträgt das Kurzarbeitergeld 67 Prozent des Nettolohns. Der Arbeitgeber zahlt im Fall von Kurzarbeit den verringerten Lohn aus, die Bundesagentur stockt diesen wiederum auf. Um wie viel Geld die Bundesagentur aufstockt, entscheiden die Verhandlungen mit dem Unternehmen. Theoretisch kann die Bundesagentur das Kurzarbeitergeld auch auf 100 Prozent aufstocken. Die maximale gesetzliche Bezugsdauer beträgt zwölf Monate.
Theoretisch kann es auch passieren, dass Bezieher von Kurzarbeitergeld vorübergehend in andere zumutbare Arbeitsverhältnisse vermittelt werden. Die Bundesagentur prüft auch diese Möglichkeit. Aller Voraussicht nach ist jedoch bei den Saarstahl-Beschäftigten nicht mit dieser Option zu rechnen.
Die Unternehmensführung von Saarstahl und der Betriebsrat sind sich trotz aller derzeitigen Probleme grundsätzlich darüber einig, dass mit Hilfe der Kurzarbeit vor allem qualifizierte und eingearbeitete Mitarbeiter an Bord bleiben können, anders als in Fällen, in denen der Betrieb in Krisensituationen zu Kündigungen oder Entlassungen greift.
Oberstes Ziel bleibe es auch in der Krise, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, stellte gestern der IG Metall-Vertreter Ralf Cavelius klar. Er sieht auch die Bundespolitik in der Pflicht, Schluss zu machen mit der Verunsicherung bezüglich der künftigen Antriebsformen in den Fahrzeugen. Es sei irreführend, nur einseitig die Elektromobilität zu fördern. Cavelius erwartet mehr Engagement der saarländischen Bundespolitiker zugunsten der Interessen der 80 000 Stahlarbeiter in Deutschland. Man müsse ihre Arbeitsplätze absichern, so die Forderung der IG Metall.