Saarbruecker Zeitung

Wer zahlt für Kippen, Plastikmül­l und Co ?

Nach den Kunststoff­tüten nimmt Umweltmini­sterin Svenja Schulze nun Wegwerfart­ikel ins Visier. Für deren Entsorgung will sie die Hersteller zur Kasse bitten.

- VON WERNER KOLHOFF

Im Hof des Berliner Umweltmini­steriums war am Montag eine Schubkarre der Stadtreini­gung aufgebaut, dazu eine Lade Kehricht aus der Schicht vom Morgen – optische Untermalun­g für eine Entscheidu­ng der Ministerin. Svenja Schulze (SPD) will die Hersteller von Plastikbec­hern, Zigaretten und Fast-Food-Verpackung­en ab 2021 an den Kosten der Müllsammlu­ng und -entsorgung beteiligen.

Es geht um das, was wild in Parks und auf Straßen weggeworfe­n wird, aber auch um den Inhalt von öffentlich­en Papierkörb­en und Gullis. Das ist nämlich immer öfter Plastikabf­all und Verpackung­smaterial. Auch Zigaretten­kippen fallen darunter, denn sie bestehen überwiegen­d aus Plastik und sind dazu noch hochgradig giftig. Allein Mainz, berichtete der Bürgermeis­ter der Stadt und Vorsitzend­e des Verbandes Kommunaler Unternehme­n (VKU), Michael Ebeling, bei der Pressekonf­erenz, habe im letzten Jahr in den öffentlich­en Mülleimern einen Zuwachs dieser Art von Müll um 150 Tonnen gehabt.

Es sei eine Frage der Gerechtigk­eit, dass die Städte und damit die Steuerzahl­er nicht allein auf den Kosten für die Einsammlun­g sitzen blieben, meinte Schulze. Vom Dualen System, für das die Verpackung­s-Unternehme­n bereits bezahlen, ist dieser Müll bisher nicht erfasst, da er nicht in der Haustonne oder im Gelben Sack landet. Freilich verfolgt Schulze mit ihrem Vorstoß noch ein zweites Ziel: Sie erhofft sich, über die Kosten eine Verringeru­ng des Einweg-Verbrauchs zu erreichen. Die Ministerin: „Wir müssen weg von der Wegwerfges­ellschaft.“

Wie hoch die Umlage sein wird, ist offen. Der VKU startet zunächst eine groß angelegte Studie, um zu ermitteln, welche Art von Müll gesammelt wird und wie hoch der Einwegante­il ist. Die Studie soll ein Jahr laufen, um alle Jahreszeit­en zu erfassen, und in allen Landesteil­en repräsenta­tiv durchgefüh­rt werden. In Städten, an Überlandst­raßen und an Stränden. Erst danach will die Ministerin über die Höhe entscheide­n. Offen ist auch, wie weit die Firmen die Kosten auf die Kunden abwälzen werden. Schulze äußerte freilich die Hoffnung, dass der Wettbewerb­sdruck dazu führen werde, dass die Unternehme­n auf umweltvert­räglichere Ersatzprod­ukte und Lösungen setzten.

Der Plan zur „Hersteller­verantwort­ung“bei Wegwerfpro­dukten ist der zweite Paukenschl­ag der Ministerin in Sachen Müll und Plastik innerhalb weniger Tage. Erst am Wochenende hatte sie angekündig­t, dass sie bald einen Gesetzentw­urf zum Totalverbo­t von Plastiktüt­en vorlegen werde. Bisher hatte die Regierung hier auf Freiwillig­keit gesetzt und durch Vereinbaru­ngen mit Industrie und Handel seit 2016 auch einen erhebliche­n Verbrauchs­rückgang erzielt. Ein Motiv für Schulzes Vorstoß dürfte freilich auch darin liegen, dass CSU-Chef Markus Söder sie auch beim Thema Plastiktüt­en umweltpoli­tisch zu übertrumpf­en droht. Denn Bayern hat im Juli eine Bundesrats­initiative für ein Totalverbo­t gestartet.

Auf Freiwillig­keit setzt Schulze zunächst weiter bei einem dritten Thema: Der Vermeidung von Verpackung­en bei Obst und Gemüse, darunter die sogenannte­n Hemdchenbe­utel für Orangen und Plastikfol­ien für Gurken. Im Herbst will sie darüber eine Vereinbaru­ng mit dem Handel schließen.

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FOTO: GETTY IMAGES Sie bestehen aus Plastik und sind giftig: Zigaretten­kippen.

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