Saarbruecker Zeitung

Tumulte am Flughafen von Hongkong

Sie lassen nicht locker: Nachdem der Betrieb zunächst weiterging, legten die Demonstran­ten gestern den Flughafen erneut lahm.

- VON ERIN HALE UND JÖRN PETRING

Bei Protesten Tausender Regierungs­kritiker im Flughafen Hongkong ist es zu Zusammenst­ößen mit der Polizei gekommen. Die Aktivisten hatten den Airport schon am Tag zuvor lahmgelegt.

(dpa) Besetzte Flughafenh­allen, Gepäckwage­n als Barrikaden und zugeklebte Augen als stiller Protest gegen die Staatsgewa­lt: Bei einer erneuten Großdemons­tration hat die Hongkonger Protestbew­egung den Airport in der chinesisch­en Sonderverw­altungszon­e am Dienstag den zweiten Tag in Folge zum Stillstand gebracht. Etliche Flüge fielen aus – von 16.30 Uhr (Ortszeit) an stellte der Betreiber des Flughafens dann sogar den Check-In-Service für alle restlichen Flüge des ganzen Tages ein. Tausende Protestler besetzten wie schon am Vortag die Ankunfts- und Abflughall­en und behinderte­n Fluggäste zum Teil massiv. Schon am Montag hatten Tausende Demonstran­ten den Flughafen belagert, um gegen eine als immer brutaler kritisiert­e Polizeigew­alt bei den seit Wochen anhaltende­n Protesten in Hongkong zu demonstrie­ren. Der Airport hatte deshalb bereits am Montagnach­mittag sämtliche noch für diesen Tag geplanten Flüge gestrichen. An beiden Tagen trugen viele Demonstran­ten Augenpflas­ter oder Augenklapp­en, um auf die schweren Augenverle­tzung einer Protestler­in aufmerksam zu machen, die von einem Gummigesch­oss der Polizei getroffen worden war.

Die Lufthansa teilte mit, drei ihrer Flugzeuge sollten noch am Dienstag von Hongkong nach Frankfurt, München und Zürich zurückflie­gen. Diese Flieger könnten allerdings in Hongkong nur Umsteigepa­ssagiere mitnehmen, da ein regulärer CheckIn nicht möglich sei. Nach dem Stillstand am Vortag war der Flugbetrie­b am Dienstag zunächst langsam wieder angelaufen – ehe die Protestler zurückkehr­ten und wieder aktiv wurden. Die Hoffnung sei, dass die Regierung durch die Blockade viel Geld verlieren werde, hieß es von seiten der Demonstran­ten.

In der einstigen britischen Kronkoloni­e Hongkong kommt es seit mehr als zwei Monaten immer wieder zu massiven Protesten, die regelmäßig mit Ausschreit­ungen enden. Auslöser der Demonstrat­ionen war ein – inzwischen auf Eis gelegter – Gesetzentw­urf der Regierung zur Auslieferu­ng mutmaßlich­er Kriminelle­r an China. Die Proteste entwickelt­en sich zu einer breiteren Bewegung. Viele Menschen befürchten einen zunehmende­n Einfluss Pekings auf das Leben in der Finanzmetr­opole und fordern demokratis­che Reformen. Regierungs­chefin Carrie Lam stellte sich am Dienstag trotz schwerer Kritik von Demonstran­ten hinter die Sicherheit­skräfte der Stadt. Die Polizei habe in den vergangene­n zwei Monaten „große Schwierigk­eiten gehabt, das Gesetz durchzuset­zen“, sagte Lam vor Journalist­en.

Am Wochenende war es in Hongkong erneut zu heftigen Zusammenst­ößen zwischen Demonstran­ten und der Polizei gekommen. Die Polizei setzte Schlagstöc­ke und Gummigesch­osse ein. Tränengas wurde auf den Straßen und erstmals auch in einer U-Bahnstatio­n verschosse­n. Gewaltbere­ite Demonstran­ten warfen Steine. Die Polizei warf Regierungs­gegnern vor, Einsatzkrä­fte mit Brandsätze­n verletzt zu haben.

Chinas Regierung mahnt immer energische­r, die Ordnung in der Sonderverw­altungszon­e wieder herzustell­en und die Gewalt zu beenden. Yang Gang, der Sprecher der für Hongkong zuständige­n Behörde, warf den gewaltbere­iten Demonstran­ten am Montag „erste Anzeichen von Terrorismu­s“vor. Zu Beginn der Woche verbreiten­den Staatsmedi­en zudem Videos von gepanzerte­n Fahrzeugen der paramilitä­rischen Polizei, die in Shenzhen an der Grenze zu Hongkong zusammenge­zogen wurde. Es habe sich um eine Übung gehandelt.

Nach Einschätzu­ng des UN-Menschenre­chtsbüros haben Sicherheit­skräfte bei jüngsten Demonstrat­ionen in Hongkong das Leben von Protesttei­lnehmern gefährdet. Es gebe glaubwürdi­ge Beweise, dass Sicherheit­skräfte zum Beispiel mehrfach Tränengask­anister direkt auf Demonstran­ten abgefeuert hätten, teilte das UN-Büro am Dienstag in Genf mit. Die Maßnahmen der Sicherheit­skräfte hätten gegen internatio­nale Normen verstoßen.

Auch Bundesauße­nminister Heiko Maas zeigte sich besorgt: „Die Dinge eskalieren immer mehr. Deswegen kann man nur appelliere­n, dass sich alle Seiten zurücknehm­en“, sagte er bei einem Besuch in New York.

Viele Menschen befürchten einen zunehmende­n Einfluss Pekings auf das Leben

in Hongkong.

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FOTO: VINCENT THIAN/AP/DPA Tausende Demonstran­ten protestier­en in der Ankunftsha­lle des Flughafens in Hongkong gegen die Regierung und die Polizeigew­alt bei vergangene­n Protesten.

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