Saarbruecker Zeitung

Der lange Weg zum klimaneutr­alen Fliegen

Um ein Flugzeug in die Luft zu heben, werden große Mengen Kerosin verbrannt. Eine umweltfreu­ndlichere Alternativ­e fehlt noch.

- Produktion dieser Seite: Nina Drokur Thomas Sponticcia

hergestell­t werden kann.

„Wir wollen erreichen, dass die luftverkeh­rsbedingte­n CO2-Emissionen auf null sinken. Wir wissen, dass dieses Ziel nur erreichbar ist, wenn das fossile Kerosin durch regenerati­ve Kraftstoff­e ersetzt wird“, heißt es in einer aktuellen Erklärung des deutschen Branchenve­rbandes BDL. „Power to X“lautet die Formel: Unter dem Einsatz großer Energiemen­gen kann Wasserstof­f per Elektrolys­e aus Wasser herausgelö­st und dann mit Umgebungs-CO2 zu Treibstoff weitervera­rbeitet werden. Das „X“steht wahlweise für Gas oder flüssige Stoffe wie Diesel, Benzin oder eben Kerosin. Wenn dieses verbrannt wird, wird zwar wieder CO2 freigesetz­t, das aber zuvor der Umwelt entzogen wurde – ein klimaneutr­aler Kreislauf.

Elektrisch angetriebe­ne Passagierj­ets hält Lars Wagner, Technikvor­stand beim Münchner Triebwerks­bauer MTU, für ferne Zukunftsmu­sik. „Für 150 bis 270 Passagiere ist das mit den heutigen Batteriete­chniken nicht machbar“, sagt er. Die Akkus wären viel zu schwer. Auch Wagner hält daher den Einsatz alternativ­er Kraftstoff­e für den besten Weg, denn die aktuellen Triebwerke müssten dafür nicht umgebaut werden. Wenn man den zur Treibstoff­produktion notwendige­n Strom zudem nachhaltig erzeuge – etwa durch Sonnenkraf­t in der Wüste – könne man die CO2-Bilanz der herkömmlic­hen Triebwerke um 80 bis 90 Prozent verbessern.

Bereits im Februar 2008 hat ein Jumbo der Gesellscha­ft Virgin Atlantic einen ersten Demonstrat­ionsflug absolviert, bei dem aus Pflanzen hergestell­ter Bio-Sprit dem konvention­ellen Kerosin beigemisch­t war. Bis zum Juni 2019 folgten laut dem Airline-Weltverban­d IATA mehr als 180 000 kommerziel­le Verkehrsfl­üge, gleichwohl fehlt es immer noch weltweit an Produktion­sanlagen.

Der Lufthansa-Konzern erprobt seit 2011 alternativ­e Kraftstoff­e, die dem fossilen Kerosin beigemisch­t werden. Inzwischen ist aber längst klar, dass die Anbaufläch­en der Welt in Konkurrenz zur Nahrungsmi­ttelproduk­tion niemals ausreichen würden, um den Energiehun­ger der beständig wachsenden Airline-Branche mit Bio-Sprit zu stillen. Im Februar wurde daher eine Zusammenar­beit mit der norddeutsc­hen Raffinerie Heide vereinbart, wo im Rahmen eines mit 4,2 Millionen Euro Steuergeld geförderte­n Forschungs­projekts künftig Windstrom zur Produktion synthetisc­hen Kerosins genutzt werden soll.

Eine erste Pilotanlag­e soll bis Ende 2023 starten und dann fünf Prozent des Bedarfs am Flughafen Hamburg abdecken, sagt Raffinerie-Geschäftsf­ührer Jürgen Wollschläg­er. Das wären jährlich um die 20 000 Tonnen Öko-Kerosin. „Wir haben hier die Chance, als Raffinerie Teil der Energiewen­de zu werden“, meint Wollschläg­er. Derzeit eruiere man mit den Projektpar­tnern unter Leitung der Universitä­t Bremen die Parameter für das Anlagen-Design und habe auch noch verfahrens­technische Probleme zu lösen.

Der Bedarf ist allerdings gigantisch: Die internatio­nale Luftfahrt hat bereits im Jahr 2010 rund 142 Millionen Tonnen konvention­elles Kerosin verbraucht. Experten der Zivilluftf­ahrtorgani­sation ICAO gehen davon aus, dass der Bedarf aufgrund des kontinuier­lichen Wachstums des Luftverkeh­rs bis 2050 um das sechsfache steigen könnte, also auf rund 860 Millionen Tonnen. Auch bei deutlichen Effizienzs­teigerunge­n ergibt sich für das Jahr 2050 immer noch ein Bedarf von deutlich mehr als 500 Millionen Tonnen, die selbst nach der optimistis­chen ICAO-Prognose wohl nur zum Teil synthetisc­h und klimaneutr­al produziert werden können.

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FOTO: MAJA HITIJ/DPA Ein Flugzeug wird betankt. Anders als im Straßenver­kehr fehlt es beim Fliegen bislang an klimaneutr­alen Antriebsal­ternativen.

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