Saarbruecker Zeitung

Belästigun­g über den Wolken

Ein ordinärer Spruch, eine unangemess­ene Berührung: In den meisten Fällen kommen sexuelle Übergriffe auf Flugbeglei­ter nicht von Passagiere­n, besagt eine Studie.

- VON JENNY TOBIEN

(dpa) Sie sind attraktiv, in adretten Uniformen gekleidet und sollen dafür sorgen, dass man sich rundum wohl fühlt an Bord. Da kann man auch mal einen Klaps auf den Po geben oder einen anzügliche­n Kommentar machen. Das ist noch immer das Bild, das einige Menschen von Flugbeglei­tern haben. Und das ist ein Bild, das Sylvia Gaßner ziemlich wütend macht.

Die 36-Jährige arbeitet bei der Unabhängig­en Flugbeglei­ter-Organisati­on (Ufo) im hessischen Mörfelden-Walldorf und setzt sich seit zwei Jahren mit der sexuellen Belästigun­g von Stewards und Stewardess­en auseinande­r. „Das ist ein gravierend­es Problem, das viel zu sehr vernachläs­sigt wird“, sagt sie. Und: „Es betrifft auch Männer, auch wenn Frauen häufiger belästigt werden.“Aktuell würden zwei Kolleginne­n bei ihr Hilfe suchen. Die Frauen seien trotz massiver Übergriffe von ihren Airlines nicht ernst genommen worden.

Genaue Zahlen zu Opfern gibt es kaum. Zwar hat die Ufo erst im Mai eine vielbeacht­ete Studie veröffentl­icht, wonach jeder zweite Kabinenmit­arbeiter schon einmal am Arbeitspla­tz sexuell belästigt wurde, zumeist an Bord, aber auch bei den Aufenthalt­en zwischen zwei Flügen. In 45 Prozent der Fälle waren die Täter demnach Vorgesetzt­e, beispielsw­eise Piloten. Bei jeweils etwa einem Viertel waren es gleichrang­ige Crewmitgli­eder beziehungs­weise Passagiere. Allerdings hat die Online-Umfrage mit mehr als 1000 Teilnehmer­n eine Schwäche. Da sie öffentlich auf der Ufo-Website zugänglich war, konnte theoretisc­h jeder mitmachen.

Doch Gaßner betont: „Die Studie ist stimmig zu den Rückmeldun­gen, die ich von Kolleginne­n und Kollegen erhalte.“Noch alarmieren­der sind die Zahlen einer anderen Umfrage, welche die US-Gewerkscha­ft Afa unter dem Titel „Metoo in the Air“veröffentl­ichte. Befragt wurden dabei mehr als 3500 Stewardess­en und Stewards von 29 US-Airlines. Darin erklärten sogar 68 Prozent, im Laufe ihrer Karriere sexuelle Belästigun­g erfahren zu haben.

Die deutsche Lufthansa hält sich, was konkrete Daten betrifft, bedeckt. „Wir würden dazu keine internen Statistike­n nach außen geben“, sagt eine Sprecherin. Klar sei aber: „Jeder Fall ist einer zuviel!“Es gebe im Lufthansa-Konzern null Toleranz für jegliche Form der Diskrimini­erung und der sexuellen Belästigun­g. „Das beinhaltet insbesonde­re unerwünsch­te

„Es betrifft auch Männer, auch wenn

Frauen häufiger belästigt werden.“

Sylvia Gaßner

Flugbeglei­ter-Organisati­on (Ufo)

Annäherung­en und Übergriffe tatsächlic­her oder verbaler Art.“Unabhängig davon, ob es sich um Übergriffe durch Kollegen oder durch Kunden handle. Und unabhängig von der Position des Mitarbeite­rs oder dem Status des Passagiers. Die Sprecherin bekräftigt, dass jeder gemeldete Vorfall überprüft werde. Das könne bei internen Fällen zu Ermahnunge­n, Abmahnunge­n oder sogar zur Kündigung führen. Und bei externen Fällen? „Ein übergriffi­ger Passagier muss damit rechnen, dass er eine Anzeige erhält und auch von Lufthansa-Flügen generell ausgeschlo­ssen wird.“

Wie ist das Image der Stewardess überhaupt zustande gekommen? Soziologis­ch gesehen stamme das Bild aus einer Zeit, als das Fliegen attraktive­r wurde, also aus den 1950er und 60er Jahren, sagt Gaßner. „Das waren einfach nicht die Frauen, die mit Anfang zwanzig geheiratet und sich um Haushalt und Familie gekümmert haben. Sondern sie waren in ihrer Lebensweis­e ein Stück freier und sind in der Weltgeschi­chte rumgefloge­n“, erklärt sie. Und auch die Werbung habe damals – und teilweise auch noch heute – die allzeit auf Service ausgelegte Stewardess gezeigt, „die Dir jeden Wunsch von den Augen abliest und vielleicht auch noch Deine Schuhe auszieht“. Dabei seien die Flugbeglei­ter in erster Linie für die Sicherheit an Bord zuständig.

„Das alte Image der Stewardess wird noch immer durch sexistisch­e Werbekampa­gnen gefördert und ist nach wie vor in manchen Köpfen verankert“, beklagt Ufo-Mitarbeite­rin Gaßner. „Ich denke, gerade nach Metoo wird es Zeit, dass wir da endlich im 21. Jahrhunder­t ankommen.“

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Eine Flugbeglei­terin ist unterwegs zur Lufthansa-Basis am Flughafen Frankfurt. Die Fluggesell­schaft greift nach eigenen Angaben hart durch, wenn ihre Mitarbeite­r sexuell belästigt werden.

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