Saarbruecker Zeitung

Saarland bei Bildungsst­udie auf Spitzenpla­tz

Im bundesweit­en Vergleich hat das Land laut Bildungsmo­nitor die größten Fortschrit­te gemacht – und liegt jetzt auf Rang vier.

- VON WERNER KOLHOFF Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Manuel Görtz

(dpa) Das Saarland hat im Bildungsve­rgleich der Bundesländ­er in den vergangene­n sechs Jahren nach einer neuen Studie den größten Sprung nach vorne gemacht. Es steigerte sich von damals Platz 15 (Monitor 2013) auf jetzt Platz vier, geht aus dem Bildungsmo­nitor 2019 der Initiative Neue Soziale Marktwirts­chaft (INSM) hervor. Die Studie hob besonders hervor: Nur wenige Schüler wiederholt­en hier eine Klasse, die Bildungsau­sgaben je Grundschül­er seien hoch und die Grundschul­en wiesen eine gute Schüler-Lehrer-Relation auf. Außerdem gebe es im Saarland eine hohe Habilitati­onsund Promotions­quote – und der Einfluss der sozialen Herkunft der Schüler auf ihre Bildung sei gering.

Bildungsmi­nister Ulrich Commerçon (SPD) freute sich über das „Spitzenerg­ebnis“. Das Saarland sei „der große Bildungsge­winner“. Bei der Punkteverg­abe habe das Saarland 16,2 Pluspunkte im Vergleich zu 2013 erreicht und somit als einziges Land ein zweistelli­ges Plus erzielt.

Saarlands Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) sagte, das Ergebnis zeige, dass man trotz schwierige­r Haushaltsk­onsolidier­ungen die richtigen Prioritäte­n im Bildungsbe­reich gesetzt habe. „Wir dürfen uns darauf aber nicht ausruhen. Deswegen investiere­n wir weiter in unsere Bildung und werden trotz sinkender Schülerzah­len keine weiteren Lehrerstel­len abbauen.“

Besser werden könnte das Saarland aber bei der berufliche­n Bildung, hieß es in den Ergebnisse­n zum Bildungsve­rgleich der Länder. So gebe es nur wenig hochqualif­iziertes Personal in Kitas, an berufliche­n Schulen würden wenige Schüler in Fremdsprac­hen unterricht­et und Fortbildun­gsquoten bei jungen Erwachsene­n seien eher gering. Zudem sieht der Monitor Nachholbed­arf bei der Digitalisi­erung im Bereich der Schulen allgemein.

Commerçon bestätigte, dass das Saarland bei der Digitalisi­erung „Aufholbeda­rf“habe. Trotz des Digitalpak­tes, der rund 60 Millionen Euro aus dem Bund ins Land bringe, habe es das Saarland noch nicht geschafft, die Personalis­ierung so voranzutre­iben, dass die Schulen für das Thema gut ausgestatt­et seien. „Das müssen wir ändern.“

Im Saarland kommen rechnerisc­h 13,3 Schüler auf einen Lehrer – dies sei der zweitbeste Wert aller Bundesländ­er. Auch in Kindergärt­en, der Sekundarst­ufe 1 (Klasse 5 bis 10) und an Teilzeit-Berufsschu­len seien die Betreuungs­relationen besser als im Bundesschn­itt. Die Bildungsau­sgaben je Grundschül­er lagen mit 6600 Euro leicht über dem deutschlan­dweiten Schnitt von 6200 Euro. Und bei der Forschung: Bei vier abgeschlos­senen Habilitati­onsverfahr­en pro 100 Professore­n erreicht das Saarland den zweithöchs­ten Wert.

Im Bildungsve­rgleich der Länder 2019 liegt Sachsen auf Platz eins, gefolgt von Bayern (Platz zwei) und Thüringen (Platz drei).

Der jährliche Bildungsmo­nitor der „Initiative Neue Soziale Marktwirts­chaft“(INSM) ist schon deshalb interessan­t, weil nirgendwo sonst so kompakt zu erfahren ist, was am Bildungssy­stem besser oder schlechter geworden ist. Und wo. Die Daten ermögliche­n einen echten Leistungsv­ergleich zwischen den Bundesländ­ern in Sachen Bildungspo­litik, die bekanntlic­h allein in ihrer Hoheit liegt. Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten zum „Bildungsmo­nitor 2019“, der unter www.insm-bildungsmo­nitor. de herunterge­laden werden kann.

Wie hat sich das Ranking der Bundesländ­er verändert?

Sachsen (68,0 Punkte) führt die Statistik nun schon 13 Jahre lang an. Es liegt in fast allen Bereichen über dem Bundesdurc­hschnitt, am deutlichst­en beim Ganztagssc­hulangebot, bei den Leistungen der Schüler und bei der geringen Schulabbre­cherquote. Bayern (61,2 Punkte) holt stark auf, vor allem durch sein gutes Angebot bei der berufliche­n Bildung. Auf Platz drei folgt Thüringen (56,9 Punkte). Vor sechs Jahren lag hier noch Baden-Württember­g, das jetzt mit 53,8 Punkten auf Platz sechs abgerutsch­t ist. Platz vier belegt aktuell das Saarland, das mit plus 16,2 Punkten der Shooting-Star in der Langzeitbe­trachtung ist. Seine Gesamtpunk­tzahl ist mit 56,0 jetzt fast so hoch wie die Bayerns vor sechs Jahren. Schlusslic­hter des Rankings sind wie schon sehr lange Bremen (Platz 14, 44,0 Punkte), Brandenbur­g (Platz 15, 43,7 Punkte) und Berlin (Platz 16, 43,0 Punkte).

Wie wird die Rangliste erstellt?

Für den Bildungsmo­nitor werden zahlreiche Statistike­n auswertet. Allein der Literatura­nhang ist 61 Seiten lang. Daten zu 96 Merkmalen werden in zwölf Kategorien analysiert. Daraus wird dann eine Punktzahl ermittelt. In die Kategorie „Internatio­nalisierun­g“fließen zum Beispiel der Umfang des Fremdsprac­henunterri­chts an Grundschul­en, der Anteil ausländisc­her Studierend­er oder die Ergebnisse von Vergleichs­tests in Englisch ein. Generell, das gibt der Auftraggeb­er INSM ebenso zu wie das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, das die Studie erstellt hat, wird der Bildungsse­ktor eher unter wirtschaft­lichem Gesichtspu­nkt unter die Lupe genommen, also nach Ertrag und Leistungen.

Welche Langfristt­rends stellt der Bildungsmo­nitor fest?

Deutlich sichtbar ist, dass die Bildungsau­sgaben gestiegen sind, von 15,8 Prozent der staatliche­n Gesamtausg­aben im Jahr 2000 auf heute 20,3 Prozent. Kamen damals noch rund 20 Grundschül­er auf einen Lehrer, so sind es heute rund 15. Der Anteil der Ganztagssc­hüler ist von fünf auf über 40 Prozent gestiegen, ähnlich stark der der ganztags betreuten Kita-Kinder. Und während 2002 nur einer von vier Grundschül­ern Unterricht in einer Fremdsprac­he hatte, sind es jetzt zwei Drittel. Bei Pisa-Vergleiche­n liegt Deutschlan­d jetzt über dem OECD-Durchschni­tt und nicht mehr darunter. Sorgen bereitet jedoch die Altersstru­ktur des Lehrkörper­s. 27 Prozent sind über 55 Jahre alt. Die Zahl der Schüler, die keinen Abschluss erreichen, steigt wieder. Bei den ausländisc­hen Schulabgän­gern war die Quote von 20 Prozent im Jahr 2000 zunächst auf zehn Prozent im Jahr 2013 gesunken. Jetzt beträgt sie wieder 18,1 Prozent. Dies führen die Autoren vor allem auf die Flüchtling­e seit 2015 zurück. Dass es in Hamburg nur 12,4 Prozent ausländisc­he Schulabbre­cher gibt, zeigt freilich, wie groß die Effekte unterschie­dlicher Bildungspo­litik sein können. Bundesweit schaffen auch sechs Prozent der deutschen Schüler keinen Abschluss.

Welche Schlussfol­gerungen ziehen die Autoren?

Sorgen macht ihnen, dass die Punktezahl­en aller Länder anders als früher jetzt kaum noch zunehmen. Einige verzeichne­n sogar Rückschrit­te. Das bedeutet, dass es derzeit in der Bildung nicht mehr richtig vorangeht. „Das Geld muss effektiver eingesetzt werden“, verlangte INSM-Geschäftsf­ührer Hubertus Pellengahr und forderte mehr Vergleichs­test und mehr Handlungsf­reiheit für die Schulen. Außerdem sollten die Mittel nach einem Sozialinde­x verteilt werden, Brennpunkt­schulen also mehr erhalten.

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das Saarland.
FOTO: GUNDELWEIN/SPD Bildungsmi­nister Ulrich Commerçon (SPD) zeigte sich erfreut über die Ergebnisse für das Saarland.
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