Linke will 1. Klasse in Regionalzügen abschaffen
Bernd Riexinger sieht in Regionalzügen die Chance auf mehr Sitzplätze für alle. Die Bahn sieht darin keine Vorteile.
(dpa) Die von der Linkspartei ins Spiel gebrachte Abschaffung der 1. Klasse in Regionalzügen löst im Saarland Zurückhaltung aus. Verkehrsministerin Anke Rehlinger (SPD) hält das Thema nicht für vordringlich. Der Linken-Bundesvorsitzende Bernd Riexinger begründete seinen Vorstoß mit überfüllten Bahnen. Rehlinger sagte hingegen: „Vor allem müssen Bahntickets günstiger werden, die Fernverkehrsanbindungen besser und die Bahn pünktlicher.“
(dpa) Mit der 1. Klasse im Regio kommen Pendler meist entspannter ins Büro. Mehr Platz, mehr Ruhe – zum Arbeiten oder für ein Nickerchen. Nun heißt es: Hinweg die Glastüren mit der „1“! „Die sollten einfach für alle geöffnet werden“, fordert Linke-Chef Bernd Riexinger. Sein Ziel: die Abschaffung der 1. Klasse im Nahverkehr. „Dann hätten wir auf einen Schlag mehr Kapazität für alle – und zwar praktisch gratis.“
Widerspruch folgte prompt. „Sozialistische Gleichmacherei“, sieht der Bahnbeauftragte der Bundesregierung, Enak Ferlemann. „Grober Unfug“, kommentierte der Fahrgastverband Pro Bahn und der Verband deutscher Verkehrsunternehmen schloss sich an. Die Bahn machte deutlich, dass es nicht viel bringen würde, die privilegierten Plätze auszubauen.
Was stört Riexinger? „Wir leisten es uns, in überfüllten Regionalexpressen fast leere Waggons mit Wagen der 1. Klasse mitzuschleppen“, erklärte der Linke-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Bus und Bahn müssten aber für alle gut werden, nicht „überfüllt für die einen und fast leer für die anderen“.
Im Saarland und in Rheinland-Pfalz lösen die Pläne verhaltene Reaktionen aus. Verkehrsministerin Anke Rehlinger (SPD) aus Saarbrücken und ihr Mainzer Kollege Volker Wissing (FDP) halten das Thema nicht für vordringlich.
„Ich bin grundsätzlich für die Überwindung von Klassenunterschieden jeglicher Art. Vor allem müssen Bahntickets aber günstiger werden, die Fernverkehrsanbindungen besser und die Bahn pünktlicher“, sagte Rehlinger. „Wenn die Abschaffung der 1. Klasse im Nahverkehr ökonomisch sinnvoll dazu beitragen kann, wäre ich dafür offen, meine erste Priorität wäre es nicht.“
Allerdings gibt es gar nicht mehr so viele 1. Klasse-Plätze wie früher. Bei der S-Bahn sind sie außer in Frankfurt und Stuttgart Geschichte. In Regionalzügen sind ganze Wagen für die besseren Plätze – wie von Riexinger beschrieben – äußerst selten. Es sind meist kleinere Bereiche oder einzelne Etagen in Doppelstockwagen.
Die Deutsche Bahn fährt zwei Drittel aller Regionalzüge in Deutschland. 6,5 Prozent ihrer rund eine Million Sitzplätze seien noch der 1. Klasse vorbehalten. „Der Anteil der 1. Klasse-Kapazitäten ist über die Jahre zurückgegangen, allerdings wird dieses Angebot weiterhin in vielen Regionen nachgefragt“, sagte ein Sprecher. Manchmal sind die Sitze nicht breiter als in der 2. Klasse. Die Bahn geht davon aus, dass ein Ende der 1. Klasse nur „sehr geringfügig“, mehr Plätze bringen würde. „Wenn ich mehr Platz schaffen will, brauche ich längere Züge“, sagte der Ehrenvorsitzende des Verbands Pro Bahn, Karl-Peter Naumann. Die 1. Klasse müsse bleiben. Gerade auf längeren Strecken und im Berufsverkehr schätzten Fahrgäste die Aussicht auf freie Sitzplätze und ruhiges Arbeiten. Fahre in einem Zug mal ein Wagen mit weniger 1. Klasse-Plätzen als vorgesehen, gingen sofort Kundenbeschwerden ein, sagte ein Sprecher des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg. Der Verbund bestellt im Auftrag der Länder, Landkreise und Städte Verkehrsleistungen für die Region. Das ist bundesweit so: Eisenbahnunternehmen statten ihre Züge so aus, wie es die öffentlichen Auftraggeber der Region möchten.
Bernd Riexinger erhält als Bundestagsabgeordneter eine Bahncard 100 für die 1. Klasse, wie er auf Nachfrage bestätigte. Seither reist er auch in der 1. Klasse. „Gerade wenn die 2. Klasse überfüllt ist, ergibt es ja wenig Sinn, wenn ich dann noch einen weiteren Platz belege.“
„Ich bin grundsätzlich für die Überwindung von Klassenunterschieden
jeglicher Art.“
Anke Rehlinger (SPD)
Verkehrsministerin des Saarlandes