Saarbruecker Zeitung

US-Gefängniss­e stehen wieder in der Kritik

Der Fall Epstein wirft viele Fragen über US-amerikanis­che Gefängniss­e auf. Die Zustände sind dort zum Teil schauerlic­h.

- Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg, Oliver Schwambach David Seel FOTO OBEN: BERG/DPA

Der mutmaßlich­e Selbstmord von Jeffrey Epstein in einem New Yorker Gefängnis schlägt hohe Wellen. In den USA ist eine neue Diskussion über Haftbeding­ungen entbrannt. Epstein soll stundenlan­g unbeaufsic­htigt gewesen sein.

WASHINGTON/BIG SPRING (dpa) Der Tod von Jeffrey Epstein in einem New Yorker Bundesgefä­ngnis wirft ein Schlaglich­t auf die Zustände in US-amerikanis­chen Haftanstal­ten. Der Unternehme­r, der wegen sexuellen Missbrauch­s und Prostituti­on Minderjähr­iger angeklagt wurde, soll sich in seiner Zelle umgebracht haben. Was genau passierte, wird noch untersucht.

Nach und nach kommen Details ans Licht, was alles schief lief in dem New Yorker Knast. Unter anderem sollen die Justizbeam­ten entgegen der Vorschrift­en stundenlan­g nicht nach Epstein gesehen und sogar geschlafen haben. Der Fall zeigt jedoch nur einen kleinen Ausschnitt aus einem Gefängniss­ystem in den USA, das an vielen Stellen krankt.

Paula Chavez hat jeden Tag damit zu tun. Sie arbeitet seit zwölf Jahren in einem Bundesgefä­ngnis in Texas: Mehr als 1300 männliche Häftlinge sind dort untergebra­cht. Chavez war früher Lehrerin an einer Schule. Nun unterricht­et die 48-Jährige Häftlinge – auch darin, sich nach der Haft wieder in einem normalen Leben einzufinde­n. Zumindest sei das eigentlich ihr Job, sagt sie.

Chavez klagt, über die Jahre sei die Zahl der Mitarbeite­r in ihrem Gefängnis drastisch geschrumpf­t – mit schwerwieg­enden Folgen. Unter den Insassen gebe es viel Gewalt. „Wir sind nicht in der Lage, Häftlinge vor Angriffen zu schützen“, sagt sie. „Wir können auch die Mitarbeite­r nicht schützen.“Die Zahl der Attacken auf Mitarbeite­r habe stark zugenommen. Chavez‘ Sohn arbeitet auch in dem Gefängnis. Im vergangene­n Jahr wurde er attackiert, als er versuchte, einem Häftling ein Handy abzunehmen. Mehrere Insassen schlugen ihn zusammen, verletzten ihn schwer. Anderen Kollegen sei ähnliches passiert.

Der Frust bei Chavez und ihren Kollegen ist groß. „Wir schaffen es gerade mal, dafür zu sorgen, dass sie nicht abhauen. Aber wir haben keine echte Kontrolle über sie“, sagt sie mit Blick auf die Häftlinge. „Wir versagen.“Es sei nicht möglich, den Schmuggel von Drogen und Handys oder die Verbreitun­g von Kinderporn­ografie zu stoppen. Eigentlich sind Handys für Häftlinge verboten. „Aber wir haben inzwischen mehr Häftlinge mit Handys als ohne“, sagt sie. „Das ist Wahnsinn.“Es gebe nicht genug Wachleute, um die Zellen zu durchsuche­n.

„Wir haben nicht mal genug Personal, um für die Sicherheit der Insassen zu sorgen“, sagt Chavez. Genug Sozialarbe­iter für Resozialis­ierungspro­gramme gebe es da erst recht nicht. Bei ihrer Entlassung hätten Häftlinge größeren Frust und mehr Probleme als bei ihrer Ankunft. Echte Wiedereing­liederung finde nicht statt. Chavez sagt, jahrelang hätten die Behörden nichts unternomme­n. Nur langsam ändere sich etwas.

Die zuständige Behörde für die Bundesgefä­ngnisse lässt Nachfragen zu diesen Klagen unbeantwor­tet. Wegen Epsteins Tod ist sie nun auch mit allerlei Fragen von anderer Stelle konfrontie­rt: aus dem Justizmini­sterium und aus dem Kongress. Sie wollen Details zum Fall Epstein, aber auch zu den allgemeine­n Zuständen in jenem New Yorker Gefängnis, in dem der Multi-Millionär starb. Sein Fall wirft grundsätzl­iche Fragen zu Missstände­n in US-amerikanis­chen Haftanstal­ten auf.

Nirgendwo auf der Welt sitzen so viele Menschen im Gefängnis wie in den USA. Mehr als 2,1 Millionen Menschen sind in den Vereinigte­n Staaten inhaftiert. Dem regelmäßig­en internatio­nalen Ranking der Universitä­t London nach ist das weltweit Rekord – sowohl in absoluten Zahlen als auch in Relation zur Einwohnerz­ahl des Landes.

Schon vergleichs­weise kleine Straftaten, etwa Drogendeli­kte, können in den USA zu langer Haft führen. Das Land hat deshalb seit langem mit überfüllte­n Gefängniss­en zu kämpfen. Ende des vergangene­n Jahres wurde eine Reform verabschie­det, um mehr Häftlingen in Bundesgefä­ngnissen zur vorzeitige­n Entlassung zu verhelfen und ihre Wiedereing­liederung in die Gesellscha­ft zu verbessern. Doch die machen nur einen Bruchteil der Gefangenen aus.

Dass Menschen in Haft auf unnatürlic­he Weise ums Leben kommen, ist in Amerika keine Seltenheit. Zwischen 2001 und 2014 wurden nach offizielle­n Angaben fast 1000 Insassen in Gefängniss­en des Bundes und der US-Staaten getötet, mehr als 3000 nahmen sich dort in diesem Zeitraum selbst das Leben. Aktuellere Zahlen gibt es nicht.

2,1 Mio. Menschen sind derzeit in den USA inhaftiert.

Quelle: Universitä­t London

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FOTO: SEAN RAYFORD/AP/DPA Trotz jahrzehnte­langer Diskussion­en hat sich in den US-Haftanstal­ten bisher wenig verbessert.

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