Saarbruecker Zeitung

Hongkong wappnet sich für neue Proteste

Die Demonstran­ten wollen sich nicht einschücht­ern lassen. Am Sonntag sind neue Proteste geplant. Derweil schaltet sich auch US-Präsident Trump ein.

- VON CHRISTOPH SATOR

HONGKONG (dpa) Die Putzkomman­dos haben ganze Arbeit geleistet. Von Protesten ist rund um Hongkongs Regierungs­komplex nicht mehr viel zu sehen. Die Parolen an den Mauern wie „Befreit Hongkong, Revolution unserer Zeit“haben sie mit grauer Farbe übermalt. Von den Appellen für Freiheit und Demokratie, die hier überall an den Betonpfeil­ern klebten, sind nur noch Fetzen und Klebestrei­fen übrig. Wäre nicht so viel Polizei zu sehen, man könnte glauben, es sei nie etwas gewesen.

War aber sehr wohl – und es ist auch noch längst nicht vorbei. Nach der Besetzung des internatio­nalen Flughafens und den schlimmen Prügelszen­en aus der Innenstadt der letzten Tage ist Hongkong an diesem Donnerstag zwar merkwürdig still. Als ob die Stadt im Süden Chinas in der August-Hitze kurz einmal durchatmen müsste. Aber am Wochenende geht es weiter mit den Protesten. Und wahrschein­lich auch mit Gewalt. Am Sonntag ist wieder eine große Demonstrat­ion geplant. Die Märsche gehen jetzt schon in den dritten Monat. In anderen Ecken der Stadt sind die Mauern noch vollgesprü­ht, und auch die Zettelwirt­schaften hängen noch.

Viele Leute – vor allem Jüngere – sind entschloss­en, sich auch von den Drohgebärd­en aus Peking nicht abhalten zu lassen, für mehr Demokratie und gegen Polizeigew­alt auf die Straße zu gehen. Einer ist Tom Chang, den man zufällig im Regierungs­viertel trifft. „Wir wollen nicht, dass unsere Heimat so wird wie der Rest Chinas“, sagt der 28-Jährige. „Wir lassen uns unsere Zukunft nicht verbieten.“

Die Dinge sind allerdings komplizier­t. Chang ist ein gutes Beispiel dafür. Bis vor ein paar Monaten war er noch Student, jetzt arbeitet er selbst im Beamtenapp­arat der prochinesi­schen Regierung. Auf die Straße geht er trotzdem. In ähnlichem Zwiespalt sind von den 7,5 Millionen Einwohnern der britischen Ex-Kolonie, die bis 2047 Sonderrech­te garantiert hat, auch andere. Nun wird mit Spannung erwartet, ob am Wochenende wieder Hunderttau­sende mitmachen.

Die Forderunge­n der Demonstran­ten sind inzwischen auseinande­rgedriftet. Anfangs, im Juni, ging es allen darum, ein Gesetz zu verhindern, das Auslieferu­ngen an Festland-China möglich gemacht hätte. Zum Höhepunkt waren etwa zwei Millionen dabei. Vielen reicht die Zusage von Regierungs­chefin Carrie Lam, dass dieses Gesetz „tot“sei. Andere glauben ihr nicht. Und die radikalste­n Kräfte reden jetzt sogar von Unabhängig­keit, einem eigenen Stadtstaat, wie Singapur.

Die Zentralreg­ierung in Peking reagiert zunehmend mit Drohungen. Was es inzwischen an Gewalt gegeben habe, komme „nahezu Terrorismu­s“gleich, hieß es diese Woche vom Büro für Hongkong-Angelegenh­eiten. Die staatlich gelenkte Presse warnte am Donnerstag, dass „anti-chinesisch­e Kräfte gestoppt“würden. Dazu passten Bilder von Truppentra­nsportern, die nach Shenzhen verlegt wurden, in unmittelba­rer Nähe zu Hongkong.

Das Säbelrasse­ln nährt die Befürchtun­g vor einem direkten chinesisch­en Eingreifen – so wie 1989, als die Demokratie­bewegung am Platz des Himmlische­n Friedens brutal niedergesc­hlagen wurde. Viel spricht jedoch gegen ein solches Szenario. Als Handels- und Börsenplat­z ist Hongkong für China enorm wichtig. Vor allem aber: Die Volksrepub­lik, die im Oktober den 70. Jahrestag ihrer Gründung feiern will, würde bei der Wiederholu­ng eines solchen Massakers internatio­nal geächtet.

Und dann schaltete sich noch Donald Trump mit einem überrasche­nden Vorschlag ein. Auf seinem bevorzugte­n Mitteilung­skanal Twitter machte der US-Präsident Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping das Angebot: „Persönlich­es Treffen?“Er habe „NULL Zweifel daran, dass Präsident Xi, wenn er das Problem um Hongkong schnell und human lösen will, das auch tun kann“. Die Antwort aus Peking ließ auf sich warten.

Inmitten all der Spannungen gab es aber auch positive Signale. So kam ein prominente­r Anführer früherer Proteste in Hongkong vorzeitig aus dem Gefängnis frei. Der Juraprofes­sor Benny Tai – eines der prominente­sten Gesichter der „Regenschir­m-Revolte“2014 – durfte gegen Kaution nach Hause. Viele sehen darin einen Versuch der Regierung, die Lage zu beschwicht­igen. Tai wurde natürlich sofort gefragt, ob er am Wochenende demonstrie­ren werde. Seine Antwort: „Ich will jetzt erst einmal Zeit mit meiner Familie verbringen.“

„Wir lassen uns die Zukunft nicht verbieten.“

Tom Chang (28)

Demonstran­t

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FOTO: VINCENT YU/AP/DPA Viele Leute sind entschloss­en, sich den Drohgebärd­en aus Peking nicht zu beugen. Sie fürchten um Freiheit und Demokratie und haben Angst, dass Hongkong so wird wie der Rest Chinas. Hier reagiert ein Demonstran­t auf den Großeinsat­z der Polizei.

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