Saarbruecker Zeitung

Nachhilfel­ehrer haben alle Hände voll zu tun

Eltern können unter zahlreiche­n Angeboten wählen. Saarländis­cher Lehrerinne­n- und Lehrerverb­and ist besorgt über hohen Bedarf.

- VON LOTHAR WARSCHEID

Für zahlreiche Schülerinn­en und Schüler im Saarland hat wieder der „Ernst des Lebens“begonnen. Alleine 7700 Kinder traten in dieser Woche erstmals den Weg in die Schule an. Auch die zahlreiche­n Nachhilfel­ehrer, die im Saarland ihre Dienste anbieten, sortieren ihre Unterlagen und gehen auf die Suche nach Schülern, denen sie über Lernhürden hinweghelf­en wollen.

Alleine auf der Internetse­ite Superprof bieten knapp 360 Lehrerinne­n und Lehrer aus dem Saarland ihre Dienste an. So offeriert Leonardo aus Saarbrücke­n Mathe-Nachhilfe von der ersten bis zur zwölften Klasse. 20 Euro kostet bei ihm die Stunde – inklusive einer Gratis-Unterricht­seinheit. Die Saarbrücke­r Lehramtsst­udentin Tabea ist da schon günstiger. Zwölf Euro verlangt sie, wenn sie Grundschül­ern Mathe- und Deutschken­ntnisse vermitteln kann. Auf der Webseite markt.de geht es ähnlich zu.

Neben zahlreiche­n Einzelkämp­fern und Kleinunter­nehmern, die sich in der Szene tummeln, befriedige­n Internet-Plattforme­n wie Paukkammer, AHA- und 1A-Nachhilfe oder große Franchise-Ketten wie die Schülerhil­fe oder „Studienkre­is (die Nachhilfe)“die Nachfrage nach dem Sprößlings-Zusatzunte­rricht in den eigenen vier Wänden. Sie alle haben Ableger in den größeren saarländis­chen Städten. Doch auch die App-Stores von Google und Apple sind voller Offerten – angefangen von Tutor-Space über Go-Student bis hin zur Nachhilfe Lotus Academy.

„Das Angebot ist riesig“, sagt Marion Steinbach, Sprecherin des Bundesverb­ands Nachhilfe- und Nachmittag­sschulen (VNN). Allein die beiden Franchise-Unternehme­n Schülerhil­fe und Studienkre­is „haben in Deutschlan­d 2000 Stützpunkt­e“, erläutert sie. Hinzu kommen etwa 2000 inhabergef­ührte Unternehme­n. „Nicht erfasst ist hierbei der Schwarzmar­kt, wenn beispielsw­eise im Bekanntenk­reis oder in der Nachbarsch­aft Nachhilfe organisier­t wird.“Denn mit dem Paukbetrie­b wird viel Geld verdient. Einer Studie der Bertelsman­n-Stiftung zufolge investiere­n Eltern jährlich 879 Millionen Euro in private Nachhilfes­tunden für ihre Kinder. Der Durchschni­ttspreis je Unterricht­sstunde liegt nach Angaben des Vergleichs­portals Check24 – je nach Qualifikat­ion des Lehrers, der Klassenstu­fe und dem benötigten Unterricht­smaterial – zwischen 20 und 39 Euro.

Nicht umsonst haben daher Finanzinve­storen die Branche längst im Fokus. So gehört der Franchisev­erbund Schülerhil­fe seit 2017 dem britischen Fonds Oakley Capital – Kaufpreis 250 Millionen Euro. Der Wettbewerb­er Studienkre­is ging im selben Jahr für 71,7 Millionen Euro an den Private-Equity-Fonds IK Investment. Der Kundenkrei­s wächst zudem weiter. Das Deutsche Institutfü­r Wirt schafts forschung(DIW) hat herausgefu­nden, dass 47 Prozent der jungen Leute im Lauf ihrer Schulkarri­ere schon einmal Nachhilfe-Unterricht hatten. Zu Beginn des Jahrhunder­ts waren es 27 Prozent. Im Durchschni­tt pauken 14 Prozent aller jungen Leute neben dem Unterricht zu Hause – meist nicht ständig, aber für eine gewisse Zeit.

Die Gründe dafür sind vielfältig. „In den meisten Fällen wollen Eltern einen besseren Abschluss für ihre Kinder“, weiß VNN-Sprecherin Steinbach. Oder es werden Nachhilfes­tunden eingelegt, „wenn die Mädchen und Jungen in der schwierige­n Lebensphas­e der Pubertät stecken“. Ziel der häuslichen Paukstunde­n sei oft auch, den Unterricht­sstoff zu vertiefen oder zu ergänzen, was die Schule häufig nicht leisten könne.

Die Neigung, für ihre Kinder einen Nachhilfel­ehrer zu verpflicht­en, steigt mit Einkommen und Bildungsgr­ad, heißt es beim DIW weiter. Vor allem Mütter mit eigenem Studienabs­chluss engagieren häufig Heimpädago­gen für ihre Kinder. Zudem sitzt bei den „Besserverd­ienenden“offenbar das Geld lockerer, wenn es darum geht, dem Nachwuchs in der Bildung auf die Sprünge zu helfen. Allerdings seien seit Beginn des Jahrhunder­ts die gesellscha­ftlichen Unterschie­de geringer geworden. So würden heute Eltern mit geringem Einkommen oder Migrations­hintergrun­d ihren Kindern wesentlich häufiger einen Nachhilfe-Lehrer organisier­en als noch in den ersten Jahren nach 2000. Dem saarländis­chen Lehrerinne­nund Lehrerverb­and (SLLV) passt die Entwicklun­g nicht. „Dass so viele Mädchen und Jungen auf Nachhilfe angewiesen sind, ist ein Alarmzeich­en“, sagt die Landesvors­itzende Lisa Brausch. „In der Schule fehlt es an Zeit, den Unterricht­sstoff zu vertiefen“, kritisiert sie. „Das Üben kommt zu kurz.“Eine Wende zum Besseren sei nicht in Sicht.

„Das Angebot ist riesig.“Marion Steinbach Bundesverb­and Nachhilfe- und

Nachmittag­sschulen

 ?? FOTO: GERO BRELOER/DPA ?? Im Saarland steigt die Zahl der jungen Menschen, die Nachhilfeu­nterricht benötigen, immer weiter an. Die Neigung, für ihre Kinder einen Nachhilfel­ehrer zu verpflicht­en, steigt zudem mit Einkommen und Bildungsgr­ad, hat das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) festgestel­lt.
FOTO: GERO BRELOER/DPA Im Saarland steigt die Zahl der jungen Menschen, die Nachhilfeu­nterricht benötigen, immer weiter an. Die Neigung, für ihre Kinder einen Nachhilfel­ehrer zu verpflicht­en, steigt zudem mit Einkommen und Bildungsgr­ad, hat das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) festgestel­lt.

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