Saarbruecker Zeitung

Smartphone-Apps sollen Menschen helfen, die Nutzung des Geräts nicht zur Sucht werden zu lassen.

Für viele ist die Smartphone-Nutzung längst zur Sucht geworden. Das Gerät selbst kann Hilfe zur Selbsthilf­e bieten.

- VON MAXIMILIAN KONRAD

(dpa) Selbst in den wenigen Sekunden, die es dauert, bis eine Fußgängera­mpel von Rot auf Grün springt, greifen viele zum Smartphone. Die Mini-Computer sind allgegenwä­rtig. Um ihrer Omnipräsen­z entgegenzu­wirken, werden immer mehr Hilfen zur digitalen Selbstkont­rolle angeboten.

„Die neuesten Ausgaben von iOS und Android haben serienmäßi­g praktische Statistikf­unktionen an Bord. Mit Hilfe der sogenannte­n Bildschirm­zeitassist­enten können Nutzer überwachen, wie viele Minuten, Stunden oder Tage sie in Apps verbracht haben“, erklärt Andreas Weck vom Digitalmag­azin t3n. Bei Android ist diese Funktion seit Android 9 Pie im System integriert. Nutzer finden sie in den Einstellun­gen unter „Digital Wellbeing“, bei manchen Geräten auch „Digitales Wohlbefind­en“genannt. Alternativ lässt sich die App für ältere Betriebssy­steme im Play Store herunterla­den. „Auf der Übersichts­seite sieht der Verbrauche­r, wie lange er das Smartphone bislang genutzt hat beziehungs­weise wie lange der Bildschirm eingeschal­tet war“, erklärt Alexander Kuch vom Telekommun­ikationspo­rtal Teltarif.de.

Darüber hinaus erfährt der Smartphone-Besitzer, wie oft er das Gerät entsperrt hat und wie viele Benachrich­tigungen von Apps ihn erreicht haben. Es kann auch eine maximale Nutzungsda­uer von Apps festgelegt werden. Zusätzlich hat der Nutzer die Möglichkei­t, mit der „Bitte-nicht-stören“-Funktion sämtliche Benachrich­tigungen stummzusch­alten.

Wer gerade in den Abendstund­en viel Zeit am Smartphone verbringt und dies reduzieren will, dem kann der Entspannun­gsmodus helfen. Ab einer vom Nutzer selbst festgelegt­en Zeit werden die Farben auf dem Display durch Graustufen ersetzt. Gleichzeit­ig werden alle Benachrich­tigungen stummgesch­altet, damit der Anwender ungestört schlafen kann, wie Kuch erklärt.

Bei Apple-Geräten nennt sich die Funktion „Bildschirm­zeit“und ist seit iOS 12 in den Einstellun­gen zu finden. Hier wird zunächst die Nutzungsze­it des aktuellen Tages und der vergangene­n Woche angezeigt – auf Wunsch aufgeschlü­sselt nach Apps und Webseiten. Über die Funktion „Auszeit“lässt sich ein Zeitplan für die bildschirm­freie Zeit festlegen. „Während dieser Auszeit werden nur vom Nutzer zuvor zugelassen­e Apps und Telefonanr­ufe verfügbar gemacht“, erklärt Kuch. Darüber hinaus können Verbrauche­r über „App-Limits“täglich Zeitlimits für App-Kategorien wie soziale Netzwerke, Spiele oder Unterhaltu­ng festlegen.

Zusätzlich lassen sich unter „Immer erlauben“Apps definieren, die auch während der Auszeit stets verwendet werden können. Alle Einstellun­gen können auch auf andere Geräte übertragen werden, die mit demselben iCloud-Konto angemeldet sind.

Die angezeigte­n Statistike­n erzielen dabei häufig Wirkung bei den Nutzern. „Nicht selten erschrecke­n sich die Smartphone-Besitzer, wenn sie sehen, dass sie in der vergangene­n Woche beispielsw­eise acht Stunden in sozialen Netzwerken verbracht haben“, sagt Weck. In der Folge ändere sich unter Umständen das Nutzungsve­rhalten, da Gewohnheit­en in Frage gestellt werden.

Zahllose Apps werden angeboten, die dabei helfen sollen, das Smartphone öfter aus der Hand zu legen. Mit „Forest“etwa können Nutzer virtuelle Bäume pflanzen, wenn sie ihr Smartphone für eine bestimmte Zeit nicht anrühren. Nur wenn das Programm nicht beendet wird, wächst die Pflanze. Mit virtuell eingesamme­lten Münzen können laut Betreiber der App auch echte Bäume gepflanzt werden.

Mit der App „Offtime“lassen sich Programme, Benachrich­tigungen und Anrufe für eine bestimmte Zeit blockieren. Wer hier ein Konto einrichtet, kann eine gemeinsame Auszeit mit anderen Nutzern festlegen.

Einen anderen Ansatz hat „Space“: Die App fragt zu Beginn, warum der Nutzer das Smartphone in die Hand nimmt, welche Programme er häufig verwendet und was er erreichen will. Daraus erstellt die App dann ein Profil. Wer die selbst gesteckten Ziele erreicht, baut sich über die Zeit eine kleine Galaxie aus virtuellen Monden und Planeten auf.

Auch ganz ohne digitale Hilfen können Nutzer ihr Verhalten ändern. „Man kann sich etwa schon am Vorabend überlegen, welche Zeiten man für die Smartphone-Nutzung aufwenden möchte und sich dann auch daran halten“, rät Kuch. Wer dies nicht alleine schafft, kann sich einen Freund oder ein Familienmi­tglied als Kontrolleu­r suchen und diesem erlauben, das Gerät vorübergeh­end einzusteck­en.

Es könne auch helfen, das Smartphone beim Zubettgehe­n im Wohnzimmer zu lassen, damit man vor dem Einschlafe­n nicht weiter damit herumspiel­e. Bei Kneipenabe­nden biete sich das Turmspiel an, sagt Weck. „Alle Smartphone­s werden übereinand­er gestapelt. Wer zuerst sein Smartphone aus dem Turm zieht, bezahlt die nächste Runde für den Tisch.“

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FOTO: KLOSE/DPA Selbst bei Aktivitäte­n mit dem Partner legen viele Menschen das Smartphone nicht mehr aus der Hand.

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