Saarbruecker Zeitung

Systemkrit­ik als roter Faden

Die Produktion­en der Ruhrtrienn­ale vom 21. August bis 29. September spiegeln die weltweite Krisenstim­mung.

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(dpa) Bereits in der ersten Spielzeit der Ruhrtrienn­ale unter der Intendanz von Stefanie Carp im vergangene­n Jahr las sich das Programm trotz einiger bekannter Namen wie etwa William Kentridge etwas mühsam. Die Zeiten, in denen neben den für die Ruhrtrienn­ale so typischen Kreationen auch große Werke aus dem Opern- und Theaterrep­ertoire in den Industrieh­allen neu befragt wurden, sind ganz offensicht­lich vorbei.

Denn auch in diesem Jahr setzt Carp unter dem Motto „Zwischenze­it“auf systemkrit­ische, politisch akzentuier­te Produktion­en vor dem Hintergrun­d einer pessimisti­schen Bestandsau­fnahme der Gegenwart. Fotos von weltweiten Krisenorte­n illustrier­en das Programmbu­ch. Nach der Untersuchu­ng der Perspektiv­en des globalen Südens und Fragen nach der kolonialen Vergangenh­eit Europas stehen nun Aspekte europäisch­er Selbstkrit­ik im Zentrum der Programmdr­amaturgie.

Den Auftakt liefert eine Produktion in der Regie des „Artiste associé“Christoph Marthaler, die bewusst mit einem Grundprinz­ip der Ruhrtrienn­ale bricht. Denn „Nach den letzten Tagen. Ein Spätabend“geht nicht in einer der strukturge­wandelten Industrieh­allen über die Bühne, sondern im Audimax der Ruhr-Universitä­t Bochum.

In einem Interview mit der „Rheinische­n Post“hat die Intendanti­n diesen Bruch mit der Tradition des Festivals gerechtfer­tigt: „Alle anderen Arbeiten finden ja in Industrieh­allen statt und man kann auch mal Ausnahmen machen. Christoph Marthalers Arbeit halluzinie­rt ein imaginäres Weltparlam­ent.“Das Audimax habe großartig gepasst. Es habe direkt mit der Industrieg­eschichte der Region zu tun, da die Universitä­ten anstelle der Zechen gebaut wurden, als Teil des Strukturwa­ndels.

Marthalers „Spätabend“verwendet dokumentie­rte politische Reden aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und Arbeiten von in der Nazizeit verfemten Komponiste­n. Eine weitere zentrale Produktion dieses Festivalja­hrgangs ist „All the good“von Jan Lauwers‘ Needcompan­y in der Maschinenh­alle Zweckel in Gladbeck, die vor dem autobiogra­fischen Hintergrun­d des mitwirkend­en israelisch­en Elitesolda­ten und Kriegsvete­ranen Elik Niv, der heute Tänzer ist, über Terror und Krieg nachdenkt.

Ein Wiedersehe­n mit dem einstigen Festival-Intendante­n Heiner Goebbels verheißt seine Produktion „Everything that happened and would happen“in der Bochumer Jahrhunder­thalle. Sie verspricht mit Musik, Licht, Performanc­e, Sprache, Objekten und Filmen eine multimedia­le Installati­on, die auf die Geschichte der vergangene­n hundert Jahre seit dem Ersten Weltkrieg zurückblic­kt.

Insgesamt bietet die Ruhrtrienn­ale vier Musiktheat­er-Produktion­en, sechs im Bereich Schauspiel/Performanc­e, vier Tanz-Produktion­en und darüber hinaus Konzerte, zahlreiche Kunst-Projekte zwischen Installati­on und Diskurs und Diskussion­en.

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