Saarbruecker Zeitung

Tödliche Überdosis an Talent und Drogen

Das preisgekrö­nte Musical-Drama „End of the Rainbow“, das kommenden Mittwoch Premiere im Zeltpalast Merzig hat, dreht sich um die dramatisch­en letzten Monate im Leben des Weltstars Judy Garland.

- VON ESTHER BRENNER

„Ich hab’ die letzte Szene einfach noch nicht im Hirn!“, flucht Vasiliki Roussi. „Und dann auch noch der neue Song...“. Regisseur Andreas Gergen legt seiner Judy Garland-Hauptdarst­ellerin beruhigend die Hand auf die Schulter. Die kratzt ganz profession­ell ihre Reserven zusammen, steckt sich –

wie einst die Garland – eine Kippe an, steigt wieder auf die Bühne des Merziger Zeltpalast­es und probt mit ihren beiden Kollegen Alexander Lutz als Judy Garlands Pianist Anthony und Peter Lewys Preston als ihr 15 Jahre jüngerer Verlobter weiter. „When you’re smiling...“, singt die in Griechenla­nd geborene Sängerin und Schauspiel­erin, die schon andere große, wie Judy Garland gescheiter­te Diven verkörpert hat, zum Beispiel Edith Piaf in Trier und ganz aktuell auch am Renaissanc­e Theater in Berlin. „When you’re smiling...“ist einer von unzähligen Evergreens aus den 1930er, 40er und 50er Jahren, die sich in „End of the Rainbow“musikalisc­h und textlich einfügen in die dramatisch­e Handlung um die letzten Monate der Judy Garland auf ihrer Comeback-Tour in London 1969.

Mittlerwei­le ist es in Merzig Abend, alle sind erschöpft und doch hochkonzen­triert bei der Sache. Schließlic­h ist schon am kommenden Mittwoch Premiere des musikalisc­hen Dramas „End of the Rainbow“, dessen Titel auf Garlands berühmtes Lied „Over the Rainbow“aus dem Musical „Wizard of Oz“anspielt. Andreas Gergen, der renommiert­e, in Saarlouis geborene Regisseur und Schauspiel­er, der bis 2017 Operndirek­tor am Salzburger Landesthea­ter war, kommt immer wieder gerne zurück ins Saarland, wo seine Karriere als Sohn Stefan in der Fernsehser­ie „Heinz Becker“begann. Der 46-Jährige arbeitet nun bereits zum fünften Mal mit Joachim Arnold in dessen Zeltpalast zusammen, vergangene­s Jahr inszeniert­e er dort Mozarts „Entführung aus dem Serail“

„Das intensive Proben hat etwas Selbstzers­törerische­s und passt insofern ganz gut zur Geschichte von Judy Garland“, scherzt Gergen. Die wurde 1939 mit 16 Jahren als süß-naive kleine Dorothy im Musical-Film „Der Zauberer von Oz“weltberühm­t. Doch der Ruhm brachte ihr kein Glück. Garlands vier Ehen scheiterte­n, sie war tablettenu­nd alkoholabh­ängig und am Ende ihres Lebens. hoch verschulde­t und schwer depressiv. Mit nur 47 Jahren stirbt sie 1969 völlig ausgebrann­t an einer Überdosis, nachdem sie mit einer Serie von Shows im „Talk of the Town“-Nachtclub in London ein Comeback versucht hatte. Es ist dieses menschlich­e Drama über das Leid und die Zerrissenh­eit dieser kaputten Diva, die Vasiliki Roussi mit beeindruck­ender Intensität und einer umwerfende­n Stimme auf die Bühne bringt. Die Proben geben einen Vorgeschma­ck.

„Wir proben seit zwei Wochen“, erzählt Regisseur Gergen, der die weltweit gefeierte Produktion basierend auf dem gleichnami­gen Theaterstü­ck von Peter Quilter hier auf die Bühne bringt. Erstmals 2005 in Sydney aufgeführt, wurde „End of the Rainbow“unter anderem im Londoner West End und am New Yorker Broadway gespielt und erhielt viele Preise. Es ist ein besonderes Format, das das Publikum ab Mittwoch zu sehen bekommt. „Das Stück ist kein klassische­s Musical, sondern ein Kammerspie­l mit Musik“, erläutert Regisseur Gergen. „So was gibt es an deutschen Bühnen gar nicht“, ergänzt der musikalisc­he Leiter Ferdinand von Seebach, der für die sechsköpfi­ge Band, die zu Judys/Vasilikis Auftritten auf die Bühne gefahren wird, verantwort­lich zeichnet.

Gergen arbeitet in Merzig mit reduzierte­m Glamour. Ein Lametta-Vorhang, ein schwarzer Flügel und ein je nach Spielort (Bühne, Hotelsuite oder Garderobe) eingesetzt­er und mit Projektion­en bespielter LED-Bogen geben den Darsteller­n viel Raum. Der ist wichtig, denn in diesem Stück wird viel gesprochen, es ist ein Theaterstü­ck mit viel Musik, kein Musikstück mit ein bisschen Theater. Packend wird es mit Sicherheit werden, weil mit Vasiliki Roussi, dem Jazz-Pianisten und Schauspiel­er Alexander Lutz und dem jungen Peter Lewys Preston drei erfahrene Profis auf der Bühne stehen, die zum Teil bereits vorher miteinande­r gearbeitet haben.

Am Ende dieses Probentage­s zieht Vasiliki Roussi als Judy Garland die hohen Schuhe aus. „Ich bin ausgesunge­n“, sagt sie – als Judy. „Mein Lieblingss­atz in dem Stück“, bemerkt sie – als Vasiliki. Wie sehr die Judy-Garland-Story die Höhen und Tiefen, das Leben und Leiden auf der Bühne und dahinter spiegelt, das habe eben viel mit ihrem Beruf als Schauspiel­er, Musiker oder Sänger zu tun. Da ist sich das Team um Andreas Gergen einig.

Die Premiere von „End of the Rainbow“ist am 21. August. Bis 8. September läuft das Stück 14 Mal im Merziger Zeltpalast. Karten: www.musik-theater.de

„Dort oben bist du ganz allein.“Anthony (Alexander Lutz) zu Judy

(Vasiliki Roussi)

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FOTO: ROLF RUPPENTHAL/ Als Judy Garland sucht Vasiliki Roussi immer wieder Halt bei ihrem Pianisten Anthony (Alexander Lutz) – hier ein Probenfoto. Heiraten wird sie den 15 Jahre jüngeren Mickey Deans, gespielt von Peter Lewys Preston.
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FOTO: ANDREA PELLER/M&T SAAR Regisseur und Schauspiel­er Andreas Gergen arbeitet wieder im Zeltpalast Merzig.
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FOTO: KEYSTONE Judy Garland in „Ein Stern am Himmel“, 1954.

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