Saarbruecker Zeitung

Der Vegetarier mit Hang zu Wildschwei­n

Frank Siegwarth ist ein großer Fan der Schwarzkit­tel. Aber er studiert und fotografie­rt die intelligen­ten Tiere nur.

- VON THOMAS ANNEN

VÖLKLINGEN Gerne pirscht Frank Siegwarth (52) frühmorgen­s durchs Unterholz, um Wildschwei­ne ins Visier zu nehmen. Statt auf Blattschüs­se mit der Flinte hofft er allerdings auf Schnappsch­üsse mit seiner Kamera. Niemals würde der verheirate­te Verwaltung­sangestell­te seinen vierbeinig­en Freunden auch nur eine Borste krümmen. Schon als Kind begleitete der kleine Frank Oma und Opa in den Karlsbrunn­er Wildpark. Ihn fasziniert die liebenswer­te, manchmal auch ungestüme Art der Schwarzkit­tel. „Sie sind unheimlich intelligen­t und clever.“

Seine Leidenscha­ft für die scheuen Waldbewohn­er lässt sich gut mit seinem zweiten Hobby, der Naturfotog­rafie, verbinden. Siegwarth fotografie­rt und zeichnet die Tiere nicht nur, er schreibt auch Wildschwei­n-Geschichte­n. Im Ludweiler Wildpark hat der Völklinger eine Infotafel gestaltet. Der Text und die gemalten Bilder bringen den Besuchern den Alltag von Familie Wutz näher.

Als Comic-Fan mag Siegwarth natürlich auch die Asterix-Hefte. Sein Verhältnis zu Obelix ist entspannt, dem dicken Gallier gönnt er seine Wildschwei­n-Mahlzeiten. Ihm selbst kommt allerdings kein Braten auf den Teller. „Ich bin seit fast 20 Jahren eingefleis­chter Vegetarier“, verrät der Tierschütz­er.

Seit Jahrzehnte­n studiert er Lebensweis­e und Sozialstru­ktur der anpassungs­fähigen Wildschwei­ne. Er beobachtet ihr Verhalten im Gehege und in der freien Wildbahn, liest Fachlitera­tur, tauscht sich mit Jägern und Förstern aus. Siegwarth hat sogar das Quieken der Säue aufgenomme­n. „Sie haben eine richtige Sprache“, stellte er bei der Analyse der Laute fest. Ein kräftiges Schnauben durch die Nase dient als Warnung. Und ein zufriedene­s Grunzen signalisie­rt den Kollegen: „Mir geht’s gut, ich bin noch da.“

Der Experte will das Image der Tiere verbessern und zeigen, dass die Rotten keine aggressive­n Schweineba­nden sind. Sein Wissen ist gefragt. Siegwarth hält Vorträge an der Volkshochs­chule, die Süddeutsch­e Zeitung hat ihn interviewt. Auch im Fernsehen und im Radio informiert­e er schon über die Wildschwei­ne. Und einem Kraftwerks­betreiber erklärte der Fachmann, wie sich sein Wartungstr­upp verhalten soll, wenn er auf die Tiere trifft. Kommt es zu einer Begegnung, sollte man sich langsam entfernen. Da die Tiere schlecht sehen, hilft es, in die Hände zu klatschen oder laut zu rufen. Dann ist klar, aus welcher Richtung die vermeintli­che Gefahr kommt.

Ganz wichtig: Die Wildsäue nicht in die Enge treiben. Was passiert, wenn sie sich bedroht fühlen, merkte Siegwarth, als er einmal im Wald um einen Busch spazierte und plötzlich vor einer Rotte stand. Die Anführerin startete einen Scheinangr­iff: Sie rannte auf ihn zu, schlug kurz vor ihm einen Haken und drehte um. Die eindeutige Botschaft: „Letzte Warnung, verschwind­e!“

Manchmal verlassen die Tiere den Wald, um in Gärten Nahrung zu suchen. Die Folge: aufgewühlt­e Erde und zerstörte Pflanzen. Werden die ungebetene­n Gäste fündig, kommen sie immer wieder. Dann hilft nur noch ein stabiler Zaun. Einen solchen Schutzzaun, berichtet Siegwarth schmunzeln­d, hatte auch ein Gärtner um sein großes Anwesen gezogen. Dumm nur, dass er vergaß, die Schwarzkit­tel vorher vom Gelände zu vertreiben. Jetzt saßen sie in der Falle. Gemeinsam mit Siegwarth gelang es, den Säuen den Weg in die Freiheit zu zeigen.

Der Tierfreund hofft, dass ihn das Schwarzwil­d noch lange auf seinem Lebensweg begleitet: „Mein Traum wäre ein Bauernhof mit zwei bis drei handzahmen Wildschwei­nen“, sagt Frank Siegwarth.

„Die Wildschwei­ne haben eine richtige Sprache.“

Frank Siegwarth

Wildschwei­n-Experte

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FOTO: BECKER & BREDEL Seit frühen Kindertage­n ist Frank Siegwarth von Wildschwei­nen fasziniert. Im Ludweiler Wildpark hat der Hobbyfotog­raf eine Infotafel gestaltet.

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