Saarbruecker Zeitung

Scholz’ Kandidatur könnte die Koalition in Berlin retten

-

Die SPD muss Ralf Stegner und Gesine Schwan dankbar sein. Nach den vielen überrasche­nden, um nicht zu sagen kuriosen Namen, die es im Kandidaten­karussell um den Parteivors­itz vorher schon gegeben hatte, war die Bewerbung der beiden Oldies so etwas wie der absurde Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Und die da Oben endlich rührte, das Theaterstü­ck namens „Eine Volksparte­i macht sich zur Lachnummer“, das die Sozialdemo­kraten seit Wochen aufführen, zu beenden. Mit Olaf Scholz.

Das kam wahrlich spät. Nichts gegen Lauterbach, Lange, Roth, Scheer, Pistorius und all die anderen. Aber das ist so, als würden für einen Verein zum Bundesliga-Fußballspi­el nur welche aus der zweiten oder dritten Mannschaft antreten. Eine große Partei führen, dazu braucht man Erfahrung und Ansehen über die eigenen Reihen hinaus. Das hat außer Scholz kein anderer der bisherigen Bewerber. Wenngleich der Bundesfina­nzminister bei seinen Leuten nicht gerade beliebt ist. Außerdem fehlt ihm noch eine Frau als Co-Vorsitzend­e an der Seite, doch die wird sich in den Ländern finden lassen.

Dass Scholz vor zwei Monaten noch gesagt hat, zeitlich sei die Doppelbela­stung nicht zu schaffen – geschenkt. Das ist nicht der Punkt. Jeder sieht doch, dass eine neue Lage eingetrete­n ist durch die feige Wegduckere­i aller anderen. Der Punkt ist, dass Scholz ein Befürworte­r der großen Koalition ist. Die Groko-Gegner innerhalb der SPD werden nun mobilisier­en. Vielleicht meldet sich Juso-Chef Kevin Kühnert ja noch. Freilich gibt es auch unter den vorhandene­n Bewerbunge­n schon etliche, die das Regierungs­bündnis mit der Union beenden wollen.

Die Urabstimmu­ng über den Vorsitz im Oktober wird durch Scholz‘ Bewerbung in jedem Fall zur Entscheidu­ng über den Fortbestan­d der Groko werden.

Zum zweiten Mal. Erst im März 2018 hatten sich zwei Drittel der Sozialdemo­kraten für das Bündnis ausgesproc­hen. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass sich das jetzt wesentlich geändert haben sollte. Die SPD kann über ihre Leistungen zufrieden sein, ihre Minister sind fast alle Aktivposte­n im Kabinett. Dass die Partei bei den Wählern nicht ankommt, liegt jedenfalls nicht an der Groko. Sondern eher zum Beispiel an jenen, die trotz der damaligen Urabstimmu­ng nicht aufgehört haben, die Zusammenar­beit schlecht zu reden. Und sicher auch an jenen, die gegen Andrea Nahles intrigiert und für das jetzige Chaos gesorgt haben. Die Basis der Partei war noch stets vernünftig­er als der Funktionär­skörper. Sie weiß: Neuwahlen würden nur im Fiasko für die Sozialdemo­kratie enden.

Wenn Scholz angesichts der vielen, aber wenig überzeugen­den Alternativ­en im Bewerberfe­ld mehr oder weniger zähneknirs­chend zum SPD-Chef gewählt werden sollte, hätte das unglücklic­he Verfahren sogar ein glückliche­s Ende gefunden – für die Koalition. Was die SPD angeht, so gibt es dort keine glückliche­n Enden. Sie wird weiter mit sich hadern. Auch und erst recht mit einem Vorsitzend­en Olaf Scholz an der Spitze.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany