Mehr judenfeindliche Straftaten im Saarland
Straftaten, die sich gegen Juden richten, steigen im Saarland nach Angaben des VerfassungsgerichtshofPräsidenten weiter an.
Üble Beschimpfungen jüdischer Mitbürger, Tritte gegen die Synagogentür in Saarbrücken und die Schändung des jüdischen Friedhofs in Nohfelden-Gonnesweiler. Im Saarland wächst die Zahl antisemitischer Straftaten. Wie der Beauftragte für jüdisches Leben an der Saar, Verfassungsgerichtshof-Präsident Prof. Roland Rixecker (SPD), am Dienstagabend auf einer Expertentagung der Saar-Arbeitskammer und des SPD-Kulturforums berichtete, wurden im ersten Halbjahr 2019 bereits 13 antisemitische Straftaten im Land registriert. Schon im vergangenen Jahr hatten sich derartige Vorfälle im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt, wobei nahezu alle Täter Deutsche oder Westeuropäer waren. Das zahlenmäßig weit größere Problem seien die niederschwelligen Verletzungen jüdischer Mitbürger, die von den Ermittlungsbehörden oft nur allgemein als Beleidigung oder Sachbeschädigung registriert würden, sagte Rixecker auf der Arbeitskammer-Tagung, die – moderiert von Dörte Grabbert – unter dem Motto stand: „Zunehmender Antisemitismus – was tun?“. „Aus einer Studie der Europäischen Grundrechteagentur wissen wir, dass mindestens drei Viertel der jüdischen Mitbürger antisemitische Verletzungen nicht anzeigen, weil sie mangelndes Vertrauen in staatliche Instanzen haben“, betonte Rixecker.
Nach Ansicht des renommierten Antisemitismus-Forschers Prof. Samuel Salzborn von der Technischen Universität (TU) Berlin können nur mehr Sensibilität der Bevölkerung für jüdische Mitbürger sowie eine Überarbeitung der Lehrpläne und Schulbücher gegen den in ganz Deutschland wachsenden Antisemitismus helfen. Salzborn sagte auf der Tagung, ein wirkliches Tabu, sich antisemitisch zu äußern, habe es in der Bundesrepublik auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs praktisch nie gegeben. Leider sei inzwischen bis hin zu prominenten Persönlichkeiten eine „gigantische Zustimmung zum Antisemitismus“festzustellen.
Um dies zu ändern, müssten Lehrerfortund -weiterbildung zu dieser Frage überarbeitet und Schulbücher geändert werden. Der Hauptgeschäftsführer der Saar-Arbeitskammer, Thomas Otto, machte insbesondere die rechtsextremen Parteien sowie wachsende Internet-Hetze in sozialen Medien für wachsendes nationalistisches Gedankengut und pauschale Judenfeindlichkeit verantwortlich. Saar-Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD) erklärte, von den Schulaufsichten im Saarland seien ihm keine steigenden Meldungen antisemitischer Zwischenfälle bekannt geworden. „Dass aber Schüler, die am jüdischen Religionsunterricht
„Aus einer Studie (...)
wissen wir, dass mindestens drei Viertel der jüdischen Mitbürger
antisemitische Verletzungen nicht anzeigen, weil sie mangelndes Vertrauen in staatliche Instanzen
haben.“
Roland Rixecker
Antisemitismusbeauftragter
teilnehmen, darum bitten, dass man es nicht publik macht, ist schon schlimm genug“, betonte der Saar-Minister. Und Burkhard Jellonnek, Chef des SPD-Kulturforums, beklagte, Antisemitismus sei im Alltag, auf unseren Straßen und Schulhöfen sehr häufig vorhanden.
Richard Bermann, Vorsitzender der 870 Mitglieder zählenden Jüdischen Gemeinde im Saarland, saß bei der Arbeitskammer-Tagung im Zuhörerraum und zeigte sich „verwundert“, nicht aufs Podium eingeladen zu sein. „Wir haben auch große Probleme mit Palästinensern“, sagte er der SZ und meinte: „Es gibt keine allgemeingültige Lösung gegen den in fast 2000 Jahren gewachsenen Antisemitismus“.