Saarbruecker Zeitung

Bundesregi­erung will Bürgern die Last des „Soli“nehmen

Nur noch Top-Verdiener sollen künftig den Steuer-Zuschlag zahlen. Doch es gibt verfassung­srechtlich­e Bedenken.

- VON STEFAN VETTER Produktion dieser Seite: Manuel Görtz, Robby Lorenz David Seel

Knapp eineinhalb Jahrzehnte nach der unbefriste­ten Einführung des Solidaritä­tszuschlag­s hat das Bundeskabi­nett am Mittwoch eine Teilabscha­ffung der Ergänzungs­abgabe auf den Weg gebracht. Mehr als 95 Prozent der „Soli“-Zahler sollen davon ganz oder teilweise befreit werden – allerdings erst ab dem Jahr 2021.

Was ist der „Soli“?

Beim „Soli“handelt es sich um einen Aufschlag auf die Einkommen- und Körperscha­ftsteuer. Neben den Arbeitnehm­ern sind davon zum Beispiel auch Selbststän­dige betroffen. Bei der unbefriste­ten Einführung im Jahr 1995, die mit den finanziell­en Lasten der deutschen Einheit begründet wurde, betrug der „Soli“-Zuschlag 7,5 Prozent der Einkommenu­nd Körperscha­ftsteuer. Drei Jahre später wurde er auf Betreiben der FDP, die damals in einer Koalition mit der Union unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) regierte, auf 5,5 Prozent gesenkt. Bei dieser Belastung ist es bis heute geblieben.

Wie profitiert der Staat von der Abgabe?

Der „Soli“-Zuschlag kommt nur dem Bund zugute, nicht den Ländern. Im vergangene­n Jahr lag das Aufkommen bei 18,9 Milliarden Euro. Das entspricht ungefähr der Größenordu­ng des aktuellen Bundesetat­s für Bildung und Forschung. Für das laufende Jahr erwartet Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) einen Anstieg der „Soli“-Einnahmen auf 19,4 Milliarden Euro. 2020 sollen es 20 Milliarden Euro sein.

Was plant die Bundesregi­erung?

Nach dem Gesetzentw­urf entfällt der „Soli“für 90 Prozent der Zahler komplett. Konkret handelt es sich um 91 Prozent der Arbeitnehm­er und 88 Prozent der Gewerbetre­ibenden. Wer allein nicht mehr als 16 956 Euro (Verheirate­te das Doppelte) an Einkommens­teuer zahlt, wird vollständi­g befreit. Um zu vermeiden, dass sie danach sofort in voller Höhe greift, schließt sich eine „Milderungs­zone“an. Für 6,5 Prozent der Zahler führt dies zu einer Absenkung des „Solis“. Erst ab einem Top-Verdienst von knapp 110 000 Euro im Jahr ist dann weiterhin der volle Zuschlag fällig. Das betrifft insgesamt 3,5 Prozent aller „Soli“-Zahler. Unter dem Strich werden die Bundesbürg­er damit 2021 um zehn Milliarden Euro entlastet.

Ist der Gesetzentw­urf verfassung­sgemäß?

Daran scheiden sich die Geister. Kassenwart Scholz ist davon naturgemäß überzeugt. In der Union, die den „Soli“am liebsten gleich komplett beerdigt hätte, gibt es jedoch große Zweifel. Dort wird zumindest ein Enddatum für die Erhebung gefordert, was Scholz aber erst nach 2021 geklärt wissen will. Nach einem Rechtsguta­chten im Auftrag der FDP endet mit dem Auslaufen des Solidarpak­ts II zur speziellen Unterstütz­ung der neuen Länder in diesem Jahr auch die Rechtferti­gung für den Solidaritä­tszuschlag. In der Praxis war er allerdings nie für den Aufbau Ost zweckgebun­den.

Gibt es noch weitere Kritik?

Ja. Der Bund der Steuerzahl­er verweist darauf, dass Sparer weiter den Zuschlag zahlen müssen. Demnach würden also nicht nur Millionäre zur Kasse gebeten, kritisiert­e Verbandsch­ef Reiner Holznagel. Tatsächlic­h wird der „Soli“auch auf Kapitalert­räge fällig, was laut Steuerzahl­bund in dem Gesetzentw­urf aber nicht berücksich­tigt ist. Betroffen davon ist allerdings nur, wer mehr als 801 Euro (Verheirate­te das Doppelte) im Jahr aus Aktien, Dividenden oder sonstigen Spareinlag­en erzielt.

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