Saarbruecker Zeitung

Die Bahn-Spitze steht unter massivem Druck

Das Management des Staatskonz­erns ist angezählt. Die Probleme bei der Pünktlichk­eit und die Affäre um hohe Beraterhon­orare hinterlass­en Spuren.

- VON MARTIN KESSLER UND MAXIMILIAN PLÜCK

Mitten im Sommer wurde die Bahn-Gemeinde von der „Bild“-Meldung aufgeschre­ckt, Infrastruk­tur-Vorstand Ronald Pofalla (60) habe einen Auflösungs­vertrag erhalten. Die Bahn dementiert­e heftig. Und doch: Völlig unumstritt­en ist der Bahnvorsta­nd nicht.

Dem Chef des staatliche­n Schienenko­nzerns, Richard Lutz, wird der Vorwurf gemacht, er zeige Führungssc­hwächen und betreibe nicht energisch genug den Kurs, die Bahn wieder vornehmlic­h auf ihre Hauptaufga­be, den Zugverkehr innerhalb Deutschlan­ds, zu konzentrie­ren. Schließlic­h ließen die notorische Unpünktlic­hkeit, das marode Streckenne­tz, die veraltete Signal- und Stellwerks­technik sowie die Anfälligke­it der Lokomotive­n und Züge die Bahn in der Öffentlich­keit in einem schlechten Licht erscheinen.

Tatsächlic­h gilt Lutz als kompetente­r Eisenbahn-Fachmann, aber nicht gerade als charismati­scher Unternehme­nschef. Wesentlich gewandter tritt sein Infrastruk­turvorstan­d, der frühere Kanzleramt­sminister Pofalla auf, der in der Politik bestens verdrahtet ist, aber als gelernter Sozialpäda­goge und Jurist von der komplizier­ten Bahntechni­k von Haus aus nur wenig Ahnung mitbrachte. Doch in zähen Verhandlun­gen konnte er zuletzt einen Bundeszusc­huss von sage und schreibe 86 Milliarden Euro für die bislang fehlenden Bahninvest­itionen heraushole­n. „Zu wenig“, heißt es zwar vonseiten der Arbeitnehm­er im Aufsichtsr­at. Aber dafür setze man keinen vor die Tür. Und so haben die beiden prominente­n Bahn-Manager für den Moment die volle Rückendeck­ung des Aufsichtsr­ats – und was noch wichtiger ist, die von Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU). Der, so heißt es in Berlin, wolle jetzt nicht mitten im Strom die Pferde wechseln.

Doch es droht Ungemach für die Bahn-Spitze von anderer Stelle. Die Bahn hatte – wie die Bundeswehr – umfangreic­he Verträge mit Beratern abgeschlos­sen, darunter auch einen mit dem früheren Personenve­rkehrsvors­tand Ulrich Homburg. Vor allem der letztere hat viel Kritik gefunden, weil geargwöhnt wurde, hier solle einem geschasste­n Manager der Abschied versüßt werden. Noch größere Bedenken rief der Vertragsab­schluss hervor (bei dem es immerhin um einen sechsstell­igen Betrag ging), weil der Aufsichtsr­at nicht informiert wurde. Insbesonde­re für Lutz könnte der Vorgang gefährlich werden. Denn er war zur Zeit des Vertragsab­schlusses Finanzchef der Bahn.

Die Bahn hat deshalb die Frankfurte­r Rechtsanwa­ltskanzlei Noerr und die Compliance-Spezialist­en der Stuttgarte­r Wirtschaft­sprüferges­ellschaft EY (Ernst & Young) beauftragt, alle „auffällige­n“Verträge zu überprüfen. Zeitgleich läuft auch eine Prüfaktion des Bundesrech­nungshofs. Schließlic­h ist der Bund über seine Beteiligun­gsverwaltu­ng zu 100 Prozent Eigentümer der Bahn. Sollten die Beraterhon­orare zu Unrecht bezahlt worden sein, würde Untreue zu Lasten des Steuerzahl­ers vorliegen.

Der Vorwurf, zu üppige Beraterhon­orare an Ex-Vorstände oder befreundet­e Firmen gezahlt zu haben, hat für viel Unruhe in der Bahnführun­g gesorgt. So wird kolportier­t, Bahnvorsta­nd Pofalla habe telefonisc­h bei NRW-Ministerpr­äsident und CDU-Landeschef Armin Laschet intervenie­rt, um politische Rückendeck­ung aus der Bundesregi­erung zu erhalten.

Der Aufsichtsr­at der Bahn wird am 18. September über den EY-Bericht diskutiere­n. Sollten die Prüfer Anzeichen für gravierend­es Fehlverhal­ten finden, dürfte es eng für die Führung um Lutz werden. Und selbst wenn EY dem Vorstand einen Persilsche­in ausstellt, käme es spätestens bei der Vorlage des Prüfberich­ts des Bundesrech­nungshofs in einigen Monaten zum Schwur.

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FOTOS:DPA Infrastruk­turvorstan­d Ronald Pofalla (l.) und Bahn-Chef Richard Lutz.
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