Die Bahn-Spitze steht unter massivem Druck
Das Management des Staatskonzerns ist angezählt. Die Probleme bei der Pünktlichkeit und die Affäre um hohe Beraterhonorare hinterlassen Spuren.
Mitten im Sommer wurde die Bahn-Gemeinde von der „Bild“-Meldung aufgeschreckt, Infrastruktur-Vorstand Ronald Pofalla (60) habe einen Auflösungsvertrag erhalten. Die Bahn dementierte heftig. Und doch: Völlig unumstritten ist der Bahnvorstand nicht.
Dem Chef des staatlichen Schienenkonzerns, Richard Lutz, wird der Vorwurf gemacht, er zeige Führungsschwächen und betreibe nicht energisch genug den Kurs, die Bahn wieder vornehmlich auf ihre Hauptaufgabe, den Zugverkehr innerhalb Deutschlands, zu konzentrieren. Schließlich ließen die notorische Unpünktlichkeit, das marode Streckennetz, die veraltete Signal- und Stellwerkstechnik sowie die Anfälligkeit der Lokomotiven und Züge die Bahn in der Öffentlichkeit in einem schlechten Licht erscheinen.
Tatsächlich gilt Lutz als kompetenter Eisenbahn-Fachmann, aber nicht gerade als charismatischer Unternehmenschef. Wesentlich gewandter tritt sein Infrastrukturvorstand, der frühere Kanzleramtsminister Pofalla auf, der in der Politik bestens verdrahtet ist, aber als gelernter Sozialpädagoge und Jurist von der komplizierten Bahntechnik von Haus aus nur wenig Ahnung mitbrachte. Doch in zähen Verhandlungen konnte er zuletzt einen Bundeszuschuss von sage und schreibe 86 Milliarden Euro für die bislang fehlenden Bahninvestitionen herausholen. „Zu wenig“, heißt es zwar vonseiten der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat. Aber dafür setze man keinen vor die Tür. Und so haben die beiden prominenten Bahn-Manager für den Moment die volle Rückendeckung des Aufsichtsrats – und was noch wichtiger ist, die von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Der, so heißt es in Berlin, wolle jetzt nicht mitten im Strom die Pferde wechseln.
Doch es droht Ungemach für die Bahn-Spitze von anderer Stelle. Die Bahn hatte – wie die Bundeswehr – umfangreiche Verträge mit Beratern abgeschlossen, darunter auch einen mit dem früheren Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg. Vor allem der letztere hat viel Kritik gefunden, weil geargwöhnt wurde, hier solle einem geschassten Manager der Abschied versüßt werden. Noch größere Bedenken rief der Vertragsabschluss hervor (bei dem es immerhin um einen sechsstelligen Betrag ging), weil der Aufsichtsrat nicht informiert wurde. Insbesondere für Lutz könnte der Vorgang gefährlich werden. Denn er war zur Zeit des Vertragsabschlusses Finanzchef der Bahn.
Die Bahn hat deshalb die Frankfurter Rechtsanwaltskanzlei Noerr und die Compliance-Spezialisten der Stuttgarter Wirtschaftsprüfergesellschaft EY (Ernst & Young) beauftragt, alle „auffälligen“Verträge zu überprüfen. Zeitgleich läuft auch eine Prüfaktion des Bundesrechnungshofs. Schließlich ist der Bund über seine Beteiligungsverwaltung zu 100 Prozent Eigentümer der Bahn. Sollten die Beraterhonorare zu Unrecht bezahlt worden sein, würde Untreue zu Lasten des Steuerzahlers vorliegen.
Der Vorwurf, zu üppige Beraterhonorare an Ex-Vorstände oder befreundete Firmen gezahlt zu haben, hat für viel Unruhe in der Bahnführung gesorgt. So wird kolportiert, Bahnvorstand Pofalla habe telefonisch bei NRW-Ministerpräsident und CDU-Landeschef Armin Laschet interveniert, um politische Rückendeckung aus der Bundesregierung zu erhalten.
Der Aufsichtsrat der Bahn wird am 18. September über den EY-Bericht diskutieren. Sollten die Prüfer Anzeichen für gravierendes Fehlverhalten finden, dürfte es eng für die Führung um Lutz werden. Und selbst wenn EY dem Vorstand einen Persilschein ausstellt, käme es spätestens bei der Vorlage des Prüfberichts des Bundesrechnungshofs in einigen Monaten zum Schwur.