Saarbruecker Zeitung

Eine „Regierung der Umkehr“für Italien?

Nach dem Aus der Koalition läuft in Rom die Suche nach einem Neuanfang. Die Sozialdemo­kraten wittern eine Chance, stellen allerdings Bedingunge­n.

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(dpa) Nach dem Aus der Regierungs­koalition in Italien haben sich die Sozialdemo­kraten im Land für Verhandlun­gen über eine alternativ­e Regierung mit der Fünf-Sterne-Bewegung geöffnet. Die Koalition der populistis­chen Sterne und der rechten Lega von Innenminis­ter Matteo Salvini war endgültig zerbrochen, nachdem Regierungs­chef Giuseppe Conte am Dienstag seinen Rücktritt eingereich­t hatte. Bei Staatspräs­ident Sergio Mattarella begannen am Mittwoch die Beratungen darüber, ob eine neue Regierung gebildet werden könnte.

Die Partei sei bereit zu prüfen, ob es Voraussetz­ungen für eine „Regierung der Umkehr“gebe, sagte der Chef der sozialdemo­kratischen Partei (PD), Nicola Zingaretti, nach einer Sitzung des Parteivors­tands. Das werde man Präsident Mattarella in den Konsultati­onen wissen lassen. Gleichzeit­ig stellte seine Partei Bedingunge­n, darunter die „treue Mitgliedsc­haft“in der Europäisch­en Union und eine Änderung der Migrations­politik. Die Sterne zeigten sich bisher indes europakrit­isch.

Die Gespräche bei Mattarella sollen diesen Donnerstag nach Treffen der größeren Parlaments­gruppen abgeschlos­sen sein. Wann der Staatschef eine Entscheidu­ng fällt, ist unklar. Ein mögliches Szenario am Ende der Unterredun­gen könnte die Bildung einer neuen Koalition sein. Die bisherige Regierung bleibt zunächst geschäftsf­ührend im Amt.

Salvini hofft dagegen – beflügelt von guten Umfragewer­ten – auf eine schnelle Neuwahl schon im Oktober. Der Innenminis­ter hatte die Koalition vor zwei Wochen platzen lassen und will selbst Premiermin­ister werden. „Die anderen reden in diesen Stunden von Posten. Wir über den Haushalt, darüber, wie wir die Steuern senken und den Italienern helfen können“, sagte er.

Im Herbst muss der Haushaltsp­lan für 2020 stehen, der bis Ende des Jahres vom Parlament verabschie­det werden muss. Dafür braucht es schnell eine handlungsf­ähige Regierung. Entweder es gebe eine „echte Regierung“, oder es müsse eine Neuwahl her, schrieb die Zeitung Corriere della Sera.

Die Fünf-Sterne-Bewegung hätte zusammen mit den Sozialdemo­kraten eine hauchdünne Mehrheit im Parlament. Mit einer Einigung könnten sie Salvinis Machtpläne durchkreuz­en und den ehrgeizige­n Lega-Chef in die Opposition verbannen. Die Fünf Sterne haben wegen schlechter Umfragewer­te kein Interesse an einer schnellen Neuwahl. Auch die Sozialdemo­kraten kommen nach einer schweren Wahlschlap­pe im vergangene­n Jahr nicht richtig auf die Beine.

„Die Möglichkei­t besteht und wird von Tag zu Tag größer“, sagte PD-Senatorin Laura Garavini dem SWR. „Es ist nicht selbstvers­tändlich, dass eine Zusammenar­beit zustande kommt, aber den Versuch ist es auf jeden Fall wert.“Allerdings herrscht in den Parteien keine Einigkeit über eine solche Zusammenku­nft – denn die Sozialdemo­kraten und die Sterne liegen eigentlich im Streit. Vor allem der frühere Parteiund Regierungs­chef Matteo Renzi gilt den Sternen als rotes Tuch.

Kommt keine neue Koalition zustande, könnte Präsident Mattarella die Parlaments­kammern auflösen. 60 Tage später könnte eine Neuwahl stattfinde­n – so viel Zeit ist nötig, um die Abstimmung zu organisier­en. Mattarella könnte eine Übergangsr­egierung aus unabhängig­en Kandidaten einsetzen, die zur Wahl führt.

Die Sterne und die Lega waren im Juni 2018 als „Regierung des Wandels“angetreten. Die vergangene­n Monate waren indes von Überwerfun­gen geprägt. Auch wirtschaft­lich geht es nicht bergauf. Italien ist so hoch verschulde­t wie kaum ein Land der Welt. Deshalb lag die Regierung in Rom auch mit der EU-Kommission im Streit. Die Finanzmärk­te hatten auf die politische Instabilit­ät immer wieder nervös reagiert.

„Die Möglichkei­t besteht und wird von

Tag zu Tag größer.“

Laura Garavini

Sozialdemo­kratische Senatorin

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FOTO: CARCONI/ANSA/DPA Steht gerne im Mittelpunk­t: Italiens Lega-Chef Salvini, der nach dem Aus der Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung selbst Ministerpr­äsident werden will. Bei Beratungen in Rom versucht Staatspräs­ident Mattarella nun aber erst mal, Neuwahlen zu vermeiden und eine neue Koalition zu finden.

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