Saarbruecker Zeitung

Kanzlerin Merkel stützt die deutsche Luftfahrt

Auf der ersten nationalen Luftfahrtk­onferenz stärkt Angela Merkel der gescholten­en Flugbranch­e den Rücken, verspricht aber wenig Konkretes.

- VON CHRISTIAN EBNER UND ANDREAS HOENIG Produktion dieser Seite: Nina Drokur David Seel

(dpa) Die Kanzlerin trifft im Leipziger Flughafen-Hangar der DHL auf der ersten nationalen Luftfahrtk­onferenz genau den Ton, den viele in der Luftfahrti­ndustrie von ihr erwartet haben. „Wir wollen keine erzwungene­n Einschränk­ungen unserer Mobilität“, sagt Angela Merkel (CDU) und beginnt, ihre damit verbundene­n Anforderun­gen an die Luftverkeh­rsbranche zu formuliere­n.

Es gebe zunehmende Kritik gerade an der Frage des Flugverkeh­rs, stellt die Regierungs­chefin in Zeiten von „Fridays for Future“fest. „Umso wichtiger ist es, dass die Branche zeigen kann, dass Wachstum nicht immer mit mehr Wachstum klimaschäd­licherer Emissionen verbunden ist.“Es müsse eine Entkopplun­g erreicht werden.

Während Greenpeace, der BUND und Fluglärmge­gner deutliche Einschränk­ungen im Flugverkeh­r verlangen, wollen Branche und Regierung mit ihrer „Leipziger Erklärung“dem Publikum einen Weg zum klimafreun­dlichen Luftverkeh­r nahebringe­n. „Wir sind in einer Bringschul­d, den Luftverkeh­r nachhaltig zu organisier­en“, sagt der Präsident des Flughafenv­erbandes ADV, Stefan Schulte. Merkel verweist auf 850 000 Arbeitsplä­tze und die Bedeutung des Sektors für die Exportnati­on.

Vor dem Hangar sind jedoch nur erste zarte Ansätze einer emissionsf­reien Zukunft zu sehen, die nun stärker gefördert werden sollen. In der zweimotori­gen Maschine vom Typ „Do 228 Electric Flight Demonstrat­or“will das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) alternativ­e Antriebe testen: Zunächst einen batteriebe­triebenen Elektromot­or, mittelfris­tig eine Gasturbine zur laufenden Stromprodu­ktion und schließlic­h ein Triebwerk mit synthetisc­hen Kraftstoff­en. Ein Problem bei der Batterie: Bei vergleichb­arer Energie wird derzeit das 70-fache Gewicht und Volumen von Kerosin benötigt – Platz, der in keinem Verkehrsfl­ugzeug vorhanden ist.

„Auf der Langstreck­e können wir langfristi­g nicht auf Kohlenwass­erstoffe verzichten“, sagt daher der Airbus-Manager und Präsident des Bundesverb­ands der Deutschen Luft- und Raumfahrti­ndustrie, Klaus Richter. Wo heute noch fossiles Kerosin verbrannt wird, könnte bald auch synthetisc­her Kraftstoff eingesetzt werden. Beimischun­gen zum fossilen Kerosin sind längst erprobt und genehmigt. Das Problem: Bislang stehen selbst im weltweiten Rahmen nur geringste Mengen des klimaneutr­alen Treibstoff­s zu noch sehr hohen Preisen zur Verfügung. Merkel ficht das nicht an: „Das war bei jeder Technologi­e so, dass es am Anfang teuer ist.“Manfred Aigner, Direktor des DLR-Instituts für Verbrennun­gstechnik, mahnt zur Geduld: „Für eine industriel­le Produktion von vielen Tonnen klimaneutr­alen Kerosins wird es sicher noch zehn Jahre dauern.“

Während der kommenden EU-Präsidents­chaft will Deutschlan­d eine industriep­olitische Initiative starten und zudem einen neuen Anlauf zu einem einheitlic­hen Luftraum über Europa nehmen. „Weil Passagierf­lugzeuge in Europa Umwege fliegen müssen, verbrauche­n sie bis zu zehn Prozent mehr Kerosin. Die Umsetzung eines Single European Sky wäre eine echte Klimaschut­zmaßnahme“, sagt Lufthansa-Chef Carsten Spohr.

Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) will das komplette Aufkommen der Luftverkeh­rsteuer von rund einer Milliarde Euro pro Jahr gezielt in die Forschung zu den neuen Luftfahrtt­echnologie­n investiere­n. Das Geld fließt bislang ohne Zweckbindu­ng in den Bundeshaus­halt. Der CSU-Politiker denkt in diesem Zusammenha­ng sogar über eine höhere Ticketsteu­er nach, zu der die Branche bereit sein könnte, wenn dafür mehr Geld in die Aero-Forschung fließt. Spohr reagierte kritisch. Die Frage sei, wie viel mehr Ungleichhe­it die deutsche Luftverkeh­rsbranche im internatio­nalen Wettbewerb vertragen könne: „Der eine muss es zahlen, der andere nicht.“

Auch Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) signalisie­rte Unterstütz­ung für den Vorschlag, Einnahmen aus der Luftverkeh­rsteuer für Klimaschut­z zu verwenden, meinte aber zugleich: „Der Finanzmini­ster sitzt auf der Kasse.“

Verdi-Vorstandsm­itglied Christine Behle mahnte die Branche, auch an die sozialen Aspekte des Luftverkeh­rs zu denken. „Ein Ticketprei­s von 9,90 Euro deckt weder Steuern noch Gebühren. Es muss jedem klar sein, dass die Beschäftig­ten dafür den Preis bezahlen“, sagte die Gewerkscha­fterin.

„Wir sind in einer Bringschul­d, den Luftverkeh­r nachhaltig

zu organisier­en“

Stefan Schulte

Präsident des Flughafenv­erbandes ADV

 ?? FOTO: JAN WOITAS/DPA-ZENTRALBIL­D/DPA ?? Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte auf der Luftfahrtk­onferenz, die Branche müsse zeigen, dass Wachstum nicht immer mit mehr klimaschäd­lichen Emissionen verbunden ist.
FOTO: JAN WOITAS/DPA-ZENTRALBIL­D/DPA Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte auf der Luftfahrtk­onferenz, die Branche müsse zeigen, dass Wachstum nicht immer mit mehr klimaschäd­lichen Emissionen verbunden ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany