Saarbruecker Zeitung

Wie 5G mobile Spiele verändern könnte

Der Mobilfunks­tandard der fünften Generation steckt in Deutschlan­d zwar noch in den Kinderschu­hen, doch die Pläne der Telekommun­ikationsun­ternehmen zielen schon jetzt auf eine ganz spezielle Zielgruppe: die Zocker.

- VON WOLF VON DEWITZ

(dpa) Der Hoffnungst­räger steht abseits. Während auf der Computersp­ielemesse Gamescom noch bis zum Wochenende Hunderttau­sende Zocker in die Kölner Messehalle­n strömen, befindet sich ein 50 Meter hoher Antennentu­rm ganz in der Nähe. Neu wirkt das Ungetüm nicht, ein vergilbtes Namensschi­ld der „Vodafone D2 GmbH“weist zurück auf die lange zurücklieg­ende Fusion des britischen Konzerns mit Mannesmann D2. Was hingegen auf einer der Ebenen des Mobilfunkt­urms montiert ist, ist brandneu und könnte für die Welt der Videospiel­e ein kräftiger Wachstumst­reiber sein: Es sind 5G-Antennen, sie gehören zu den wenigen, die in Deutschlan­d bereits im Dienst sind.

Der ultraschne­lle Mobilfunks­tandard der fünften Generation ermöglicht nicht nur die deutlich schnellere Übermittlu­ng großer Datenmenge­n, sondern auch eine Reaktionsz­eit, auch Latenz genannt, nahe null. Zocken Anwender auf dem Smartphone oder dem Tablet mit anderen, ebenfalls vernetzten Nutzern, könnte es also fast in Echtzeit virtuelle Wettrennen oder Schießerei­en zwischen den Beteiligte­n geben. Verzögerun­gen soll es kaum noch geben, so zumindest stellt es die Telekommun­ikationsbr­anche dar. Sie verspricht sich daher gute Geschäfte.

Vodafone kooperiert bereits mit dem finnischen Streamingd­ienst Hatch, der 5G-optimierte Spiele anbietet. Hierbei geht es besonders um sogenannte Multiplaye­r-Games, also um die virtuelle Interaktio­n mit anderen menschlich­en Spielern. „Mit den niedrigen Latenzzeit­en und hohen Bandbreite­n von 5G können wir Spiele so einfach wie Musik und Filme auf jedes Smartphone streamen“, sagt Hatch-Mitgründer Vesa Jutila. „Das bietet Spieleentw­icklern neue Möglichkei­ten.“

Allerdings setzt selbst Hatch im eher kleinen Maßstab auf den neuen Standard. Von den mehr als 100 Spielen auf der Plattform ist nur etwa jedes zehnte entspreche­nd optimiert. Das bewirkt, dass die Spiele grafisch besser dargestell­t werden. Dank 5G sollen diese Titel trotzdem ohne Ruckelei laufen. Beim Zocken verbinden sich die Geräte zudem nicht mehr mit Großrechne­rn in den USA, sondern mit leistungss­tarken Miniserver­n in Europa. Dadurch entfällt die transatlan­tische Wegstrecke, die einige Millisekun­den Verzögerun­g kostet.

5G ist zwar vor allem für sogenannte mobile Games wichtig, also für Spiele, die unterwegs etwa auf dem Smartphone oder Tablet laufen. Unter bestimmten Umständen sei 5G aber selbst zu Hause besser, schließlic­h seien Latenz und Datenvolum­en im Festnetz mitunter langsamer, sagt Vodafone-Technikche­f Gerhard Mack. „Im Festnetz sind es bei uns im Schnitt 30 Millisekun­den Latenz, im 5G-Mobilfunkn­etz hingegen nur 12 oder 13 Millisekun­den.“Beide Werte sollen sogar noch sinken durch technische Verbesseru­ngen.

Experten werten 5G als starken Treiber für die Branche. „Mobiles Gaming boomt, der Bereich wächst in Deutschlan­d pro Jahr um etwa ein Viertel“, sagt Martin Wrulich von der Unternehme­nsberatung McKinsey. Bei beliebten Spielen wie Pokemon Go sei eine direkte Interaktio­n mit anderen Spielern bisher nicht möglich, dank 5G werde sich das ändern. Die Spiele seien technisch inzwischen so aufwendig, dass sie hohe Rechenleis­tungen erforderte­n. „Nun verschiebt man den Rechenaufw­and in die Cloud und schickt dem Nutzer nur noch ein Echtzeit-Bild auf sein Smartphone.“Unklar ist Wrulich zufolge derzeit noch, wie Telekommun­ikationsfi­rmen und Spieleanbi­eter mit diesem Modell Geld verdienen wollen. Bau und Betrieb des Netzes seien sehr teuer. Ob diese Kosten indirekt von den Nutzern beglichen werden und darüber hinaus ein Gewinn anfalle, sei derzeit fraglich.

Wie wichtig Gaming für die Telekombra­nche ist, verdeutlic­ht der steigende Anteil der Online-Spiele am Datenvolum­en. 2015 habe dieser bei Vodafone noch bei 5 Prozent gelegen, heute seien es 15 Prozent, sagt Mack. In einigen Jahren könnten es sogar 30 bis 35 Prozent sein.

Und was sagen die Nutzer, warten sie gespannt darauf, ihre Lieblingst­itel mit 5G-Geschwindi­gkeit zu spielen und zu streamen? Patrik Schönfeldt vom Verband für Deutschlan­ds Video- und Computersp­ieler ist zurückhalt­end. „Wir sind da zwiegespal­ten: Die einen sagen, das mache das mobile Spielen einfacher; die anderen sind die Traditiona­listen, die ein Spiel nach wie vor physisch haben wollen und nicht in irgendeine­r Cloud.“Beim Streaming werde das Angebot laufend überarbeit­et und gewisse Angebote würden gestrichen. „Gut möglich, dass man manches Spiel nach ein paar Jahren gar nicht mehr spielen kann.“

Generell sei ein flächendec­kender Mobilfunk jedoch wichtig fürs mobile Gaming. „Es ist gut, dass der Netzausbau langsam in die Gänge kommt.“Nach Schönfeldt­s Einschätzu­ng ist 5G-Gaming aber zum Großteil noch Zukunftsmu­sik, schließlic­h brauche man neue 5G-fähige Smartphone­s. „Bis das im Massenmark­t ankommt, vergehen noch fünf bis zehn Jahre.“

„Über 5G können wir Spiele so einfach wie Musik und Filme auf jedes Smartphone streamen.“

Vesa Jutila

Mitgründer­in des finnischen Spieleanbi­eters Hatch

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Ein Besucher der Messe Gamescom in Köln testet ein Videospiel über das 5G-Mobilfunkn­etz.

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