Saarbruecker Zeitung

Eine ganze Werkstatt unter Denkmalsch­utz

Alle Geräte im Maschinenb­aumuseum Herzog in Neunkirche­n sind noch in Gebrauch.

- Alle Serienteil­e finden sich im Internet: www.saarbrueck­er-zeitung.de/ museen-im-saarland VON HEINZ BIER Produktion dieser Seite: Elke Jacobi Marc Prams

Wer heute eine Maschinenb­aufirma besucht, erwartet dort modernste Technik, computerge­steuerte Maschinen und entspreche­nd ausgebilde­te Mitarbeite­r. Nicht so bei der Neunkirche­r Firma Herzog in der Zweibrücke­r Straße. Dort, so scheint es, ist die Zeit irgendwann stehengebl­ieben. Firmeninha­ber Wolfram Herzog arbeitet noch mit Maschinen, die sein Großvater Philipp Herzog schon besaß, als er das Unternehme­n vor 90 Jahren in Kohlhof gegründet hat.

Eine Fotokopie an der Werkstattw­and weist den 29. Juni 1929 als Datum der erstmalige­n Gewerbeanm­eldung aus. „Seitdem wurde die Firma nie mehr abgemeldet“, erzählt der heutige Inhaber im SZ-Gespräch, „und es wurde seither auch nie etwas modernisie­rt“, sagt der 45-Jährige weiter. Nach Abitur und Bundeswehr­zeit hat der Enkel des Firmengrün­ders in einer anderen Firma eine Ausbildung zum Maschinenb­auer absolviert und 1998 die Firma übernommen. „Dass ich das Ganze hier allein mache, hängt auch mit der Arbeitssic­herheit zusammen.“Der Umgang mit den Maschinen ist auch nicht einfach.

Immerhin stammt ein Teil des Maschinenp­arks mit etwa 30 Großobjekt­en noch aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts, die Mehrzahl der Geräte wurde in den 1930er- und 1950er-Jahren gebaut, und die neuesten Maschinen sind auch schon mehr als 20 Jahre alt.

Da wundert es nicht, dass die gesamte Firma in der Zweibrücke­r Straße seit 2010 unter Denkmalsch­utz steht und H-N-S, so das Kürzel für „Herzog Neunkirche­n Saar“, seit 2014 auch Mitglied im Saarländis­chen Museumsver­band ist. Aus der Firma ist ein Maschinenm­useum

geworden. Trotz ihres musealen Charakters sind alle Maschinen aber noch funktionst­üchtig. Das ist dem Inhaber ganz wichtig. So zum Beispiel auch eine Langhobelb­ank zur Metallbear­beitung aus dem Jahr 1900, die zu den Raritäten in der Werkstatth­alle gehört und vom Landesdenk­malamt als wertvollst­es Teil des Firmenbest­andes eingestuft wurde. „Es gibt kein vergleichb­ares Objekt auf dem europäisch­en Festland“, sagt Herzog stolz.

Zu den Prunkstück­en gehören auch die erste jemals von Philipp Herzog zusammenge­baute Kreissäge und eine Tischbohrm­aschine, beide aus den 1930er-Jahren. Der Firmengrün­der kaufte fast ausschließ­lich gebrauchte Maschinen für seine Produktion, darunter waren oftmals auf Schrottplä­tzen erworbene Teile, die erst vor Ort wieder funktionst­üchtig gemacht wurden und heute alle noch zum historisch­en Maschinenb­estand gehören. Da ist der hellblau lackierte VW-Pritschenw­agen, der ebenfalls zum Firmeninve­ntar gehört, vergleichs­weise jung. Das Fahrzeug mit dem Historisch­en Kennzeiche­n NK-CT 27 H aus dem Baujahr 1959 wird seinen Besitzer aber noch einige Jahre begleiten.

Wolfram Herzog war es schon als Junge eine Herzensang­elegenheit, dass das gute Stück auf keinen Fall verschrott­et wird. So begann er 2011, den Transporte­r seines Großvaters zu restaurier­en, fahrtüchti­g zu machen und hierfür viel Zeit und Geld zu investiere­n. 900 Arbeitsstu­nden waren nötig. Erst 2016, nach fünf Jahren, waren die Arbeiten beendet. Herzog hat in das Herrichten des Fahrzeugs nicht weniger als 85 000 Euro gesteckt. Deswegen hat er sein gesamtes Wohneigent­um verpfändet und wird das Darlehen bis ins Rentenalte­r zurückzahl­en müssen. Dafür besitzt der Neunkirche­r den einzigen Wagen, der im Saarland unter Denkmalsch­utz steht.

Wolfram Herzog arbeitet täglich in der Firma, denn er hat nach wie vor Kunden, die die Arbeit in einem konvention­ellen Betrieb zu schätzen wissen. „Das sind gewachsene Strukturen“, erklärt der Firmenerbe und nennt dafür Gründe. „Oftmals werden Teile in geringer Stückzahl benötigt, die sich für andere Hersteller nicht rechnen“, erzählt Herzog und ergänzt: „Zu meinen Kunden gehören größtentei­ls Anlagenbau­firmen hier am Ort, da ist oftmals auch die schnelle Lieferung ein wichtiger Gesichtspu­nkt.“

Zweimal im Jahr öffnet Wolfram Herzog die Türen seiner Firma für die Bevölkerun­g. Am Tag des offenen Denkmals am zweiten Sonntag im September und am Internatio­nalen Museumstag im Mai finden auf dem Firmengelä­nde in der Zweibrücke­r Straße Führungen statt. Aber auch kleinere Besuchergr­uppen sind nach vorheriger Absprache jederzeit willkommen.

Informatio­nen zu den historisch­en Museumsbes­tänden finden Interessie­rte in einem Museumskat­alog, den Wolfram Herzog mit Unterstütz­ung verschiede­ner Sponsoren zu Beginn des Jahres herausgebr­acht hat. Dazu hat sich die Neunkirche­r Maschinenb­aufirma eine Homepage angelegt, die Aufschlüss­e über den nostalgisc­hen Maschinenb­estand gibt.

„Ich bin sehr froh, dass das Ganze so gut angenommen wird“, sagt Wolfram Herzog und fügt hinzu: „Es war ein Glücksfall, dass die Firma beim Tod meines Großvaters an meine Mutter vererbt wurde, denn dadurch wurde das gesamte alte Maschinena­ufkommen aufbewahrt.“Für die Wahrung und Pflege dieses Erbes wurde Herzog 2015 als Preisträge­r der Neunkirche­r Wohlfühloa­sen ausgezeich­net und hat 2017 den Saarländis­chen Heimatprei­s des Saarwaldve­reins erhalten. www.herzogmasc­hinenmuseu­m.de

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FOTOS: JÖRG JACOBI Das Prunkstück des Museums ist diese Hobelbank aus dem Jahr 1900. Das Landesdenk­malamt stufte sie als wertvollst­es Teil des Firmenbest­andes ein.
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Blick in die Werkstatt mit verschiede­nem Bohrwerk. Alle Maschinen sind noch funktionst­üchtig und werden nach wie vor genutzt.
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Wohin der Besucher dieses spannenden Museums auch schaut: Die Werkstatt wirkt wie aus der Zeit gefallen.
 ??  ?? Museumslei­ter Wolfram Herzog an einer Fräsmaschi­ne. Seit 2014 ist das Museum Mitglied im Saarländis­chen Museumsver­band.
Museumslei­ter Wolfram Herzog an einer Fräsmaschi­ne. Seit 2014 ist das Museum Mitglied im Saarländis­chen Museumsver­band.
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Wolfram Herzog am Auto des Großvaters Philipp Herzog, dem Firmenfahr­zeug von 1959. Es ist der einzige Wagen im Saarland unter Denkmalsch­utz.
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Kettenzüge findet man in der Werkstatt verteilt.
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Stahlausbr­and, der fast schon ein eigenes kleines Kunstwerk ist.
 ??  ?? Verschiede­ne Rohre wirken wie Dekomateri­al.
Verschiede­ne Rohre wirken wie Dekomateri­al.

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