„Wenn Leitfiguren fehlen, ist der Sport tot“
An diesem Donnerstag startet die 37. Auflage der Deutschland-Rallye am Bostalsee. 37 Jahre nach dem letzten WM-Titel von Walter Röhrl fristet der Sport hierzulande nur noch ein Schattendasein.
(sid) Vor 37 Jahren der letzte WM-Titel, der letzte Heimsieg schon 20 Jahre her, und in der aktuellen WM-Wertung fehlt das schwarz-rot-goldene Fähnchen sogar noch gänzlich: Die deutschen Fahrer spielen im Rallyesport seit geraumer Zeit nur noch eine Nebenrolle. Vor dem Start der 37. ADAC Deutschland-Rallye an diesem Donnerstag im Saarland läuft die Suche nach einem würdigen Nachfolger des zweimaligen Weltmeisters Walter Röhrl weiter vergeblich. Kein Wunder, dass der Rallyesport in Deutschland von seiner einst immensen Bedeutung deutlich eingebüßt hat.
„Wir haben es auch in vielen anderen Sportarten erlebt, die breite Masse hat nur Interesse, wenn ein einheimischer Sportler Weltklasse ist“, sagt Röhrl: „Dann wollen alle Golf spielen, Formel 1 oder auch Rallye fahren. Wenn diese Leitfiguren fehlen, ist der Sport leider tot.“Einzig zum WM-Lauf strömen auch dank vieler ausländischer Fans gewaltige Zuschauermassen, alle anderen Rallyes in Deutschland finden „fast inkognito“statt: „Selbst ich schlage montags die Zeitung auf und stelle erstaunt fest ‚oh da war ja schon wieder eine Rallye‘“, erklärt der 72-Jährige, „Die breite Masse in Deutschland schenkt Rallye nahezu keine Beachtung.“
Das war in Röhrls Glanzzeiten noch ganz anders. Der Champion begeisterte durch seine Genialität die Massen, nicht nur an den Strecken, sondern auch vor den TV-Bildschirmen. Vier Triumphe mit vier verschiedenen Autos bei der legendären Rallye Monte Carlo waren ebenso historisch wie die bislang einzigen deutschen Weltmeistertitel in den Jahren 1980 und 1982. Von solchen Triumphen sind die deutschen Fahrer seit langer Zeit weit entfernt, derzeit hat kein Pilot einen festen Startplatz in der WM.
„Den deutschen Fahrern fehlt dazu derzeit die Qualität. Die Weltspitze ist von den besten deutschen Piloten schon ein gutes Stück entfernt“, sagte der einst von 100 Motorsportexperten zum besten Rallye-Fahrer aller Zeiten gekürte Röhrl. Die Gründe dafür sind laut Röhrl vielfältig. Die Nachwuchsförderung beginne zu spät, es gebe zu wenig Trainings- und Wettkampfstrecken und dadurch fehle den deutschen Piloten Fahrpraxis. Außerdem sei die Auswahl an Piloten zu gering, um sich auch national dauerhaft auf höchstem Niveau zu messen.
Das größte Potenzial sieht Röhrl aktuell beim zweimaligen Junioren-Europameister Marijan Griebel, der aus dem pfälzischen Hahnweiler stammt und bei der Deutschland-Rallye quasi ein Heimspiel hat, und dem aktuell Führenden der deutschen Rallyemeisterschaft, Fabian Kreim. Beide treten beim deutschen WM-Lauf ab Donnerstag als Gaststarter in der WRC2 an, der zweithöchsten Fahrzeugkategorie. „Bis nach ganz vorne zu kommen, könnte aber für beide schwierig werden“, meint Röhrl: „Ich war damals ein kompletter Nobody, ich hatte keinerlei Ahnung vom Rallyefahren. Dann bin ich meine erste Rallye gefahren und war plötzlich vor allen Etablierten. Dieses Talent sehe ich heute im deutschen Rallyesport nicht.“
Seine frühere Bedeutung würde der Rallyesport aber auch mit einem deutschen Spitzenfahrer nicht zurückerlangen, glaubt der Sieger der Deutschland-Rallye aus dem Jahr 1983: „Genauso wie zu meiner Zeit wird es nicht, da heute die Auswahl an Sportarten viel zu groß ist. Zu meiner Zeit war das Auto die Goldene Kuh. Jeder hat vom Auto geträumt und dazu ist noch ein Deutscher vorneweg gefahren. Dieses Level ist nicht mehr erreichbar.“Eine deutliche Steigerung sollte mit einem deutschen Weltklassepiloten aber doch möglich sein.