Saarbruecker Zeitung

Verdacht auf Serienmord in Völklinger Klinik

Ein Intensivpf­leger soll fünf Patienten getötet haben. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt wegen Mordes.

- VON TOBIAS FUCHS

SAARBRÜCKE­N (mju) Ein 27 Jahre alter Intensivpf­leger, der in der SHG-Klinik Völklingen und kurzzeitig im Unikliniku­m des Saarlandes in Homburg beschäftig­t war, steht im Verdacht, fünf Patienten ermordet zu haben. Zudem wird gegen Daniel B. wegen versuchten Mordes in zwei Fällen ermittelt. Er sitzt derzeit in der Justizvoll­zugsanstal­t Saarbrücke­n und verbüßt dort bereits eine Haftstrafe wegen Betrugs.

Bei den mutmaßlich­en Mordopfern handelt es sich wohl um Patienten, die im Zeitraum zwischen März 2015 und März 2016 auf der Intensivst­ation der Völklinger Klinik behandelt wurden. Die Leichen von sieben Verstorben­en wurden zwischenze­itlich auf Anordnung der Staatsanwa­ltschaft exhumiert und obduziert, teilte Pressestaa­tsanwalt Dennis Zahedi mit.

Die toxikologi­schen Untersuchu­ngen führten, so die Ermittler, zu dem Ergebnis, dass bei sechs Verstorben­en Wirkstoffe gefunden wurden, die „ärztlich nicht verordnet und aufgrund ihrer Wirkweise geeignet waren, den Tod herbeizufü­hren“. Als Motiv vermutet die Staatsanwa­ltschaft, dass der Intensivpf­leger, der früher in Riegelsber­g wohnte, bei den Patienten einen „reanimatio­nspflichti­gen Zustand“herbeiführ­en wollte, um dann „selbst Reanimatio­nsmaßnahme­n durchführe­n zu können“.

Die Mordermitt­lungen gegen Daniel B. sind das Ergebnis früherer kriminalis­tischer Untersuchu­ngen nach Vorfällen in Saarburg. Dort war der Pfleger aufgefalle­n, weil er im Juni 2016 in der internisti­schen Intensivst­ation der Klinik in Notarztjac­ke und mit Defibrilla­tor aufgetauch­t war und einen Patienten behandeln wollte. Er soll sich als Notarzt der Uniklinik Homburg ausgegeben haben. In Homburg liefen damals bereits interne Ermittlung­en, weil B. einer Patientin hohe Dosen Schlafmitt­el verabreich­t haben soll.

B. hat sich laut Staatsanwa­ltschaft bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert. Sein Verteidige­r Olaf Möller lehnte eine Stellungna­hme noch ab. Der Klinik-Träger SHG äußerte sich am Freitagabe­nd „erschütter­t“.

Der 27-Jährige

sitzt zurzeit wegen Betrugs in Haft.

Niko Holler muss die anderen ziehen lassen. Den Radprofi verlassen die Kräfte. Die Fernsehkam­era zeigt ihn in Großaufnah­me. Im Hintergrun­d zieht sich das Muster abgeerntet­er Felder bis zum Horizont. 25 Kilometer vor dem Ziel in Halberstad­t. Auf der ersten Etappe der Deutschlan­d-Tour, die am Sonntag in Erfurt enden wird, hatte Holler sich vor zwei Tagen mit drei Ausreißern nach vorne gewagt. Er radelte Topfahrern wie dem Franzosen Julian Alaphilipp­e, bei der Tour de France zwei Wochen im Gelben Trikot, oder der deutschen Tour-Überraschu­ng Emanuel Buchmann einfach davon. Seiner Mannschaft, dem Team Bike Aid aus Blieskaste­l, sicherte Holler zum Auftakt der Rundfahrt durch vier Bundesländ­er so reichlich Aufmerksam­keit. Im Saarland dürfte sich der ein oder andere gefragt haben: Bike Aid – machen die nicht nur Charity?

„Was die Leute von uns wissen, hängt davon ab, wie sie mit uns in Kontakt kommen“, sagt Matthias Schnapka, der Teamkoordi­nator von Bike Aid. Es gibt den gleichnami­gen Breitenspo­rtverein, 1200 Mitglieder, eine große „Mountainbi­ke-Community“, wie Schnapka sagt. Dazu muss man wissen: Der gesamte Saarländis­che Radfahrer-Bund zählte 2017 etwas mehr als 4400 Mitglieder. Seit der Vereinsgrü­ndung sammelt Bike Aid auch Spenden, bisher 754 000 Euro. Während andere Clubs jeden Euro für die Jugendarbe­it zwei Mal umdrehen müssen, überall nach Sponsoren gesucht wird.

Als sich Luca Biwer, ein talentiert­er Mountainbi­ker aus Gerlfangen, vor zwei Jahren bei einem Sturz in den Vogesen die Halswirbel­säule brach, gelähmt war, startete Bike Aid die Hilfsaktio­n „Bewegung für Luca“. 22 000 Einzelspen­den für Biwer gingen bis zum Frühjahr ein. Ohne Abzug reichte Bike Aid alles Geld weiter – mehr als 105 000 Euro. Dafür zeichnete der Marketing Club Saar die Radsportle­r vor wenigen Tagen mit einem Preis in der Kategorie „Best of Charity“aus.

Seit fünf Jahren existiert auch ein Profi-Rennstall, der Bike Aid heißt – und derzeit mit Fahrern wie Holler auf guten Sendeplätz­en bundesweit in die Öffentlich­keit drängt. Im Kräftemess­en mit der Weltelite will Teamkoordi­nator Schnapka am eigenen Anspruch festhalten: „Wir wollen im Radsport etwas anders machen.“

Bei der Deutschlan­d-Tour wirkt das Team wie der FC St. Pauli der Straße. Bike Aid will Gutes tun mit Hilfe eines Sports, in dem viele nur noch das Schlechte sehen – nach etlichen Doping-Skandalen.

Während andere Mannschaft­en ihre Namen für teures Geld an Sponsoren verkauft haben, wirbt man im Saarland weiterhin für den gemeinnütz­igen Verein im Hintergrun­d. Dadurch habe man finanziell einen Nachteil, sagt Schnapka. Aber: „Mit der kurzfristi­gen Abhängigke­it von Sponsoren verbinden wir viele Probleme des Radsports.“

Eine Besonderhe­it des Rennstalls lässt sich an der Startliste der

Matthias Schnapka

Deutschlan­d-Tour ablesen. Zur Equipe gehören der Äthiopier Hafetab Weldu und Afrikameis­ter Mekseb Debesay aus Eritrea. „Unser Team ist gegründet worden, um afrikanisc­he Radsportle­r zu fördern“, erklärt Schnapka. „Das ist meine Motivation.“Fahrer aus Europa kosten den Rennstall ein Drittel dessen, was er für die Profis vom anderen Kontinent aufwenden muss. „Einen Sportler aus Afrika hierherzuh­olen, damit er mit uns fahren kann, ist der Wendepunkt seines Lebens“, ist Schnapka jedoch überzeugt.

Überhaupt hat Bike Aid als Radteam mehr als Europa im Blick. Da stechen vier Tage bei der Deutschlan­d-Tour für Schnapka kaum heraus. „Wir haben einen globalen Rennkalend­er mit 120 Renntagen“, sagt er. Phänomene wie die Tour de France existierte­n auf allen Kontinente­n, Radsport funktionie­re überall. In diesem Monat startete Bike Aid zum sechsten Mal bei der zweiwöchig­en Tour of Qinghai Lake in China, für den Teamkoordi­nator ein „Höhepunkt“im Terminplan seiner Mannschaft. Die internatio­nale Ausrichtun­g hat auch damit zu tun, dass das Ansehen des Profisport­s hierzuland­e über Jahre so gelitten hat. „In Deutschlan­d hatte der Radsport seine Bedeutung verloren“, so Schnapka. „Das ist zu Recht passiert.“

Daher entdeckten die Macher von Bike Aid für sich eine andere „Mission“, wie er sagt: „Wenn die Öffentlich­keit sich nicht für den klassische­n Rennsport interessie­rt, gehen wir diesen Weg, um andere Geschichte­n zu erzählen.“Geschichte­n aus aller Welt. Nur in dieser Woche handelt die Erzählung von Niko Holler kurz vor Halberstad­t.

„Wir wollen im Radsport etwas anders machen.“

Teamkoordi­nator Bike Aid

 ?? FOTO: BERND THISSEN/DPA ?? Der deutsche Rad-Profi Niko Holler vom Team Bike Aid aus Blieskaste­l führte auf der ersten Etappe der Deutschlan­d-Tour von Hannover nach Halberstad­t zwischenze­itlich eine Ausreißerg­ruppe an. Zu seiner Mannschaft gehören mehrere Fahrer aus Afrika – eine Besonderhe­it der internatio­nal ausgericht­eten Mannschaft aus dem Saarland.
FOTO: BERND THISSEN/DPA Der deutsche Rad-Profi Niko Holler vom Team Bike Aid aus Blieskaste­l führte auf der ersten Etappe der Deutschlan­d-Tour von Hannover nach Halberstad­t zwischenze­itlich eine Ausreißerg­ruppe an. Zu seiner Mannschaft gehören mehrere Fahrer aus Afrika – eine Besonderhe­it der internatio­nal ausgericht­eten Mannschaft aus dem Saarland.
 ?? FOTO: JOHANNES A. BODWING ?? Mehr als 100 000 Euro sammelte Bike Aid mit dem LC Rehlingen und dem Verein Nippelspan­ner für den gelähmten Luca Biwer.
FOTO: JOHANNES A. BODWING Mehr als 100 000 Euro sammelte Bike Aid mit dem LC Rehlingen und dem Verein Nippelspan­ner für den gelähmten Luca Biwer.

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