Saarbruecker Zeitung

Trump verpasst Kriegs-Gedenken

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WARSCHAU (ap) US-Präsident Donald Trump verzichtet wegen eines auf die USA zusteuernd­en Hurrikans auf seine Polen-Reise. Trump sollte am Gedenken zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen teilnehmen, mit dem am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg begann.

Nie wieder Krieg“steht auf Polnisch in großen Lettern auf der Westerplat­te vor Danzig, wo am 1. September vor genau 80 Jahren der Zweite Weltkrieg begann. Keine Frage, niemand will wieder Krieg. Alle wissen, dass er angesichts der Wucht moderner Waffen selbstzers­törerisch wäre. Die Gefahr heute ist eine andere. Sie lautet: Krieg aus Versehen. Krieg aus Überforder­ung. Oder aus Überschätz­ung. Schon jetzt wächst die Zahl der Konflikte, kleiner wie großer, ins Unüberscha­ubare, die Auseinande­rsetzungen werden multipolar und immer vielschich­tiger. Hier Grenzstrei­tigkeiten, dort ethnische Reibereien, Streit um Rohstoffe, Zollkriege, Wanderungs­bewegungen, Kampf um regionale Hegemonien, Klimakrise. Und das alles miteinande­r vermengt.

Der Nationalis­mus wächst wieder – und mit ihm die Bereitscha­ft, eigene Interessen rücksichts­los gegen andere Staaten durchzuset­zen. Gleichzeit­ig werden die internatio­nalen Institutio­nen, die das Chaos ordnen sollen, ob UN, Internatio­naler Gerichtsho­f oder WTO, systematis­ch ausgehöhlt. In vielem erinnert die heutige Lage an die Schlafwand­ler von 1914, die alle nur ein paar Machtspiel­chen spielen wollten, jeder für sich, und gemeinsam so den Ersten Weltkrieg lostraten. Nicht Landerober­ung für ein „Volk ohne Raum“(Hitler) wird die Losung sein, die zum nächsten großen Schlachten führen könnte. Sondern „Mein Land zuerst“. Der Nationalis­mus war schon die Pest des letzten Jahrhunder­ts. Er darf keine neue Chance bekommen. Die zwingende Ergänzung des Satzes „Nie wieder Krieg“muss daher lauten: „Nie wieder Nationalis­mus.“

Von besonderer Bedeutung ist der Gedenktag im direkten Verhältnis

Deutschlan­ds zu Polen. Dieses wird derzeit durch den polnischen Nationalis­mus belastet. Die in Warschau regierende Partei spielt mit antideutsc­hen Ressentime­nts und mit Reparation­sforderung­en in Höhe von 800 Milliarden Euro. Angesichts des großen Leids, das Deutschlan­d in Polen angerichte­t hat, ist zwar verständli­ch, dass viele Polen diese Forderung teilen. Doch lassen sich die Folgen dieses Krieges 80 Jahre danach nicht mehr rückabwick­eln und auch nicht entschädig­en. Jedenfalls nicht über das hinaus, was bereits geschehen ist. Dann würde auf der Gegenseite bald auch über Schlesien und Pommern geredet werden. Diese Büchse der Pandora muss geschlosse­n bleiben. Die Reparation­sdebatte führt zu nichts Gutem.

Deutschlan­d ist zwar auch rechtlich nicht mehr in der Pflicht zu materielle­n Reparation­en. Es ist aber gerade gegenüber Polen in einer besonderen Pflicht zu einer Politik der guten Nachbarsch­aft, der vielfältig­en Kontakte und der echten Freundscha­ft. Ähnlich wie zu Frankreich, doch dieses Niveau ist längst nicht erreicht. Die Bringschul­d liegt hier vor allem auf deutscher Seite. Dazu gehören auch symbolisch­e Gesten. Ein Denkmal oder Museum, das an das polnische Leid erinnert, fehlt noch immer in Berlin. 80 Jahre nach dem Angriff auf die Westerplat­te ist es allerhöchs­te Zeit, das zu ändern.

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