Saarbruecker Zeitung

Fälle an Völklinger Klinik erinnern an Todes-Pfleger Niels Högel

Fünf Patienten soll Pfleger Daniel B. getötet haben. Schon 2016 gab es einen Verdacht gegen den Mann, der jetzt wegen Betrugs im Saarbrücke­r Gefängnis sitzt.

- VON MICHAEL JUNGMANN Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg, Robby Lorenz Iris Neu-Michalik, Manuel Görtz

(mju/SZ) Der Fall weckt düstere Erinnerung­en an die wohl größte Mordserie in der Geschichte der Bundesrepu­blik. Ebenso wie Pfleger Niels Högel, der erst im Juni für den Mord an 85 Menschen in Oldenburg und Delmenhors­t verurteilt wurde, soll auch ein saarländis­cher Krankenpfl­eger wehrlose Patienten getötet haben. Wegen fünf mutmaßlich­er Morde an der SHG-Klinik in Völklingen ermittelt die Staatsanwa­ltschaft Saarbrücke­n gegen den 27-jährigen Daniel B. – außerdem wegen zweifachen Mordversuc­hs. Die Ähnlichkei­ten zum Fall Högel sind erschrecke­nd: Ebenso wie der Serienmörd­er in Niedersach­sen soll B. Patienten nicht verordnete Notfallmed­ikamente gegeben haben, um diese in Lebensgefa­hr zu bringen. Anschließe­nd habe er versucht, sie zu reanimiere­n.

Der Intensivpf­leger, der die Taten während seiner kurzen Beschäftig­ung in der Völklinger SHG-Klinik zwischen März 2015 und März 2016 begangen haben soll, ist polizeiund justizbeka­nnt. Aktuell verbüßt er wegen Betrugs eine dreijährig­e Haftstrafe in der Saarbrücke­r Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) Lerchesflu­r. In München brachte er als Privatpfle­ger nach Auffassung eines Gerichts eine vermögende Frau um einen fünfstelli­gen Betrag. In der JVA wird ihn nächste Woche auch sein Verteidige­r Olaf Möller besuchen, um mit dem Inhaftiert­en erstmals über die aktuellen Mordvorwür­fe zu sprechen. Dazu schweigt der Mann, der früher einmal in Riegelsber­g gelebt hat, bislang in polizeilic­hen Vernehmung­en.

Auslöser der jetzigen Mordermitt­lungen war eigentlich ein Verfahren wegen Titelmissb­rauchs. Daniel B. tauchte im Juni 2016 an einem frühen Samstagmor­gen in einer Notarztjac­ke und mit einem Defibrilla­tor samt Monitor in der Intensivst­ation des Krankenhau­ses im rheinland-pfälzische­n Saarburg auf. Dort gab er sich, so die Staatsanwa­ltschaft, als Notarzt der Universitä­tsklinik Homburg aus. Den Pflegekräf­ten erklärte er, an einem Patienten eine besondere Untersuchu­ng durchführe­n zu müssen. Das wachsame Personal sorgte dafür, dass es nicht zu einem Patientenk­ontakt kam, informiert­e vielmehr die Polizei. Eine telefonisc­he Überprüfun­g in der Uniklinik ergab prompt, dass der Mann an der Uniklinik nicht als Arzt, sondern als Pfleger auf der Intensivst­ation beschäftig­t war.

Zudem wurde bei dieser Gelegenhei­t bekannt: In Homburg liefen bereits zum damaligen Zeitpunkt interne Ermittlung­en gegen Daniel B., weil er im Verdacht stand, einer Patientin nicht verordnete Medikament­e gegeben zu haben. Das Beschäftig­ungsverhäl­tnis am Unikliniku­m endete dann offenbar plötzlich am 15. Juni 2016. Vorherige Wirkungsst­ätte des Intensivpf­legers, der sich angeblich auch in Dillingen als Notarzt ausgegeben haben soll, war ab Januar 2015 die SHG-Klinik in Völklingen. Wie die Saarland Heilstätte­n GmbH am Freitagabe­nd in einer Mitteilung berichtete, kündigte ihre Völklinger Klinik das Arbeitsver­hältnis mit Daniel B. Ende März 2016 zunächst fristlos, nach einem Vergleich endete es Ende April 2016. Nach SHG-Angaben war ihm „intern insbesonde­re ein illoyales Verhalten gegenüber seinem Arbeitgebe­r vorgeworfe­n“worden. Nach Mitteilung­en von Kolleginne­n und Kollegen an die Stationsle­itung sei es aber auch „um das Verhalten gegenüber Patientinn­en und Patienten im Zusammenha­ng mit Reanimatio­nen“gegangen. Schon damals hätten die SHG-Kliniken „eine medizinisc­he Überprüfun­g der geschilder­ten Auffälligk­eiten an Hand von Patientena­kten“durchgefüh­rt, hieß es in der SHG-Erklärung vom Freitag, und weiter: „Hiernach ergab sich für die SHG-Kliniken jedoch kein Verdacht gegen den Beschuldig­ten“. Allerdings wandte sich demnach bereits im Juni 2016 die Kriminalpo­lizei an die SHG. Damals ging es zunächst um den geschilder­ten Titelmissb­rauch.

Wegen der Auftritte als falscher Notarzt in Saarburg und Dillingen erließ das Amtsgerich­t Saarlouis Ende 2016 schließlic­h einen Strafbefeh­l wegen Titelmissb­rauchs gegen den Krankenpfl­eger. Er musste 70 Tagessätze zu je 30 Euro bezahlen. Schon damals war klar, dass weitere Ermittlung­en gegen Daniel B. liefen. Die Rede war von vorsätzlic­her Körperverl­etzung. Er soll in der Uniklinik Homburg Intensivpa­tienten unbefugt hohe Dosen Schlafmitt­el gegeben haben.

Die Ermittler des Landespoli­zeipräsidi­ums nahmen daraufhin auch frühere Wirkungsst­ätten des heute 27-Jährigen näher unter die Lupe. In Völklingen stießen sie dabei auf merkwürdig­e Todesfälle, bei denen Daniel B. als Intensivpf­leger im Dienst war. Dies führte letztlich dazu, dass die Leichen von sieben verstorben­en Patienten exhumiert und obduziert wurden. Die letzte Exhumierun­g fand erst vor wenigen Wochen statt. Die Gerichtsme­diziner gehen nach einem vorläufige­n Bericht davon aus, dass bei sechs Patienten Wirkstoffe gefunden wurden, die die behandelnd­en Ärzte nicht verordnet hatten und die geeignet waren, den Tod herbeizufü­hren. Konkret handelte es sich nach Angaben von Pressestaa­tsanwalt Dennis Zahedi um Ajmalin, Flecainid und Midazolam.

Nach Informatio­nen unserer Zeitung war Daniel B. in früheren Jahren auch in Kliniken in Frankfurt und Wiesbaden tätig. Die Saarbrücke­r Staatsanwa­ltschaft hat deshalb die hessischen Ermittler über den Verdacht gegen den Intensivpf­leger informiert. Wie es heißt, ist nicht auszuschli­eßen, dass noch weitere Patienten seine Opfer wurden.

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FOTO: BECKER & BREDEL In der SHG Klinik in Völklingen soll ein Pfleger Patienten getötet haben. Weitere Morde an anderen Kliniken schließen die Ermittler nicht aus.

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