Fälle an Völklinger Klinik erinnern an Todes-Pfleger Niels Högel
Fünf Patienten soll Pfleger Daniel B. getötet haben. Schon 2016 gab es einen Verdacht gegen den Mann, der jetzt wegen Betrugs im Saarbrücker Gefängnis sitzt.
(mju/SZ) Der Fall weckt düstere Erinnerungen an die wohl größte Mordserie in der Geschichte der Bundesrepublik. Ebenso wie Pfleger Niels Högel, der erst im Juni für den Mord an 85 Menschen in Oldenburg und Delmenhorst verurteilt wurde, soll auch ein saarländischer Krankenpfleger wehrlose Patienten getötet haben. Wegen fünf mutmaßlicher Morde an der SHG-Klinik in Völklingen ermittelt die Staatsanwaltschaft Saarbrücken gegen den 27-jährigen Daniel B. – außerdem wegen zweifachen Mordversuchs. Die Ähnlichkeiten zum Fall Högel sind erschreckend: Ebenso wie der Serienmörder in Niedersachsen soll B. Patienten nicht verordnete Notfallmedikamente gegeben haben, um diese in Lebensgefahr zu bringen. Anschließend habe er versucht, sie zu reanimieren.
Der Intensivpfleger, der die Taten während seiner kurzen Beschäftigung in der Völklinger SHG-Klinik zwischen März 2015 und März 2016 begangen haben soll, ist polizeiund justizbekannt. Aktuell verbüßt er wegen Betrugs eine dreijährige Haftstrafe in der Saarbrücker Justizvollzugsanstalt (JVA) Lerchesflur. In München brachte er als Privatpfleger nach Auffassung eines Gerichts eine vermögende Frau um einen fünfstelligen Betrag. In der JVA wird ihn nächste Woche auch sein Verteidiger Olaf Möller besuchen, um mit dem Inhaftierten erstmals über die aktuellen Mordvorwürfe zu sprechen. Dazu schweigt der Mann, der früher einmal in Riegelsberg gelebt hat, bislang in polizeilichen Vernehmungen.
Auslöser der jetzigen Mordermittlungen war eigentlich ein Verfahren wegen Titelmissbrauchs. Daniel B. tauchte im Juni 2016 an einem frühen Samstagmorgen in einer Notarztjacke und mit einem Defibrillator samt Monitor in der Intensivstation des Krankenhauses im rheinland-pfälzischen Saarburg auf. Dort gab er sich, so die Staatsanwaltschaft, als Notarzt der Universitätsklinik Homburg aus. Den Pflegekräften erklärte er, an einem Patienten eine besondere Untersuchung durchführen zu müssen. Das wachsame Personal sorgte dafür, dass es nicht zu einem Patientenkontakt kam, informierte vielmehr die Polizei. Eine telefonische Überprüfung in der Uniklinik ergab prompt, dass der Mann an der Uniklinik nicht als Arzt, sondern als Pfleger auf der Intensivstation beschäftigt war.
Zudem wurde bei dieser Gelegenheit bekannt: In Homburg liefen bereits zum damaligen Zeitpunkt interne Ermittlungen gegen Daniel B., weil er im Verdacht stand, einer Patientin nicht verordnete Medikamente gegeben zu haben. Das Beschäftigungsverhältnis am Uniklinikum endete dann offenbar plötzlich am 15. Juni 2016. Vorherige Wirkungsstätte des Intensivpflegers, der sich angeblich auch in Dillingen als Notarzt ausgegeben haben soll, war ab Januar 2015 die SHG-Klinik in Völklingen. Wie die Saarland Heilstätten GmbH am Freitagabend in einer Mitteilung berichtete, kündigte ihre Völklinger Klinik das Arbeitsverhältnis mit Daniel B. Ende März 2016 zunächst fristlos, nach einem Vergleich endete es Ende April 2016. Nach SHG-Angaben war ihm „intern insbesondere ein illoyales Verhalten gegenüber seinem Arbeitgeber vorgeworfen“worden. Nach Mitteilungen von Kolleginnen und Kollegen an die Stationsleitung sei es aber auch „um das Verhalten gegenüber Patientinnen und Patienten im Zusammenhang mit Reanimationen“gegangen. Schon damals hätten die SHG-Kliniken „eine medizinische Überprüfung der geschilderten Auffälligkeiten an Hand von Patientenakten“durchgeführt, hieß es in der SHG-Erklärung vom Freitag, und weiter: „Hiernach ergab sich für die SHG-Kliniken jedoch kein Verdacht gegen den Beschuldigten“. Allerdings wandte sich demnach bereits im Juni 2016 die Kriminalpolizei an die SHG. Damals ging es zunächst um den geschilderten Titelmissbrauch.
Wegen der Auftritte als falscher Notarzt in Saarburg und Dillingen erließ das Amtsgericht Saarlouis Ende 2016 schließlich einen Strafbefehl wegen Titelmissbrauchs gegen den Krankenpfleger. Er musste 70 Tagessätze zu je 30 Euro bezahlen. Schon damals war klar, dass weitere Ermittlungen gegen Daniel B. liefen. Die Rede war von vorsätzlicher Körperverletzung. Er soll in der Uniklinik Homburg Intensivpatienten unbefugt hohe Dosen Schlafmittel gegeben haben.
Die Ermittler des Landespolizeipräsidiums nahmen daraufhin auch frühere Wirkungsstätten des heute 27-Jährigen näher unter die Lupe. In Völklingen stießen sie dabei auf merkwürdige Todesfälle, bei denen Daniel B. als Intensivpfleger im Dienst war. Dies führte letztlich dazu, dass die Leichen von sieben verstorbenen Patienten exhumiert und obduziert wurden. Die letzte Exhumierung fand erst vor wenigen Wochen statt. Die Gerichtsmediziner gehen nach einem vorläufigen Bericht davon aus, dass bei sechs Patienten Wirkstoffe gefunden wurden, die die behandelnden Ärzte nicht verordnet hatten und die geeignet waren, den Tod herbeizuführen. Konkret handelte es sich nach Angaben von Pressestaatsanwalt Dennis Zahedi um Ajmalin, Flecainid und Midazolam.
Nach Informationen unserer Zeitung war Daniel B. in früheren Jahren auch in Kliniken in Frankfurt und Wiesbaden tätig. Die Saarbrücker Staatsanwaltschaft hat deshalb die hessischen Ermittler über den Verdacht gegen den Intensivpfleger informiert. Wie es heißt, ist nicht auszuschließen, dass noch weitere Patienten seine Opfer wurden.