Naturschutz im Saarland ohne Gegner?
Bei einer Diskussionsveranstaltung in Perl übten sich Umweltschützer und Landwirte in Harmonie.
Im Saarland ist die Welt noch in Ordnung. Diesen Eindruck musste man jedenfalls bei der ELER-Jahresveranstaltung in der römischen Villa Borg in Perl haben. Die Abkürzung steht für den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums. Zum dritten Mal hatte das saarländische Umweltministerium eine solche Diskussion veranstaltet, die sich dieses Mal um die anderswo gegensätzlichen Pole landwirtschaftliche Nutzung und Naturschutz drehte. „In Bayern haben sie sich bei diesem Thema meistens zerfleischt“, meinte der Youtuber Benjamin Tüxen, der als Redner eingeladen war. Im Saarland sieht das anders aus. Auch Moderator Jürgen Albers beklagte, er fühle sich geradezu unbehaglich bei so viel Eintracht. Und das, obwohl die Villa Borg unweit des Renglischbergs liegt, wo sich Bauern und Umweltschützer jüngst heftig wegen des Mornellregenpfeifers stritten.
Die eventuell als mögliche Kontrahenten vorgesehenen Vertreter von Naturschutz und Waldwirtschaft, BUND-Saar-Landesvorsitzender Christoph Hassel und der Leiter des Saarforst-Landesbetriebs Michael Klein, gaben sich tatsächlich extrem harmonisch. „Beim Thema Landnutzung sind wir relativ eng zusammen“, meinte ersterer – während Klein sagte, er sehe die Eintracht darin begründet, dass „hier Leute am Tisch sitzen, die vernünftig sind, die alle sehen, dass Landnutzung nicht das Problem, sondern die Lösung ist.“
Auch die Wortbeiträge aus dem Publikum fielen eher sachlich und wenig kritisch aus. Nur ein Teilnehmer beklagte das Sterben der Bauernhöfe und dass die Politik dagegen wenig unternehme, was Umweltminister Reinhold Jost (SPD) aber nicht auf sich sitzen ließ: „Das ist uns im Saarland nicht egal. Das ist aber keine Frage der Politik, ob jemand aus der Familie den Hof weiterführen will, wir können da höchstens Hilfestellung geben.“
Die große Harmonie erklärte Jost damit, dass er von Anfang an ideologiefrei auf die Themen zugegangen sei. „Im Bereich Jagd war die Stimmung versaut“, sagte er. Er habe dann Treffen veranstaltet, wo beide Seiten aufeinander zugehen mussten. Außerdem, meinte der Minister, habe er nie Streit führen wollen, nur um zu zeigen, wer die „dickeren Backen“habe.
Youtuber Tüxel hatte zuvor einen Vortrag zum Thema Landnutzungskonflikte gehalten. Der 34-Jährige ist seit drei Jahren mit seinem Youtube-Kanal „EinMannimWald“erfolgreich und verzeichnet dort 26 000 Abonnenten. Seinen Master hat er in Forstwissenschaften gemacht, er arbeitet jetzt hauptberuflich, wie er es nennt, als „Walderklärer“. Als Intensivnutzer des Waldes bezeichnete Tüxel Pilzesammler, Waldläufer und „Bushcrafter“oder „Survivalisten“: Das sind abenteuerlustige Menschen, die versuchen, über einen längeren Zeitraum im Wald zu überleben. Diese Leute würden, so Tüxel, immer mehr. Damit würden natürlich auch die Probleme wachsen, denn Zelten und Feuermachen sind im Wald verboten. Eine Lösung könnten eigens ausgewiesene Flächen für die Überlebenskünstler sein. Ähnlich könne man das mit den Mountainbikern handhaben, wenn diese Strecken bekämen, auf denen sie nicht illegal unterwegs sind. Eine weitere Idee von Tüxel ist ein so genannter Waldführerschein, den jeder machen sollte, der sich gerne im Wald aufhält.
Vormittags hatten die Teilnehmer ELER-Jahresveranstaltung bereits den Vortrag von Franziska Nicke gehört, der Fachbereichsleiterin pflanzliche Erzeugung bei der Landwirtschaftskammer. Sie stellte die unterschiedlichen Perspektiven der Landwirtschaft und des Naturschutzes gegenüber. Bei den Lösungsansätzen stellte sie die ELER-Förderung in den Vordergrund: Diese zahle den Landwirten den Ausfall bei durch den Naturschutz bedingten Ausfällen. Ihr Fazit fiel wie jenes aller Beteiligten aus: „Landwirtschaft und Naturschutz ist kein wirklicher Konflikt.“