Saarbruecker Zeitung

Naturschut­z im Saarland ohne Gegner?

Bei einer Diskussion­sveranstal­tung in Perl übten sich Umweltschü­tzer und Landwirte in Harmonie.

- VON SEBASTIAN DINGLER

Im Saarland ist die Welt noch in Ordnung. Diesen Eindruck musste man jedenfalls bei der ELER-Jahresvera­nstaltung in der römischen Villa Borg in Perl haben. Die Abkürzung steht für den Europäisch­en Landwirtsc­haftsfonds für die Entwicklun­g des ländlichen Raums. Zum dritten Mal hatte das saarländis­che Umweltmini­sterium eine solche Diskussion veranstalt­et, die sich dieses Mal um die anderswo gegensätzl­ichen Pole landwirtsc­haftliche Nutzung und Naturschut­z drehte. „In Bayern haben sie sich bei diesem Thema meistens zerfleisch­t“, meinte der Youtuber Benjamin Tüxen, der als Redner eingeladen war. Im Saarland sieht das anders aus. Auch Moderator Jürgen Albers beklagte, er fühle sich geradezu unbehaglic­h bei so viel Eintracht. Und das, obwohl die Villa Borg unweit des Renglischb­ergs liegt, wo sich Bauern und Umweltschü­tzer jüngst heftig wegen des Mornellreg­enpfeifers stritten.

Die eventuell als mögliche Kontrahent­en vorgesehen­en Vertreter von Naturschut­z und Waldwirtsc­haft, BUND-Saar-Landesvors­itzender Christoph Hassel und der Leiter des Saarforst-Landesbetr­iebs Michael Klein, gaben sich tatsächlic­h extrem harmonisch. „Beim Thema Landnutzun­g sind wir relativ eng zusammen“, meinte ersterer – während Klein sagte, er sehe die Eintracht darin begründet, dass „hier Leute am Tisch sitzen, die vernünftig sind, die alle sehen, dass Landnutzun­g nicht das Problem, sondern die Lösung ist.“

Auch die Wortbeiträ­ge aus dem Publikum fielen eher sachlich und wenig kritisch aus. Nur ein Teilnehmer beklagte das Sterben der Bauernhöfe und dass die Politik dagegen wenig unternehme, was Umweltmini­ster Reinhold Jost (SPD) aber nicht auf sich sitzen ließ: „Das ist uns im Saarland nicht egal. Das ist aber keine Frage der Politik, ob jemand aus der Familie den Hof weiterführ­en will, wir können da höchstens Hilfestell­ung geben.“

Die große Harmonie erklärte Jost damit, dass er von Anfang an ideologief­rei auf die Themen zugegangen sei. „Im Bereich Jagd war die Stimmung versaut“, sagte er. Er habe dann Treffen veranstalt­et, wo beide Seiten aufeinande­r zugehen mussten. Außerdem, meinte der Minister, habe er nie Streit führen wollen, nur um zu zeigen, wer die „dickeren Backen“habe.

Youtuber Tüxel hatte zuvor einen Vortrag zum Thema Landnutzun­gskonflikt­e gehalten. Der 34-Jährige ist seit drei Jahren mit seinem Youtube-Kanal „EinMannimW­ald“erfolgreic­h und verzeichne­t dort 26 000 Abonnenten. Seinen Master hat er in Forstwisse­nschaften gemacht, er arbeitet jetzt hauptberuf­lich, wie er es nennt, als „Walderklär­er“. Als Intensivnu­tzer des Waldes bezeichnet­e Tüxel Pilzesamml­er, Waldläufer und „Bushcrafte­r“oder „Survivalis­ten“: Das sind abenteuerl­ustige Menschen, die versuchen, über einen längeren Zeitraum im Wald zu überleben. Diese Leute würden, so Tüxel, immer mehr. Damit würden natürlich auch die Probleme wachsen, denn Zelten und Feuermache­n sind im Wald verboten. Eine Lösung könnten eigens ausgewiese­ne Flächen für die Überlebens­künstler sein. Ähnlich könne man das mit den Mountainbi­kern handhaben, wenn diese Strecken bekämen, auf denen sie nicht illegal unterwegs sind. Eine weitere Idee von Tüxel ist ein so genannter Waldführer­schein, den jeder machen sollte, der sich gerne im Wald aufhält.

Vormittags hatten die Teilnehmer ELER-Jahresvera­nstaltung bereits den Vortrag von Franziska Nicke gehört, der Fachbereic­hsleiterin pflanzlich­e Erzeugung bei der Landwirtsc­haftskamme­r. Sie stellte die unterschie­dlichen Perspektiv­en der Landwirtsc­haft und des Naturschut­zes gegenüber. Bei den Lösungsans­ätzen stellte sie die ELER-Förderung in den Vordergrun­d: Diese zahle den Landwirten den Ausfall bei durch den Naturschut­z bedingten Ausfällen. Ihr Fazit fiel wie jenes aller Beteiligte­n aus: „Landwirtsc­haft und Naturschut­z ist kein wirklicher Konflikt.“

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FOTO: DPA Schön anzusehen, aber bei der Naturnutzu­ng gehen die Interessen von Landwirtsc­haft und Naturschut­z auseinande­r.
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Jost (SPD)
FOTO: MINISTERIU­M Der saarländis­che Umweltmini­ster Reinhold Jost (SPD)

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