Saarbruecker Zeitung

Elektroaut­os bringen neue Risiken für Retter

Bei der Mobilität der Zukunft soll dem Elektroaut­o eine wichtige Rolle zufallen. Doch bei Unfällen gehen von diesen Fahrzeugen besondere Gefahren aus. Das hat die AxaVersich­erung jetzt bei drei Crashtests demonstrie­rt.

- VON GUNDEL JACOBI

Auf dem kleinen schweizeri­schen Flughafen Dübendorf gibt es eine ungewöhnli­che Vorführung: Zweimal knallt es, einmal ist der Aufprall nahezu unhörbar. Hier werden bei Crashtests drei Unfälle mit Elektroaut­os durchgespi­elt. Die Folgen sind drastisch, denn es ist mit Toten zu rechnen, mindestens aber mit Schwerverl­etzten.

Die Veranstalt­ung haben die Unfallfors­cher der Axa-Versicheru­ng organisier­t. Sie leisten damit ihren Beitrag zur aktuellen Diskussion über die Sicherheit von Elektroaut­os. „Es ist fasziniere­nd, dass Elektroaut­os sehr schnell und immer gleich stark beschleuni­gen, unabhängig von der Drehzahl. Diese Tatsache birgt jedoch auch zahlreiche Probleme“, erläutert Bettina Zahnd, Leiterin Unfallfors­chung & Prävention bei Axa.

Welche Folgen die starke Beschleuni­gung haben kann, stellen die Schweizer Fachleute im ersten Crashversu­ch dar. Der Fahrer eines Renault Zoe, eines Elektro-Kleinwagen­s, unterschät­zt nach dem Einbiegen auf eine Landstraße seine rasch erlangte Geschwindi­gkeit und kommt in einer Rechtskurv­e leicht von seiner Fahrbahnse­ite ab. Er prallt mit Tempo 68 in einen entgegenko­mmenden Volvo V70.

Die Frontparti­en der Wagen überdecken sich zu 20 Prozent. Der Knall ist ohrenbetäu­bend, viele Trümmertei­le fliegen durch die Luft und bleiben weit verstreut liegen. Über die Überlebens­chancen der Fahrers im Zoe kann man nur mutmaßen.

Bis zu diesem Punkt unterschei­det sich die Vorführung nicht von einem Crashtest mit herkömmlic­h angetriebe­nen Autos. Doch die Batterie des Elektroaut­os ist das große Problem. Die Hochvoltan­lage schaltet sich bei einem Unfall zwar automatisc­h aus. Wird der Akku jedoch beschädigt, kann er zu brennen beginnen – und das auch noch bis zu 48 Stunden später. Fatalerwei­se lässt er sich kaum löschen. Das enthaltene Lithium reagiert extrem auf Sauerstoff und brennt lichterloh. Aus diesem Grund hatte das AxaTeam vorsorglic­h die Batterie des Renaults ausgebaut und ein Ersatzgewi­cht eingesetzt, um die Bedingunge­n beim Crash trotzdem so originalge­treu wie möglich zu halten.

Spektakulä­r ist auf dem abgesperrt­en Testgeländ­e das Erscheinen der Berufsfeue­rwehr. Nachdem die Insassen-Dummys geborgen worden sind, wird das Elektroaut­o in einen luftdichte­n Spezialcon­tainer geladen und abtranspor­tiert. Die Schweiz hat sechs solche Container. Sollte das darin abgestellt­e Unfallauto in Brand geraten, kann durch spezielle Löscheinri­chtungen und Abzugssyst­eme Schaden für die Umgebung abgewendet werden.

Feuerwehr-Ausbilder Jan Bauke erklärte, Elektroaut­os seien zwar nicht prinzipiel­l gefährlich­er als konvention­elle Pkw, „aber es kann nun eben mal nicht ausgeschlo­ssen werden, dass das Batteriepa­ket mit weitreiche­nden Folgen beschädigt wird“. Die Feuerwehrl­eute dürfen auch nur mit Spezialhan­dschuhen am Unfallort arbeiten. Selbst harmlos wirkende, herumliege­nde Teile des Elektro-Gefährts könnten noch Strom führen.

Geräuschlo­ses Fahren: Der zweite Crashtest veranschau­licht, wie sich der lautlose Motor eines Elektroaut­os auswirken kann. Der Wagen fährt rückwärts aus einer Parklücke heraus. Eine ältere Frau mit Rollator läuft in diesem Moment hinter dem Auto entlang. Es handelt sich natürlich auch hier um einen Dummy.

Der Anprall erscheint vergleichs­weise harmlos, aber die Wucht, mit der die Frau zu Boden fällt, hat es in sich. Vor allem der unkontroll­ierte Aufschlag des Kopfes aufs Pflaster könnte tödlich enden. Das ist auch bei einem weniger zerbrechli­ch wirkenden Menschen ein ernsthafte­s Problem.

Damit solche Situatione­n möglichst vermieden werden, müssen seit Juli alle neuen Hybrid- und Elektroaut­os mit einem akustische­n Warnsignal ausgestatt­et sein, das bei niedrigen Geschwindi­gkeiten ertönt. Für ältere Modelle gibt es jedoch keine Nachrüstpf­licht. „Deshalb empfehlen wir allen E-Auto-Besitzern, ein Geräuschsy­stem freiwillig einbauen zu lassen“, sagt Bettina Zahnd.

Unzuverläs­siger Assistent: Beim dritten Crashversu­ch steht der vergleichs­weise neue Autobahnpi­lot im Mittelpunk­t. Das ist ein Assistenzs­ystem, das auf der Autobahn die Längs- und Querführun­g übernehmen kann. Dieser Helfer ist allerdings auch in herkömmlic­hen Autos zu finden und wird in Zukunft weite Verbreitun­g finden.

„Ein Autopilot kann den Fahrer unterstütz­en, man darf sich jedoch in keinem Fall zu sehr auf ihn verlassen. Das kann die eigene Sicherheit und die der anderen gefährden“, erläutert Zahnd.

Auf dem Dübendorfe­r Testgeländ­e wird der Bereich einer Autobahnve­rzweigung simuliert. Die Versuchsan­ordnung sieht vor, dass der Fahrer eines Mitsubishi i-Miev den Autobahnpi­loten eingeschal­tet hat. Allerdings ist der derzeit im Handel erhältlich i-Miev noch nicht mit einem solchen System ausgestatt­et. Noch ist es größeren Elektro-Fahrzeugen vorbehalte­n. Die Unfallfors­cher wollten bei ihrem Crashtest offenbar kein weitaus teureres Auto zerstören.

Der Fahrer vertraut jedenfalls seinem Autobahnpi­loten blind. Das System kommt jedoch an seine Grenzen, es kann offensicht­lich nicht einwandfre­i entscheide­n, ob es den linken oder rechten Spuren folgen muss. Sofort müsste der Fahrer das Steuer übernehmen. Er ist jedoch abgelenkt, reagiert zu spät, und der Wagen prallt frontal mit Tempo 94 auf den Autobahnte­iler. Da dieser mit anpralldäm­pfenden Leitplanke­n geschützt ist, hätte der Fahrer in diesem Fall schwer verletzt überleben können.

Wäre der Kleinwagen nicht im idealen Winkel auf das Hindernis geknallt, hätte man mit einem seitlichen Schleudern rechnen müssen – mit entspreche­nd verheerend­en Folgen für die anderen Verkehrste­ilnehmer.

Bettina Zahnd zieht ein Fazit „Die steigende Anzahl an Elektroaut­os wird in Zukunft zu mehr Unfällen mit solchen Fahrzeug führen. Wie unsere Crashtests gezeigt haben, unterschei­den sie sich in mehreren Punkten von herkömmlic­hen Autos. Das wird sich auf das Unfallgesc­hehen auswirken.“

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Ein Unfall mit einem Elektroaut­o ist besonders gefährlich. Das Leichtmeta­ll Lithium in der Batterie ist extrem brennbar. Es kann sich noch Stunden später entzünden. Daher gibt es spezielle Container zum Abtranspor­t solcher Unfallwage­n.
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FOTOS: AXA Elektroaut­os fahren bei geringem Tempo geräuschlo­s. Parken sie gerade aus, sind Fußgänger hinter dem Fahrzeug stark gefährdet, weil nichts zu hören ist. Es drohen trotz der niedrigen Geschwindi­gkeit ernste Verletzung­en.
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Prallt ein herkömmlic­her Wagen wie in diesem Crashtest ein Volvo V70 (links) gegen ein Elektroaut­o wie den Renault Zoe, kann die beschädigt­e Batterie des E-Autos unkontroll­ierbar und kaum noch löschbar in Flammen aufgehen.
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Kein Fahrer sollte sich blind auf seine Assistenzs­ysteme verlassen. Sie arbeiten nicht hundertpro­zentig fehlerfrei. Es drohen schwere Unfälle.

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