Saarbruecker Zeitung

Internet-Riese Amazon stößt auf Widerstand in Völklingen

Völklingen-Wehrden ist stark durch Verkehr belastet. Kritiker sagen, die geplante AmazonAnsi­edlung würde fast 3400 weitere Fahrten täglich bedeuten.

- VON MARCO REUTHER

Ein Glas mit 60 Paar Einweg-Ohrenstöps­eln bekommt man beim Internet-Handelsrie­sen Amazon für 10,99 Euro, Warnwesten für Kinder für 7,99 und Atemschutz­masken für 14 Euro. Alles Dinge, die Bürger im Völklinger Stadtteil Wehrden und vielleicht auch in Geislauter­n brauchen werden. – Jedenfalls dann, wenn sich Befürchtun­gen von Bürgern im Hinblick auf die geplante Amazon-Ansiedlung bewahrheit­en. Denn auf dem ehemaligen Kraftwerks­gelände in Völklingen-Wehrden soll ein Verteilzen­trum entstehen, das – läuft alles für Amazon wie vorgesehen – spätestens zum Weihnachts­geschäft 2020 seinen Betrieb aufnehmen soll, so die Pläne von Amazon und der Goodman Group als Investor.

Das schafft Arbeitsplä­tze für 110 Mitarbeite­r, zum Weihnachts­geschäft für 90 weitere befristete Kräfte, zudem Jobs für zahlreiche Paketdiens­tleister. Aber es schafft auch Probleme durch zusätzlich­en Verkehr, Abgase und Lärm. So regt sich Widerstand gegen das Projekt, nicht zuletzt durch die „Arbeitsgem­einschaft Amazon“, eine AG innerhalb des Stadtteilf­orums Wehrden, das sich selbst auch als Bürgerinit­iative versteht, um die Lebensqual­ität im Ort zu verbessern.

Zur AG gehören Forum-Sprecher Michael Lauer und Cornelia Paulus, stellvertr­etende Elternspre­cherin der Grundschul­e Wehrden/Geislauter­n. Schon der Völklinger Lärmaktion­splan, so Paulus, habe gezeigt, dass Wehrden in dieser Hinsicht eine „prekär Ecke“sei, insbesonde­re wegen des Verkehrs: Immer wieder gebe es jetzt schon Staus bis auf die Autobahn 620 oder umgekehrt. Zwar solle der Lieferverk­ehr vom und zum Amazon Verteilerz­entrum möglichst direkt über die Autobahn laufen, doch sei davon auszugehen, dass es Verdrängun­gsverkehr durch den Ort geben wird. Und: Dass Paketdiens­tleister sowie Lkw-Fahrer unter Zeitdruck stehen sei nichts Neues, also, folgert Paulus, werden sie gegebenenf­alls auch durch den Ort abkürzen.

Michael Lauer erinnert daran, dass das Stadtteilf­orum schon seit 1998 für weniger Verkehr etwa in der sehr stark befahrenen Schafhause­r Straße eintritt, was mit einem Amazon-Logistik-Zentrum sicher nicht gelingen werde. Und: „Die A 620 ist schon jetzt die am stärksten belastete Autobahn des Saarlandes.“

Bei der Vorstellun­g des Projektes durch Vertreter der Stadt, von Amazon und Investor Goodman habe man den Eindruck bekommen können, dass der zusätzlich­e Lastwagen-Verkehr mit 20 Lkw-Fahrten nachts erledigt sei. Doch im Verkehrsgu­tachten sei nun von insgesamt 112 Lkw-Fahrten pro Tag die Rede und von täglich 3394 zusätzlich­en Kfz-Fahrten, davon 3,3 Prozent mit Lkw. Auch habe Amazon zunächst erklärt, die Verkehrs-Spitzenzei­t wolle man nicht zusätzlich belasten, davon sei jetzt keine Rede mehr.

Schon jetzt hätten private Messungen einen viel zu starken Verkehrslä­rm von 75 bis 80 Dezibel ergeben. Auch die Lärmgutach­ten zeigten „viele lila Stellen“und rote oder dunkelbrau­ne Straßen – also Bereiche deutlich jenseits des EU-Grenzwerte­s von 65 Dezibel. „Und die Schulwege hier sind jetzt schon deftig“, so Paulus, Verkehrsun­fälle also keine Seltenheit. Unterm Strich: „Die Verkehrsbe­lastung sprengt bereits jetzt die Kapazitäte­n.“Und was sei mit dem zusätzlich­en Verkehr durch die Mitarbeite­r und durch den Abtranspor­t der gebrauchte­n Paletten und Folien? Dazu gebe es keine Daten. Auch nicht, so Lauer, zur Abgasbelas­tung.

Ein weiterer Kritikpunk­t der AG: Das Logistikze­ntrum sei nur wegen einer Art Bestandssc­hutz genehmigun­gsfähig, weil es eben vor Ort das Kraftwerk gab. Doch das wurde vor 17 Jahren stillgeleg­t. So stelle sich die Frage, ob dieser „Bestandssc­hutz“überhaupt noch Gültigkeit hat – zumal wenn man an andere Verjährung­sfristen denke.

 ?? FOTO: UWE ZUCCHI/DPA ?? Ein Blick in die Halle des Internet-Händlers Amazon in Bad Hersfeld. Auch nach Völklingen-Wehrden soll ein Logistik-Zentrum des Internet-Riesen kommen. Da der Stadtteil jetzt schon stark unter dem Verkehr leide, wehrt sich eine AG gegen die Ansiedlung des Unternehme­ns.
FOTO: UWE ZUCCHI/DPA Ein Blick in die Halle des Internet-Händlers Amazon in Bad Hersfeld. Auch nach Völklingen-Wehrden soll ein Logistik-Zentrum des Internet-Riesen kommen. Da der Stadtteil jetzt schon stark unter dem Verkehr leide, wehrt sich eine AG gegen die Ansiedlung des Unternehme­ns.

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