SPD in Brandenburg und CDU in Sachsen vorn – AfD legt massiv zu
Gemischte Gefühle bei SPD und CDU. Beide verlieren in Brandenburg und Sachsen Prozente. Doch die AfD bleibt jeweils trotz starker Gewinne auf Platz zwei.
(dpa/SZ) Rekordergebnisse für die AfD, historische Tiefstände für CDU und SPD: Die CDU hat die Landtagswahl in Sachsen trotz starker Verluste klar gegen die AfD gewonnen, in Brandenburg behauptet sich die SPD nach einer Aufholjagd knapp vor den Rechtspopulisten. Doch die AfD wird laut Hochrechnungen in beiden Ländern zweitstärkste Kraft – wie zuvor schon in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. In beiden Ländern stehen schwierige Regierungsbildungen bevor.
In Sachsen hat die bisherige CDU-SPD-Koalition von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) voraussichtlich keine Mehrheit mehr. Hier könnte es auf eine Kenia-Koalition von CDU, SPD und Grünen hinauslaufen, am Abend schien auch ein schwarz-grünes Bündnis zeitweise rechnerisch möglich. Eine Koalition mit der AfD schloss Kretschmer am Abend dagegen erneut kategorisch aus. In Brandenburg wurde das rot-rote Bündnis von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) abgewählt. Die SPD könnte jedoch voraussichtlich in einer rot-rot-grünen Koalition mit knapper Mehrheit weiterregieren, da die FDP wie in Sachsen nicht ins Parlament kam. Die Linke fuhr in beiden Ländern die schlechtesten Ergebnisse ihrer Geschichte ein. Den erstarkten Grünen dürfte in beiden Ländern eine Schlüsselrolle zukommen.
Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) bezeichnete die Ergebnisse als „durchwachsen“. Er gratulierte aber seinem sächsischen Amtskollegen Kretschmer, weil es ihm in den letzten Wochen gelungen sei, „den Negativtrend zu drehen und den Abstand zur AfD deutlich auszubauen“. Saar-SPDChefin Anke Rehlinger bezeichnete die Ergebnisse der AfD im Osten als „höchst alarmierend“. SPD-Ministerpräsident Woidke habe in Brandenburg aber eine „furiose Aufholjagd“ hingelegt. Im Bund dürfte sich die wackelige große Koalition wohl vorerst stabilisieren, falls die Regierungschefs an der Macht bleiben.
Geradezu euphorisch reagiert Sachsens AfD-Spitzenkandidat Jörg Urban, kaum dass die ersten Prognosen bekannt geworden sind. „Heute ist ein historischer Tag“ruft er im Dresdner Landtag aus. Vor Ort ist auch Parteichef Jörg Meuthen, ähnlich begeistert: „Viel besser kann es nicht laufen“, sagt er. Von 9,7 auf mehr als 27 Prozent, beinahe eine Verdreifachung des Ergebnisses. Das ist tatsächlich eine Sensation. In Brandenburg ist der Zuwachs nur etwas geringer, es bleibt dort bei einer Verdopplung auf rund 24 Prozentpunkte. Dort sagt AfD-Spitzenkandidat Andreas Kalbitz, es habe an diesem Sonntag nur noch das Sahnehäubchen gefehlt. Nämlich stärkste Partei zu werden.
Das ist an diesem Abend der einzige Hinweis darauf, dass alle Blütenträume der Rechten doch nicht aufgegangen sind. In beiden ostdeutschen Bundesländern hatte man sich die Hoffnung gemacht, auf Platz eins zu landen. Nicht, um den Ministerpräsidenten zu stellen, damit rechnete man in der Partei realistischerweise nicht. Denn mit der AfD will niemand koalieren. Jedoch hätte ein solches Ergebnis für erhebliche Erschütterungen bei CDU und SPD gesorgt, die bis nach Berlin gereicht hätte. Diese Gefahr mobilisierte am Ende offenbar viele Unterstützer beider Groko-Parteien, die im Schlussspurt deshalb dann doch noch zulegten.
Nach den ersten Daten sind viele bisherige Nichtwähler zur AfD gestoßen. In beiden Bundesländern stieg die Wahlbeteiligung deutlich. Sorgsam registriert wird am Wahlabend auch, dass die Zuwächse der AfD dort am stärksten sind, wo der Bevölkerungsschwund am größten ist, also in den so genannten abgehängten Gebieten. In wachsenden Gegenden wie Leipzig sind die Wahlanteile der Partei unterdurchschnittlich.
In Brandenburg und Sachsen ist die AfD nun stärkste Oppositionspartei. Für Spitzenkandidat Kalbitz ist das nur eine Zwischenphase – bis zum Regieren. „Der Weg zu Verantwortung geht nur über die harte Oppositionsbank“, sagt er in Potsdam. In Sachsen wird die AfD wohl ihre errungenen Sitze nicht alle besetzen können. Die Landeswahlleitung hatte, vom Landesverfassungsgericht bestätigt, nur 30 von 61 Kandidaten zugelassen, weil die Aufstellung der Listen nicht ordnungsgemäß erfolgt war.
Kalbitz wie Urban gehören dem rechten Flügel der Partei an, der von Björn Höcke (Thüringen) ideologisch geleitet wird. Dieser Flügel ist nun gestärkt und könnte Ende November, wenn auf einem Parteitag die Führung neu bestimmt werden muss, Machtansprüche stellen. Mindestens Co-Parteichef Alexander Gauland scheint das zu ahnen. Es fällt jedenfalls auf, wie oft er an diesem Abend sagt, dass die AfD eine „bürgerliche“Kraft sei. Und auch, dass er den Parteiausschluss der schleswig-holsteinischen AfD-Landeschefin Doris von Sayn-Wittgenstein wegen ihrer Kontakte zu Rechtsextremisten verteidigt. „Sie gehört nicht in die Partei.“Vor zwei Jahren hatte der Höcke-Flügel sie noch als Parteichefin vorgeschlagen – und fast durchgesetzt.