Das nachgeholte Erdbeben im Osten muss Folgen haben
Die Wahlergebnisse in Brandenburg und Sachsen wären eigentlich Anlass für ein politisches Erdbeben im Bund: Die Parteien der großen Koalition haben erneut massiv verloren, sind, wie die SPD in Sachsen, teilweise sogar regelrecht marginalisiert. Und die rechtspopulistische AfD ist in beiden Bundesländern zweitstärkste Kraft geworden, auch auf Kosten der Linken. Sie ist die neue Volkspartei des Ostens. Das müsste zu Konsequenzen für das Regierungsbündnis in Berlin führen. Und zu einer Änderung der Politik in und gegenüber den neuen Ländern.
Doch das Erdbeben wird ausbleiben. Schon, weil die bisher regierenden Parteien in beiden Ländern nicht das Ministerpräsidentenamt verlieren, und das ist für sie das Wichtigste. Allerdings wird die Regierungsbildung deutlich komplizierter werden. Zudem: Im Grunde haben Brandenburg und Sachsen nur nachgeholt, was woanders längst stattgefunden hat. Die AfD erreichte im Osten schon vorher Ergebnisse von über 20 Prozent. Und die Groko hat bundesweit bei fast allen Landtagswahlen in ähnlicher Größenordnung verloren, sogar in Bayern. Das liegt daran, dass dieses Regierungsmodell sich erkennbar überlebt hat. Und daran, dass praktisch alle wichtigen Akteure der Koalition, ob Merkel, Seehofer oder Nahles, das erste Jahr komplett mit innerer Nabelschau und Machtspielchen vergeudet haben. Wenn es überhaupt eine Konsequenz für die Groko gibt, dann lautet sie: Bringt es nun wenigstens ordentlich zu Ende. Gebt den Bürgern das Gefühl, in unsicheren Zeiten stabil regiert zu werden.
Was den Osten angeht, so wird jetzt allenthalben diskutiert werden, was falsch gelaufen ist mit der
Einheit, und was man anders machen muss. Das ist jedoch jenseits einiger Details eine müßige Debatte. Mehr Milliarden an Strukturhilfen und Sozialtransfers, als bisher in die neuen Länder geflossen sind, geht gar nicht. Beim Kohleausstieg soll für den Osten jetzt schon wieder in einem Umfang in die Staatskasse gegriffen werden, wie das in vergleichbaren Regionen des Westens niemals geschehen ist. Nein, im Osten hat sich die von der Wiedervereinigung gebeutelte Generation der Wendeverlierer von der Demokratie bundesrepublikanischer Prägung verabschiedet. Wenn sie diese Demokratie überhaupt je verinnerlicht hatte. Und rechte Populisten, meist aus dem Westen, kochen darauf ihr Süppchen.
Ein Viertel der Wähler, darunter auch viele bisherige Nichtwähler, ist bereit, offene Rassisten und Rechtsradikale zu unterstützen. Dahinter stecken emotionale Gründe, die man nachvollziehen kann, die aber weder eine ausreichende Erklärung noch gar eine Entschuldigung sind. Man wird diese Leute kaum zurückgewinnen. Zum Glück ist es nur eine Minderheit. Die Politik im Bund und in den betroffenen Ländern sollte daher stärker auf die jungen, weltoffenen und gut gebildeten Menschen in den Metropolen wie Leipzig, Dresden oder Rostock setzen. Ihre Zahl nimmt zu, auch durch beruflich erfolgreiche Rückkehrer. Sie sind die Zukunft.