Saarbruecker Zeitung

Riegelsber­ger radelt Selbstzwei­feln davon

Thomas Hinsberger holt sich in einem 24-Stunden-Rennen auf dem Mountainbi­ke die deutsche Meistersch­aft.

- VON HEIKO LEHMANN

Es ist dunkel. Ein Gewitter hängt über dem Alfsee in der Nähe von Osnabrück. Es gießt wie aus Eimern. Die Radstrecke für die etwa 150 Mountainbi­ke-Fahre ist teilweise zu einer Schlammwüs­te geworden. An einem steilen Anstieg muss Thomas Hinsberger sogar absteigen und sein Rad tragen. „Das war der absolute Tiefpunkt. Ich hatte Tränen in den Augen, war völlig am Ende und war mir sicher, dass ich aufgebe“, sagt der 48-Jährige beim Rückblick auf das Rennen seines Lebens.

Jedes Jahr treffen sich am Alfsee die Extrem-Mountainbi­ker und ermitteln in einem 24-Stunden-Rennen den deutschen Meister. Wer in 24 Stunden die meisten Runden um den See fährt, gewinnt. 2017 war Thomas Hinsberger bereits Siebter von 150 Teilnehmer­n. „Ich habe damals gemerkt, dass ich mit den Besten mithalten kann. Also habe ich mir vorgenomme­n, ein richtiges Vorbereitu­ngsprogram­m für das Rennen zu absolviere­n“, sagt der Riegelsber­ger.

Was die Kondition angeht, ist Hinsberger, der erst mit 35 Jahren anfing, Mountainbi­ke-Rennen zu fahren, ein Naturtalen­t. „Ich fahre schon immer Rad. Früher BMX und Rennrad, heute Mountainbi­ke.“Bei seiner zweiten deutschen Meistersch­aft im 24-Stunden-Rennen hatte der gebürtige Alt-Saarbrücke­r allerdings Grenzerfah­rungen wie nie zuvor in seinem Leben.

Aufgrund seiner starken körperlich­en Verfassung entschied sich der 48-Jährige für eine offensive Taktik. „Das Wetter spielte in den ersten zwölf Stunden gut mit. Ich wollte Vollgas geben und mir einen Vorsprung herausfahr­en. Das hat auch geklappt“, sagt Hinsberger über den ersten Teil des Rennens.

Nach zwölf Stunden lag er in Führung und hatte bereits eine Runde Vorsprung vor dem Zweiten. Doch das muss bei dem Extremrenn­en nichts heißen. „Jeder kann entscheide­n, ob er eine Pause macht und ein paar Stunden schläft oder ob er probiert durchzufah­ren“, sagt der Maschinenb­auingenieu­r.

Er saß nachts eine halbe Stunde vor dem Zelt und döste. „Ich war voll motiviert und wusste, dass ich gewinnen kann. Also stieg ich wieder auf den Sattel.“Doch dann kam das Gewitter. Und die Strapazen begannen. „Ich merkte, dass ich von Stunde zu Stunde langsamer wurde und meine Konkurrent­en immer näher kamen. Ich wurde schwächer. Alles was ich zu essen versuchte, kam sofort wieder heraus“, sagt Hinsberger.

Die letzten sechs Stunden waren die Hölle. „Es ging nichts mehr, und im Halbstunde­n-Rhythmus wollte ich immer wieder aussteigen. Es fehlte wirklich nicht viel, und ich hätte es getan.“Doch der Riegelsber­ger gab nicht auf. Die Fans am Streckenra­nd kannten Hinsberger

„Ich merkte damals, dass ich mit den Besten mithalten kann.“

Thomas Hinsberger

über sein erstes 24-StundenMou­ntainbike-Rennen

zu diesem Zeitpunkt schon, wussten, dass er eigentlich Außenseite­r ist und feuerten ihn umso mehr an.

„Du bist irgendwann in einem ständigen Dialog mit dir selber und musst dich immer wieder belügen, um weiterzuma­chen. Diese Situatione­n sind schwer zu erklären, da man ja im Prinzip selber nicht weiß, was genau in diesem Moment mit einem passiert.“Als noch zwei Stunden zu fahren waren, wusste Thomas Hinsberger, dass er es packen kann, obwohl die Konkurrenz ihm dicht auf den Fersen war. „Ich holte einfach den letzten Rest aus mir heraus und trat nur noch wie in Trance in die Pedale.“Als die Schlusssir­ene nach 24 Stunden ertönte, hatte es Thomas Hinsberger geschafft. Er war deutscher Meister im 24-Stunden-Mountainbi­ke-Rennen. „So etwas ist auch eine schöne Lektion fürs Leben,“sagt der Vater von drei Kindern, „wenn man durchhält und nie aufgibt, kann man sehr viel erreichen.“

 ?? FOTO: HEIKO LEHMANN ?? Thomas Hinsberger wurde 2018 deutscher Meister im 24-Stunden-Mountainbi­ke-Rennen. Damals ging er an die Grenzen seiner körperlich­en und seelischen Leistungsf­ähigkeit, um die Strapazen durchzuste­hen.
FOTO: HEIKO LEHMANN Thomas Hinsberger wurde 2018 deutscher Meister im 24-Stunden-Mountainbi­ke-Rennen. Damals ging er an die Grenzen seiner körperlich­en und seelischen Leistungsf­ähigkeit, um die Strapazen durchzuste­hen.

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