Väter, nette Typen und Rapper mit Gitarren
Den dritten Wettbewerbstag der St. Ingberter Pfanne dominierten Männer und ihre Unzulänglichkeiten.
(kek) Mit Prophezeiungen sollte man vorsichtig sein. Hatten wir nicht nach dem zweiten Wettbewerbstag geunkt, ein potenzieller Feminismus-Preis der Pfanne ginge bestimmt an Jean-Philippe Kindler? Jetzt machte ihm Florian Hacke am dritten Abend diese Anwartschaft glatt streitig. Hacke erregte sich am Dienstag jedoch nicht über die Vorherrschaft männlicher Teilnehmer beim diesjährigen Kleinkunstfestival, sondern zürnte als Vater einer Tochter: als Mann, der aus persönlicher Betroffenheit zunehmend sensibler wird für die immer noch existierenden Rollenzuschreibungen, die offene Diskriminierung und Reduzierung von Mädchen und Frauen.
„Hasenkind du stinkst“heißt das Programm, bei dem Hacke als permanent belächelter und bevormundeter Papa in Elternzeit unterwegs ist. Der Stand-Up-Comedian und Poetry Slammer ist eigentlich gelernter Schauspieler, und das merkt man: Hacke verfügt über beträchtliche Mittel der Darstellung. Er weiß genau, wie er seine sonore Stimme und seinen Körper einsetzt, kann auf Knopfdruck Stimmungen und Gefühle provozieren und beeindruckt außerdem mit perfekter Dramaturgie beim Wechsel zwischen Prosa und Lyrik und beim Einbau von Spoken-Word-Elementen wie etwa Rap. Chauvinistische Papakurs-Teilnehmer, überkorrekte Spielplatz-Glucken, Impf-Gegner, Heile-Welt-Kinderbücher, Germany‘s next Topmodel – Hacke schlägt drauf, zynisch, bissig, raffiniert. Wunderbar auch seine erhellende zeitgenössische Version eines Grimm‘schen Märchens im Slang bildungsignoranter Tussi-Teenies.
Ein kritischer, inhaltlich wie formal wuchtiger Auftritt, für den es verdiente Bravo-Rufe hagelte. Zufall oder absichtlich so gesetzt? Hacke und die nachfolgenden beiden Wettbewerber eint die Tatsache, dass sie zweifache Väter sind und diesen Umstand (auch musikalisch) künstlerisch verwerten.
Mindestens genauso Bewusstseins-erweitert wie Hacke, jedoch sehr viel softer und mit mehr Bereitschaft zu Konsens und Anpassung präsentierte sich Olaf Bossi. Sein Bühnen-Ich sorgt sich um die Medienerziehung seines Nachwuchses und um seine eigene Selbstfindung und Entschleunigung. Es müht sich um befreienden Minimalismus, weiß aber nicht genau, welchen Ballast es abwerfen soll. Kurz: Bossi repräsentiert den Typus des netten Kerls von nebenan, der als Mensch alles richtig machen will, dem aber immer wieder das Leben in die Quere kommt. Eine Identifikationsfigur, die charmant erzählt, nett zur akustischen Gitarre singt – und bei der selbst abstruse Übertreibungen und fiese Pointen aus dem Hinterhalt stets in mildem Licht leuchten.
Zur Klampfe griff auch der ehemalige Lehrer Jonas Klee alias „Quichotte“, der sich als eher urwüchsiges Unterhaltungstalent mit einer Ader für schnoddrig Spontanes und kernigen Pragmatismus entpuppte. Quichotte hat etliche kesse Sprüche drauf, plaudert, singt, imitiert Instrumente, rappt zur Gitarre – und scheut als verbaler Hasardeur auch nicht das Risiko eines irrwitzigen Freestyles: Aus dem Stegreif improvisierte Quichotte hier aus zungenbrecherischen Begriffs-Vorschlägen des Publikums einen perfekt gereimten Rap. Entlastend selbstironisch nahm er diverse Themen ins Visier, von eigenen Unzulänglichkeiten bis zur Multikulti-Gesellschaft, die er mit einem Orchester verglich und mittels eines sprachgewaltigen Gedichts bejahte – der Beweis, dass Quichotte auch leise und anrührend sein kann.