Saarbruecker Zeitung

Tausende EU-Bürger wollen nach Brexit in Großbritan­nien bleiben

- Produktion dieser Seite: Manuel Görtz Iris Neu-Michalik

(afp/dpa) Rund 1,8 Millionen in Großbritan­nien lebende EU-Bürger haben eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng im Vereinigte­n Königreich über den Brexit hinaus beantragt. Allein im September stellten mehr als 500 000 von ihnen einen entspreche­nden Antrag, wie aus am Mittwoch veröffentl­ichten Zahlen der Regierung in London hervorgeht. Die meisten Antragstel­ler stammen demnach aus Polen, Rumänien und Italien.

Die hohe Zahl der Anträge im September verdeutlic­he die Sorgen vieler EU-Bürger angesichts des bevorstehe­nden Brexit, sagte Nicholas Hatton, Gründer der Organisati­on „The3Millio­n“, die sich für die Belange von EU-Bürgern im Vereinigte­n Königreich einsetzt.

Laut den von der britischen Regierung vorgelegte­n Zahlen wurden 1,5 Millionen der Anträge erfolgreic­h abgeschlos­sen. 61 Prozent der Antragstel­ler wurde demnach ein sogenannte­r dauerhafte­r Status („settled status“) gewährt. Anspruch auf diesen Status haben EU-Ausländer, die seit mindestens fünf Jahren dauerhaft in Großbritan­nien leben. Sie sind auch nach dem Brexit berechtigt, in Großbritan­nien zu arbeiten und Sozialleis­tungen zu empfangen.

38 Prozent erhielten den vorgelager­ten dauerhafte­n Status (pre-settled status) für EU-Bürger, die seit weniger als fünf Jahren in Großbritan­nien leben. Sie dürfen sich weitere fünf Jahre im Vereinigte­n Königreich aufhalten und bei Erreichen der Fünf-Jahres-Schwelle erneut einen Antrag auf dauerhafte­n Aufenthalt stellen. „Die EU-Bürger sind unsere Freunde, unsere Familie und unsere Nachbarn, und wir wollen, dass sie bleiben“, erklärte der Staatssekr­etär im Innenminis­terium, Brandon Lewis. Die hohe Zahl der Bewerber um eine dauerhafte Aufenthalt­sgenehmigu­ng bezeichnet­e er als „fantastisc­h“.

Im Falle eines ungeregelt­en Brexit haben EU-Bürger noch bis zum

31. Dezember 2020 Zeit, eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng für Großbritan­nien zu beantragen. Erzielt die Regierung in London in den kommenden drei Wochen noch ein Austrittsa­bkommen mit Brüssel, bleibt den EU-Bürgern noch Zeit bis zum

30. Juni 2021.

„Die Regierung weigert sich immer noch zu erklären, was mit jenen geschehen wird, die ihren Antrag nicht bis zum Stichtag im Dezember 2020 gestellt haben“, kritisiert­e Hatton. Es sei ungewiss, ob es am 1. Januar 2021 „hunderttau­sende Menschen ohne Papiere in Großbritan­nien“geben werde.

Der britische Premiermin­ister Boris Johnson hat wiederholt bekräftigt, sein Land am 31. Oktober aus der EU führen zu wollen

Das oberste Gericht in Schottland vertagte derweil am Mittwoch eine Entscheidu­ng, ob es im Streit um eine Brexit-Verlängeru­ng im Zweifel eingreifen würde. Kritiker von Boris Johnson hatten in dem Berufungsv­erfahren gefordert, dass die Richter dem britischen Regierungs­chef Zwangsmaßn­ahmen androhen, sollte er sich nicht an das Gesetz gegen einen ungeregelt­en Brexit halten. Aus einem Regierungs­dokument, das einem Gericht in Edinburgh vergangene Woche in erster Instanz vorgelegt wurde, geht hervor, dass Johnson den Antrag auf Verlängeru­ng stellen will, falls notwendig. Die Richter wollen es nun darauf ankommen lassen, ob sich der Premier an diese Zusage hält.

 ?? FOTO: OLI SCARFF/AFP ?? Der Staatssekr­etär im britischen Innenminis­terium,
Brandon Lewis
FOTO: OLI SCARFF/AFP Der Staatssekr­etär im britischen Innenminis­terium, Brandon Lewis

Newspapers in German

Newspapers from Germany