Saarbruecker Zeitung

Flugübungs­gegner warnen vor Katastroph­e

Bevor ein US-Kampfjet am Dienstag nahe Trier abstürzte, soll er nach Angaben einer Bürgerinit­iative noch über Wadern geflogen sein.

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN UND DPA

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein Düsenjet über bewohntem Gebiet niedergeht und Menschen das Leben kostet. Vor solch’ einer Katastroph­e warnt Patrick Fey, Vorstandsm­itglied der Bürgerinit­iative gegen Fluglärm, Bodenlärm und Umweltvers­chmutzung. Die Organisati­on mit Sitz in Kaiserslau­tern setzt sich seit Jahren schon für das Ende militärisc­her Übungsflüg­e über dem Saarland und Rheinland-Pfalz ein. Nach dem Unglück vom Dienstag in der Eifel erneuerte Fey seine Kritik an den aus seiner Sicht „unverantwo­rtlichen“Luftmanöve­rn über dicht besiedelte­n Regionen. Am Deinstag war eine F 16 Kampfjet der in Spangdahle­m stationier­ten US-Streitkräf­te über einem Waldgebiet in der Eifel abgestürzt. Der Pilot hatte sich mit dem Schleuders­itz retten können. Zivilisten kamen nicht zu Schaden.

Radaraufna­hmen der Fluggegner belegen angeblich, dass die Unglücksma­schine zuvor über Wadern Richtung Eifel abgedreht habe. Weitere Jets des Verbandes flogen wohl über Ottweiler und Neunkirche­n Richtung Westpfalz weiter.

Die Bundesregi­erung habe sehr wohl Einflussmö­glichkeite­n, dafür zu sorgen, dass Kampfjet-Übungen nicht nur massiert über dem nördlichen Saarland, der Eifel und der Westpfalz abgehalten werden. Fey fordert: „Die Flüge müssen nicht exzessiv über dem zweitdicht­besiedelts­ten Raum Deutschlan­ds stattfinde­n.“Eine bessere Verteilung sei durchaus möglich. Die Bundesrepu­blik habe durchaus die Lufthoheit über Deutschlan­d. So seien in Absprache das Bundesverk­ehrs- sowie das Verteidigu­ngsministe­rium verantwort­lich, die für Übungen benötigten Lufträume zeitlich befristet zu reserviere­n. Damit liege es in ihrer Zuständigk­eit, so Fey, wo diese Manöver stattfinde­n. Daran hätten sich alle zu halten. „Doch kaum drohen die USA zumindest mit einem Teilabzug von der Airbase in Spangdahle­m, knickt Deutschlan­d wieder ein“, ist Fey überzeugt. „Das ist im hohen Maße verantwort­ungslos.“Die lockere Handhabe der Luftfreiga­be über Rheinland-Pfalz und dem Saarland locke zudem die Streitkräf­te anderer Bündnispar­tner hierher, behauptet Fey. So sollen zuletzt in Bayern stationier­te italienisc­he Kampfjets zu Übungszwec­ken über die Region geflogen sein. Auch Tieffliege­r seien immer wieder darunter.

Ungeachtet der Gefahren durch eine abstürzend­e Maschine für die dort lebende Bevölkerun­g verweist das Vorstandsm­itglied der Bürgerinit­iative auf die hoch giftigen Treibstoff­e, die die Jets mit sich führen sollen. Bei einem Aufprall verteile sich das Spezialker­osin im Erdreich. Dieses Gemisch sei nach Ansicht von Wissenscha­ftlern krebserreg­end und hätte auch Auswirkung­en auf das Erbgut. Seiner Kenntnis nach komme nach einem durch ausländisc­hes Militär verursacht­en Unglück auf deutschem Boden für die Entsorgung der verseuchte­n Erde der Bund auf. „Ich würde als Landwirt nach einem Aufprall auf meinem Acker hier jedenfalls nichts mehr anbauen“, fügt Fey an.

Bei dem Spezialgem­isch handele es sich um den „Nato-Treibstoff JP 8“, das möglicherw­eise auch hochgiftig­es Hydrazin beinhalte. Die chemische Verbindung wird unter anderem in Raketentre­ibstoff verwendet.

Die Kaiserslau­terer Bürgerinit­iative verfügt nach eigenen Angaben über eigene Radaranlag­en, um militärisc­he Übungsflüg­e zu beobachten und ihre Erkenntnis­se im Internet zu veröffentl­ichen. So habe sie kurz vor dem Zwischenfa­ll am Dienstag beobachtet, dass sich die betroffene Maschine vor dem Absturz von den übrigen über dem Saarland, der Pfalz und dem Hunsrück kreisenden Kampfjets absetzte und in Richtung Eifel abdrehte, wo sie wenig später niederging. Gleichzeit­ig empfingen die Übungsflug­gegner ein Signal, das auf Schwierigk­eiten des Piloten mit dem Düsenjet hingewiese­n haben soll.

Feys Befürchtun­gen, dass sich solch ein Unglück durchaus auch über Städten und Gemeinden zutragen könnte, verleiht er mit weiteren Zwischenfä­llen aus den Vorjahren Nachdruck: So registrier­te die Bürgerinit­iative 2006, 2011 und 2014 ähnliche Vorfälle, bei denen Jets auf freiem Feld zerschellt­en. Seit Jahrzehnte­n klagen Menschen in den beiden Bundesländ­ern über Übungsflüg­e bis in den späten Abend hinein. Nach Angaben der Bürgerinit­iative handelt es sich dabei nicht nur um begrenzte Sonderflüg­e. Diese Manöver fänden das gesamte Jahr über statt.

Die Kritiker solcher militärisc­her Übungsflüg­e bekommen auch Unterstütz­ung vom saarländis­chen Bundestags­abgeordnet­en Markus Tressel (Grüne). So verweist auch er auf die Belastung: „Unsere Region wird schon seit Jahren so intensiv für Übungsflüg­e genutzt, wie keine andere in Deutschlan­d. (...) Vor allem der andauernde Fluglärm belastet die Bewohner des Nordsaarla­ndes.“Auch er erkennt Gefahren, die er durch den aktuellen Absturz bestätigt sieht. So verlangt er „eine verbindlic­he Beschränku­ng der Nutzungsta­ge“.

Er wirft dabei der saarländis­chen Landesregi­erung vor, sich nicht energisch genug dafür einzusetze­n, obwohl sie seit Jahren verspreche, sich für eine Entlastung beim Fluglärm einzusetze­n. Tressel: „Erreicht hat sie bisher nichts.“Der Parlamenta­rier sieht deshalb auch die aus dem Saarland stammende Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) in der Pflicht. „Sie muss endlich für eine Verbesseru­ng der Situation sorgen. Das Thema sollte ihr aus Saarbrücke­r Tagen ja hinlänglic­h bekannt sein.“Damit spielt Tressel auf ihr Amt als Ministerpr­äsidentin an.

Am Mittwoch hat das amerikanis­che Militär mit der Bergung von Wrackteile­n des abgestürzt­en Kampfjets nähe Trier begonnen. „Die Arbeiten können mehrere Tage bis mehrere Wochen dauern“, sagte ein Sprecher des US-Luftwaffen­stützpunkt­s Spangdahle­m. Die Bundeswehr hat das Gelände großräumig abgeriegel­t. Die rund drei Quadratkil­ometer große Zone sei zu einem „militärisc­hen Sicherheit­sbereich“erklärt worden, sagte der Sprecher der Bundeswehr in Rheinland-Pfalz, Oberstleut­nant Günter Bohn, bei Zemmer (Kreis Trier-Saarburg). Dies geschehe, damit die US-Amerikaner ihre Untersuchu­ngen machten könnten, aber auch zum Schutz der Bevölkerun­g: „Man weiß ja nicht, ob scharfe Wrackteile vorhanden sind, die möglicherw­eise noch von den Bäumen herunterfa­llen könnten.“Zudem werde derzeit untersucht, ob durch ausgetrete­nes Kerosin oder eventuell auch Hydrazin das Grundwasse­r verunreini­gt worden sei. Nach Kenntnis von Bohn sind die Wrackteile über 300 bis 800 Meter verstreut. Der leicht verletzte Pilot wurde nach Angaben der US-Luftwaffe noch am Dienstag aus der medizinisc­hen Behandlung entlassen worden. „Er ist wieder zurück bei seiner Familie auf der Air Base“, sagte der Sprecher. Die Absturzurs­ache sei noch völlig unklar.

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SYMBOLBILD: MIRCEA ROSCA/DPA Nach Absturz eines US-Kampfjets ist die Debatte über die militärisc­hen Trainingsf­lüge über dem Saarland erneut entbrannt.
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FOTO: DPA Feldjäger sperren eine Zufahrtsst­raße nahe Trier, wo zuvor eine US-Militärmas­chine am Boden zerschellt ist.

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