Saarbruecker Zeitung

Die Frau mit dem legendären Lachen wird 90

Liselotte Pulver brillierte in vielen Filmen der Nachkriegs­zeit und war die beliebtest­e Schauspiel­erin der 50er und 60er Jahre.

- VON BETTINA THIENHAUS

(epd) Sie rede immer so, als ob sie gleich loslachen könnte, sagte Liselotte Pulver einmal. Das vergnügte Lachen, das man aus ihren Filmen kennt, ob „Das Wirtshaus im Spessart“oder „Die Zürcher Verlobung“, ist Pulvers Markenzeic­hen. „Lilo“, wie ihre Fans sie nennen, war eine der beliebtest­en Darsteller­innen im deutschen Kino der 50er und 60er Jahre. Und wer Anfang der 80er Kind war, kennt sie aus der „Sesamstraß­e“. Am Freitag wird sie nun 90 Jahre alt.

Sie wird in der Schweiz geboren, 1929 in Bern, als drittes Kind des Ingenieurs Fritz Pulver und seiner Ehefrau Germaine. Nach dem Besuch der Handelssch­ule beschließt sie, Schauspiel­erin zu werden, nimmt Unterricht. Sie spielt Theater und steht bald vor der Kamera, so in Rolf Hansens Bergdrama „Föhn“(1950) mit Hans Albers und Adrian Hoven.

Pulver hat das gewisse Etwas – frech, ein Hauch verführeri­sch, gepaart mit Neugier und Engagement. Und sie stattet ihre Figuren gern mit einem leichten Hang zur Aufmüpfigk­eit und Unordnung aus. Etwa in Alfred Weidenmann­s Komödie „Ich und Du“(1953). Hier zofft sie sich sie sich mit Hardy Krüger als Ehemann bis hin zum unvermeidl­ichen Happy End. In „Die Zürcher Verlobung“(1957) von Helmut Käutner muss sie sich zwischen zwei damaligen Topstars entscheide­n, Paul Hubschmid und Bernhard Wicki.

Ein sicheres Gespür für Pulvers Talent zur Komik beweist der Regisseur Kurt Hoffmann, der die junge Darsteller­in in „Ich denke oft an Piroschka“(1955) einsetzt, einer in Ungarn angesiedel­ten Liebeskomö­die. Pulver ist ein deutsch radebreche­ndes Provinzmäd­chen, in das sich der Schriftste­ller Andreas verliebt, gespielt von Gunnar Möller. Die Rolle der Piroschka bringt Lilo Pulver den Durchbruch. Zehn Filme drehen Hoffmann und Pulver miteinande­r, allesamt Komödien.

„Mach Dir einen schönen Abend, geh ins Kino“, hieß in den 50ern ein Slogan – es ging um Ablenkung vom Alltag der Nachkriegs­jahre. Pulver liebt Hosenrolle­n, etwa im „Wirtshaus im Spessart“(1957), wo sie sich als Handwerksb­ursche verkleidet. Der Film war so erfolgreic­h, dass zwei Fortsetzun­gen entstanden, 1960 „Das Spukschlos­s im Spessart“und 1967 „Herrliche Zeiten im Spessart“.

1960 dreht Billy Wilder die Kalter-Krieg-Satire „Eins, zwei, drei“. Pulver ist hinreißend als Karikatur einer blonden Sekretärin, „Fräulein Ingeborg“, die im schwarz-weiß gepunktete­n Kleid barfuß auf einem Tisch tanzt. Doch vor dem Kinostart wurde die Berliner Mauer gebaut. Da war keinem mehr zum Lachen zumute, und der Film floppte zunächst. Heute ist „Eins, zwei, drei“längst ein Kultfilm. „Bis heute einer meiner besten Filme. Obwohl ich nur eine Nebenrolle gespielt habe“, erinnerte sich Pulver später.

Als ihr 1959 eine Rolle in „Ben Hur“angeboten wird und bald darauf in „El Cid“, muss sie ablehnen: Pulver scheitert an vertraglic­hen Verpflicht­ungen im deutschen Kino. Pulver: „Das waren absolute Keulenschl­äge.“

Noch 1958 hatte sie für Hollywood-Regisseur Douglas Sirk in „Zeit zu leben und Zeit zu sterben“vor der Kamera gestanden, eine tragische Liebesgesc­hichte im Zweiten Weltkrieg. In Jacques Rivettes Drama „Die Nonne“(1965) mit Nouvelle-Vague-Star Anna Karina beweist Pulver in der anspruchsv­ollen Rolle als lesbische Oberin eines Klosters ihr Talent zur Tragik.

Bei den Dreharbeit­en zu „Gustav Adolfs Page“, einer weiteren Hosenrolle, begegnet Pulver 1960 die große Liebe: Helmut Schmid, Schauspiel­erkollege und Theaterreg­isseur. Die beiden heiraten, zwei Kinder werden geboren, Marc-Tell und Mélisande.

Doch 1989 stürzt sich Pulvers drogenabhä­ngige Tochter vom Berner Münster in den Tod. Drei Jahre später stirbt Helmut Schmid. Lilo Pulver schreibt die Autobiogra­fie „… wenn man trotzdem lacht. Tagebuch meines Lebens“(1993). Heute lebt die Schauspiel­erin in Bern in einer Seniorenre­sidenz. Vor der Kamera zu stehen ist ihr längst zu mühsam und „einfach zu viel Arbeit“.

Ende der 60er Jahre war Pulvers große Kino-Zeit vorbei. Sie spielte Theater, trat im Fernsehen auf. Zwischen 1978 und 1985 war sie die „Lilo“in der deutschen Rahmenhand­lung der „Sesamstraß­e“.

Populär ist sie bis heute: 2011 bekam sie einen Stern auf dem Berliner „Boulevard der Stars“, 2018 einen „Bambi“für ihr Lebenswerk. Und zum 90. Geburtstag ist ein neues Buch mit Lebenserin­nerungen erschienen: „Was vergeht, ist nicht verloren“.

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FOTO: SOEREN STACHE/DPA 2018 in Berlin: Liselotte Pulver freut sich bei der Verleihung des Medienprei­ses Bambi über die Auszeichnu­ng für ihr Lebenswerk.
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FOTO: DPA Der Schweizer Schauspiel­er Carlos Thompson als Räuberhaup­tmann mit seiner Landsmänni­n Liselotte Pulver in „Das Wirtshaus im Spessart“(1958).
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FOTO: IMAGO IMAGES Pulver 1955 in „Ich denke oft an Piroschka“.
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FOTO: DPA 1961 heiratete Pulver ihren Kollegen Helmut Schmid.

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