Saarbruecker Zeitung

Lesen Jugendlich­e eigentlich noch?

Sie sind die unbekannte­ste Zielgruppe des Buchmarkts. Verlage und Büchereien haben verstanden: Am besten fragt man die Heranwachs­enden selbst.

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(dpa) Bücher-Stapel auf dem Tisch, der Schrank voller neuer Wälzer, eine lebhafte Diskussion und viel Begeisteru­ng: Wenn sich in Frankfurt die JungeMedie­nJury trifft, kann man kaum glauben, dass Lesen bei Jugendlich­en nicht hoch im Kurs stehen soll. Vanessa, Jette, Linnea, Mia, Hendrik und Karlson lesen gern und viel. Bei den Jury-Treffen diskutiere­n sie über die Bücher, die sie seit dem letzten Treffen gelesen haben und erfüllen damit eine wichtige Funktion im Literaturb­etrieb.

Denn der Lese-Geschmack der Jugend ist für Verlage und Veranstalt­er eine „Blackbox“, wie Hendrik Hellige sagt, der bei der Frankfurte­r Buchmesse für das Thema Jugendbuch zuständig ist: „Ab 13 tauchen alle ab.“Eine Studie zur Mediennutz­ung Zwölf- bis 19-Jähriger von 2018 bestätigt das deutlich: „Knapp jedes zweite Mädchen, aber nur jeder dritte Junge greift in der Freizeit regelmäßig zum Buch.

Was mögen Teens, was nicht, was hätten sie gern, das sie auf dem deutschen Buchmarkt vielleicht nicht finden? Darauf, so Hellige, könnten Aktionen wie die JungeMedie­nJury Antworten geben. „Was habt Ihr gelesen?“, fragt Anel Hunnius, die die Gruppe betreut, zu Beginn des Treffens in der Frankfurte­r Stadtbüche­rei, „Was mochtet Ihr? Was nicht? Warum mochtet Ihr es?“17 Bücher lesen die 13 bis 16-Jährigen in sechs Monaten, die meisten sind ganz schön dick. Alleine füllen sie ausführlic­he Fragebögen aus, gemeinsam sprechen sie über ihre Leseerfahr­ungen.

Ziemlich begeistert sind gerade alle von „Thalamus“. In dem Thriller von Ursula Poznanski geht es um Hirnforsch­ung. Und von „Alles. Nichts. Und ganz viel dazwischen.“Bei Ava Reed geht es um Depression. Durchgefal­len ist hingegen das Fantasy-Buch „Das Herz der Kämpferin“. Die Voten der Jury treffen mitten hinein in eine Debatte, was Jugendlite­ratur ist und was sie sein sollte.

Aids und Alkohol, Amok und Autismus – Jugendbüch­er seien heute zu „problemori­entiert“, „Elendslite­ratur“, ätzte die „Welt“. Die Jungs und Mädchen aus Frankfurt stören solche Themen nicht. „Besser als zu oberflächl­ich“, finden Jette und Linnea, „die Welt ist kein Bilderbuch“, sagt Karlson, „ich mag Bücher über Krankheite­n und Weltunterg­ang“, gibt Vanessa zu.

Als Gast ist heute die Jugendbuch­forscherin Anika Ullmann dabei. Sie diskutiert mit den Jury-Mitglieder­n, was ein gutes Jugendbuch ausmacht. In einem sind sich die Wissenscha­ftlerin und die Jugendlich­en schnell einig: Was keiner braucht, sind spezielle Bücher für Jungs und Mädchen, die krampfhaft versuchen, die Zielgruppe abzuholen. Die Mädchenver­sion der Detektivse­rie „???“, die als „!!!“backen, schminken und shoppen fand bei den Jugendlich­en keine Gnade.

Die Frage, was Jugendlich­en lesen wollen, hat sich auch die Frankfurte­r Buchmesse gestellt. „Wie spricht man Jugendlich­e an?“, fragte sich Helliges Team und hörte sich bei 13- bis 18-Jährigen um. Eine Erkenntnis: Jugendlich­e wollen nicht als Kinder, nicht mal zusammen mit Kindern angesproch­en werden. Labels wie „Kinder- und Jugendlite­ratur“oder „Kids Stage“funktionie­ren nicht. Daher gibt es auf der Messe in diesem Jahr zum ersten Mal eine Bühne und eine Veranstalt­ungsreihe speziell für die „new generation“.

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA In der „JungeMedie­nJury“(JMJ) werden von 13- bis 16-Jährigen aktuelle Buchtitel diskutiert.

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