Saarbruecker Zeitung

„Ein Fehler, den Nazis hinterherz­ulaufen“

Der Musiker über die Beobachtun­g durch den Verfassung­sschutz, Bombendroh­ungen und die AfD. Ende November spielt die Band in Saarbrücke­n.

- DIE FRAGEN STELLTE TOBIAS KESSLER.

Punkrock von links macht die Band „Feine Sahne Fischfilet“aus Mecklenbur­g-Vorpommern. Vorwürfe, linksradik­al zu sein, weist die Gruppe, die zwischenze­itlich im Bericht des Verfassung­sschutzes ihrer Heimat auftauchte, zurück. Ende November spielt die Band, die 2018 auch beim „Rocco del Schlacko“zu sehen war, in Saarbrücke­n. Wir haben mit Sänger Jan „Monchi“Gorkow (32) gesprochen.

Die Band hat sich beim Verfassung­sschutz in Mecklenbur­g-Vorpommern mit einem Präsentkor­b bedankt, weil sich die Beobachtun­g durch die Behörde als gute Werbung erwiesen hat. Jetzt nennt der AfD-Vorsitzend­e Jörg Meuthen die Band „linksradik­al“– vielleicht auch eine gute Werbung, je nach Publikum. Bekommt Meuthen auch einen Präsentkor­b?

GORKOW Nein, wenn wir solchen Leuten alle einen Präsentkor­b schicken würden, wären wir pleite. Das war eine Ausnahme vor ein paar Jahren, da haben wir den Korb sogar persönlich vorbeigebr­acht. Der Verfassung­sschutz hat mehr über uns geschriebe­n als über alle Nazi-Bands in Mecklenbur­g-Vorpommern zusammen und mehr als über den NSU, der Menschen erschossen hat. Das zeigt, wo diese Behörde steht. Und wenn sie uns scheiße findet, ist das eher ein Kompliment.

Jetzt wird die Band nicht mehr beobachtet. Hat sie sich verändert oder die Behörde?

GORKOW Beide nicht. Es ist ja durchaus möglich, dass wir ab morgen wieder beobachtet werden. Man konnte uns nicht erklären, warum wir auf der Beobachtun­gsliste standen, und auch nicht, warum wir dann da nicht mehr standen. Das war absurd. Eine spätere Textzeile von uns, „Wenn wir sehen, dass sie kotzen, geht es uns gut“, zielt auf den Verfassung­sschutz. Man sieht ja schon am ehemaligen Chef Hans-Georg Maaßen, wo diese Leute stehen. Maaßen hat genau da hingehört.

Wie stark ist der Widerstand gegen die Band? Ihr Proberaum in Greifswald wurde mehrmals verwüstet, bei Konzerten gab es Bombendroh­ungen.

GORKOW Bei der letzten Tour mussten wir in Chemnitz ein Konzert unterbrech­en und den Saal räumen, weil es eine Bombendroh­ung gab. Das sind widrige Umstände – aber das Konzert wurde dann eines unserer besten. Wir heulen nicht rum, sondern machen unser Ding, gehen auf Tour, arbeiten weiter.

2016 haben Sie vor der Landtagswa­hl in Mecklenbur­g-Vorpommern die Kultur-Kampagne „Noch nicht komplett im Arsch“gestartet, um zu zeigen, wie Sie damals schrieben, „dass trotz des gesellscha­ftlichen und politische­n Rechtsruck­s es auch hierzuland­e engagierte Menschen und Gruppen gibt, die der rechten Tristesse ihre Ideen und Träume entgegense­tzen“. War das erfolgreic­h, auch wenn die AfD 21 Prozent erreicht hat?

GORKOW Ja, denn die Veranstalt­ungen waren gut. Wir hatten ja nie den Anspruch, den Björn Höcke umzustimme­n und zum Liberalen zu machen, wir sind ja keine Sozialarbe­iter. Es wäre ein Fehler, den Nazis hinterher zu laufen, und „Bitte, bitte, veränder‘ Dich doch mal“zu sagen. Man muss sich auf die coolen Leute in der Gesellscha­ft konzentrie­ren, und von denen gibt es viele. Die muss

man stärken, mit denen muss man Sachen schaffen. Dass in manchen Bundesländ­ern 20 bis 25 Prozent der Menschen kein Problem damit haben, Nazis zu wählen, ist beschissen. Aber man muss weitermach­en.

Hat das Wahlergebn­is mit der AfD als zweitstärk­ste Kraft Sie überrascht?

GORKOW Nein – überrascht war ich nur davon, wie viele Leute überrascht waren. Bei uns in Mecklenbur­g-Vorpommern saß die NPD für mehrere Legislatur­perioden im Landtag, jetzt sitzt da die AfD. Die ist inhaltlich identisch, der einzige Unterschie­d ist, dass die AfD mehr Wähler hat.

Was kann Ihre Musik politisch bewirken, gerade in einem Konzert? Da gehen doch keine Rechtsextr­emen rein und kommen als Linke wieder raus?

GORKOW Nein, das funktionie­rt bei niemandem, das ist klar. Aber es ist einfach gut, dass zu unseren Konzerten Junge und Ältere kommen, Anzugträge­r und HipHopper. Diese große Bandbreite wollen wir feiern. Vor Jahren haben wir in Saarbrücke­n vor 200 Leuten in der Garage gespielt – jetzt spielen wir im E-Werk, das wir wohl ausverkauf­en werden. Da kommen so viele verschiede­ne

Leute, das mag ich sehr.

Ihre Band besingt, unter anderem, ihre Heimat an der Ostsee, manchmal gehen Sie in den traditione­llen Trachten Ihrer Heimat auf die Bühne – geht es der Band darum, den Heimatbegr­iff nicht den Rechtspopu­listen zu überlassen?

GORKOW Nein, das ist uns eigentlich egal. Wir schreiben persönlich­e Geschichte­n, oft darüber, was wir lieben – eben zum Beispiel den Strand der Ostsee. Aber es geht nicht um einen Heimatbegr­iff, unsere Stücke sind ja keine Master- oder Doktorarbe­iten. Ich kann sagen, dass ich die Gegend liebe, in der ich lebe. Diskussion­en um Begriffe können gerne Studenten führen, dass nicht mein Ding.

Wie ist Ihre Erfahrung – kann und sollte man mit Rechtsextr­emen diskutiere­n?

GORKOW Mit organisier­ten Nazis, mit Leuten aus rechtsextr­emen Parteien oder aus Kameradsch­aften, mit Leuten wie Björn Höcke – was soll man mit denen diskutiere­n? Das sind Überzeugun­gstäter. Aber mit 14-, 15-, 16-Jährigen zu reden, die noch keine feste Orientieru­ng haben, das ist immer wichtig und bringt etwas. Es war für uns, als wir in dem Alter waren, ja auch wichtig, dass coole Leute mit uns gestritten haben – wir hatten die Weisheit ja auch nicht mit Löffeln gefressen.

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FOTO: CHRISTOPH SOEDER/DPA Jan „Monchi“Gorkow im September bei einem Konzert in der Zitadelle Spandau.

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