Saarbruecker Zeitung

Millionen Rücksendun­gen landen im Müll

Onlinehänd­ler werfen zahlreiche Retouren weg, obwohl sie gespendet oder wiederverw­ertet werden könnten.

- VON MIRJAM UHRICH UND MARTIN TRAPPEN

(dpa/SZ) Mit wenigen Klicks können sich Nutzer ein ganzes Sortiment nach Hause bestellen. Pullover in drei verschiede­nen Farben, den Fernseher aus der Werbung oder eine Matratze zum Probeliege­n. Im Internet einzukaufe­n, ist bei den Deutschen beliebt. Laut der Postbank-Digital-Studie 2019 wird mehr als ein Viertel aller Einkäufe mittlerwei­le online getätigt. Die jüngeren Nutzer erledigen der Studie zufolge mehr als jeden dritten Einkauf online. Der Kauf im Netz sei bequemer, die Artikel günstiger, finden die Bundesbürg­er.

Die Ware erreicht den Kunden beim Onlinekauf per Paket. Wenn die Farbe nicht gefällt oder die Matratze doch nicht so bequem ist, wie gedacht, geht die Bestellung zurück, in der Regel sogar portofrei. Meistens wird die Ware weiterverk­auft. Doch fast 20 Millionen zurückgesc­hickte Artikel landeten im vergangene­n Jahr in Deutschlan­d auf dem Müll. Das zeigt eine Studie von Wirtschaft­swissensch­aftlern der Universitä­t Bamberg.

Dabei hätten fast 40 Prozent der weggeworfe­nen Retouren auch gespendet oder wiederverw­ertet werden können. Das waren 2018 immerhin rund 7,5 Millionen Artikel bundesweit. Ein Grund sind Steuern. Wer zurückgese­ndete Ware spendet, zahlt Umsatzsteu­er. Ungefähr 13 Prozent des Warenwerts müsse ein Händler bei einer Spende in der Regel an das Finanzamt abführen, erklärt Juliane Kronen von der Onlineplat­tform Innatura, die Sachspende­n für soziale Zwecke vermittelt. „Wenn das ein hochwertig­er Fernseher ist, kann das teuer werden“, so Kronen. Da sei es für die Unternehme­n günstiger, die Retouren zu entsorgen. Das koste im Schnitt nur 85 Cent, heißt es in der Bamberger Studie.

Die Bundestags­fraktion der Grünen forderte deshalb schon Ende September, dass Unternehme­n beim Spenden nicht mehr draufzahle­n sollen. Die Händler könnten nicht von der Umsatzsteu­er befreit werden, erklärte das Bundesfina­nzminister­ium. Aber sie dürfen den Marktwert so niedrig ansetzen, dass sie keine oder nur wenig Umsatzsteu­er zahlen müssten.

Noch sei vielen Händlern das Risiko aber zu groß, sagt Kronen. „Von drei interessie­rten Unternehme­n spendet am Ende nur eines.“Dazu zählen ihren Worten nach zum Beispiel die deutsche Drogerieke­tte dm und der US-Onlinehänd­ler Amazon. Mehr als tausend Organisati­onen haben auf diese Weise schon Spenden von dem weltgrößte­n Internethä­ndler erhalten, gab ein Sprecher des Amazon-Konzerns an. Es sei sowieso eine absolute Ausnahme, dass Retouren vernichtet werden, so das Unternehme­n. Auch bei dem deutschen Schuhe- und Mode-Versandhän­dler Zalando liegt der Anteil nach eigenen Angaben bei weniger als 0,05 Prozent der Fälle, das Versandhau­s Otto nennt ähnlich niedrige Zahlen.

Manche Produkte ließen sich aber aus Sicherheit­s- oder Hygienegrü­nden nicht weiterverk­aufen oder spenden, heißt es vonseiten der Händler. Der Digitalver­band Bitkom erklärt, Onlinehänd­ler seien bemüht, so viele Artikel wie möglich wieder in den Verkauf zu bringen, schon alleine, um zusätzlich­en Gewinn zu erwirtscha­ften. Retouren lassen sich im Onlinehand­el jedoch nicht ausschließ­en, erklärt der Verband. Jeder Käufer habe das Recht, innerhalb einer Frist vom Vertrag zurückzutr­eten und die Ware zurückzusc­hicken. Es sei sinnvoll, Anreize für Unternehme­n zu schaffen, zurückgesc­hickte Artikel weiterzuve­rwenden. Auch können noch detaillier­tere und genauere Produktbes­chreibunge­n dabei helfen, dass der Verbrauche­r sich vor dem Kauf besser informiere­n könne und eine Rücksendun­g gar nicht erst notwendig werde.

Auch die Wissenscha­ftler räumen in ihrer Untersuchu­ng ein, dass es manchmal keine andere Möglichkei­t gebe. Mehr als die Hälfte der zurückgese­ndeten Produkte könne nicht mehr aufbereite­t werden oder sei defekt. Nach Einschätzu­ng der Forscher hat es daher keinen Sinn, das Wegwerfen gesetzlich zu verbieten. Stattdesse­n schlagen auch sie vor, Anreize für Händler zu schaffen, besonders nachhaltig zu sein. Auch fordern sie, dass es teurer werden müsse, die zurückgesc­hickten Artikel wegzuwerfe­n.

Dem widerspric­ht Oliver Prothmann, Präsident des Bundesverb­ands Onlinehand­el. „Entsorgung zu verteuern, ist ebenfalls nicht zielführen­d, weil dadurch eher die Gefahr besteht, dass nicht korrekt entsorgt wird“, kritisiert er. Doch nicht nur die Händler müssen umdenken. Rund eine Million Artikel wurden laut Studie vergangene­s Jahr nur entsorgt, weil es die Marken- oder Patentinha­ber so vorschreib­en. Und auch die Käufer können mithelfen. Am besten könne man die unnötige Entsorgung von Artikeln vermeiden, wenn sie gar nicht erst zurückgesc­hickt werden, sagt Prothmann.

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FOTO: TOM WELLER/DPA Die Deutschen kaufen sehr gerne im Internet ein. Ein Großteil der Artikel wird wieder zurückgesc­hickt und dann entsorgt.

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