Saarbruecker Zeitung

Die Welt ringt um Auswege aus dem „Krieg gegen die Natur“

Weltweite Proteste, Extremwett­er, aber zu wenig politische­s Umsteuern: Die Weltklimak­onferenz in Madrid eröffnet mit eindringli­chen Appellen.

- Produktion dieser Seite: Frauke Scholl, Robby Lorenz Markus Renz, Gerrit Dauelsberg

MADRID/BERLIN (dpa) In Madrid hat am Montag die 25. Weltklimak­onferenz begonnen, aber das Jubiläum mag dort niemand feiern. Wetterextr­eme haben in diesem Jahr drastisch vor Augen geführt, was der Menschheit blüht, wenn die Erderhitzu­ng nicht eingedämmt wird. Wo steht die Welt in Sachen Klimaschut­z? Eine Bestandsau­fnahme.

Ist die Lage wirklich so düster?

Ja, denn trotz aller Anstrengun­gen beschleuni­gt sich die Erderhitzu­ng zurzeit sogar noch. Schon jetzt hat sich die Erde nach Befunden des Weltklimar­ats um ein Grad aufgeheizt im Vergleich zur vorindustr­iellen Zeit. In Deutschlan­d wurde es seit 1881 um 1,5 Grad wärmer, wie ein Bericht der Bundesregi­erung nachweist. Zu den Folgen zählen weltweit mehr extreme Wettererei­gnisse wie in diesem Jahr. Gigantisch­e Wirbelstür­me wie über Ostafrika, verheerend­e Waldbrände wie in den USA und Australien, schwindend­e Eismassen. Dürre, Starkregen und Hochwasser können auch Deutschlan­d häufiger treffen.

UN-Generalsek­retär Antonio Guterres wählte zum Auftakt in Madrid entspreche­nd dramatisch­e Worte. „Wenn wir nicht schnell unseren Lebensstil ändern, gefährden wir das Leben an sich“, warnte er zur Eröffnung der zweiwöchig­en Konferenz, an der rund 200 Länder teilnehmen. Der „Krieg gegen die Natur“müsse enden.

Was unternimmt die Welt?

Das 2015 geschlosse­ne Klimaabkom­men von Paris wurde als historisch­er Durchbruch gefeiert. Mehr als 190 Staaten setzen sich darin zum Ziel, die Erderwärmu­ng auf 1,5 bis maximal zwei Grad zu begrenzen. Aktuell herrscht aber Katerstimm­ung, denn nach einer neuen Untersuchu­ng sind zwei Drittel der inzwischen rund 180 vorgelegte­n staatliche­n Aktionsplä­ne ungeeignet, die Erderhitzu­ng auch nur zu bremsen. Auch in diesem Jahr dürfte der CO2-Ausstoß steigen. Ein Beispiel: Auch in Zeiten des Kohleausst­iegs beziehen die Staaten der G20 noch immer mehr als 80 Prozent ihrer Energie aus Kohle, Öl und Gas.

Was tut Deutschlan­d?

Die große Koalition hat nach langem Gezerre zwar einen Klimaschut­zplan vorgelegt. Aber die Länder sehen Nachbesser­ungsbedarf. Und Experten beklagen, das Paket gehe nicht weit genug, etwa sei der neue Preis auf den Ausstoß von CO2 viel zu niedrig ansetzt. Selbst aus der Wirtschaft kam Kritik daran.

Wie verhalten sich die Bürger?

Zehntausen­de Schüler und andere Bürger gehen seit Monaten weltweit für mehr Klimaschut­z auf die Straße, in Deutschlan­d stehen die Grünen in Umfragen bei mehr als 20 Prozent: Anderersei­ts klettern die Passagierz­ahlen im weltweiten Luftverkeh­r immer weiter, in Deutschlan­d gibt es Zuwächse bei Autozulass­ungen, vor allem bei Spritfress­ern, und der Fleischkon­sum steigt.

Worum geht es in Madrid?

Guterres erwartet, dass die einzelnen Staaten bis spätestens 2020 ihre Klimaschut­zzusagen kräftig nachbesser­n. Es geht darum, das Pariser Klimaabkom­men zu verwirklic­hen. Die Aktivisten von Fridays for Future dürften ihnen genau auf die Finger schauen. Nicht nur Guterres appelliert­e zum Auftakt. „Je länger wir warten, desto schwierige­r und teurer wird es“, erklärte auch Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) in Berlin. EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen sagte: „Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten.“Umweltschü­tzer appelliere­n, auch wirklich zu liefern – und sind skeptisch, ob es gelingt.

VON TORSTEN HOLTZ

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FOTO: FERNANDEZ/AP/DPA 196 Staaten und die EU verhandeln in den kommenden zwei Wochen in Madrid darüber, wie das Pariser Klimaabkom­men verwirklic­ht und die Erderhitzu­ng eingedämmt werden kann.

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