Die Welt ringt um Auswege aus dem „Krieg gegen die Natur“
Weltweite Proteste, Extremwetter, aber zu wenig politisches Umsteuern: Die Weltklimakonferenz in Madrid eröffnet mit eindringlichen Appellen.
MADRID/BERLIN (dpa) In Madrid hat am Montag die 25. Weltklimakonferenz begonnen, aber das Jubiläum mag dort niemand feiern. Wetterextreme haben in diesem Jahr drastisch vor Augen geführt, was der Menschheit blüht, wenn die Erderhitzung nicht eingedämmt wird. Wo steht die Welt in Sachen Klimaschutz? Eine Bestandsaufnahme.
Ist die Lage wirklich so düster?
Ja, denn trotz aller Anstrengungen beschleunigt sich die Erderhitzung zurzeit sogar noch. Schon jetzt hat sich die Erde nach Befunden des Weltklimarats um ein Grad aufgeheizt im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. In Deutschland wurde es seit 1881 um 1,5 Grad wärmer, wie ein Bericht der Bundesregierung nachweist. Zu den Folgen zählen weltweit mehr extreme Wetterereignisse wie in diesem Jahr. Gigantische Wirbelstürme wie über Ostafrika, verheerende Waldbrände wie in den USA und Australien, schwindende Eismassen. Dürre, Starkregen und Hochwasser können auch Deutschland häufiger treffen.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres wählte zum Auftakt in Madrid entsprechend dramatische Worte. „Wenn wir nicht schnell unseren Lebensstil ändern, gefährden wir das Leben an sich“, warnte er zur Eröffnung der zweiwöchigen Konferenz, an der rund 200 Länder teilnehmen. Der „Krieg gegen die Natur“müsse enden.
Was unternimmt die Welt?
Das 2015 geschlossene Klimaabkommen von Paris wurde als historischer Durchbruch gefeiert. Mehr als 190 Staaten setzen sich darin zum Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 bis maximal zwei Grad zu begrenzen. Aktuell herrscht aber Katerstimmung, denn nach einer neuen Untersuchung sind zwei Drittel der inzwischen rund 180 vorgelegten staatlichen Aktionspläne ungeeignet, die Erderhitzung auch nur zu bremsen. Auch in diesem Jahr dürfte der CO2-Ausstoß steigen. Ein Beispiel: Auch in Zeiten des Kohleausstiegs beziehen die Staaten der G20 noch immer mehr als 80 Prozent ihrer Energie aus Kohle, Öl und Gas.
Was tut Deutschland?
Die große Koalition hat nach langem Gezerre zwar einen Klimaschutzplan vorgelegt. Aber die Länder sehen Nachbesserungsbedarf. Und Experten beklagen, das Paket gehe nicht weit genug, etwa sei der neue Preis auf den Ausstoß von CO2 viel zu niedrig ansetzt. Selbst aus der Wirtschaft kam Kritik daran.
Wie verhalten sich die Bürger?
Zehntausende Schüler und andere Bürger gehen seit Monaten weltweit für mehr Klimaschutz auf die Straße, in Deutschland stehen die Grünen in Umfragen bei mehr als 20 Prozent: Andererseits klettern die Passagierzahlen im weltweiten Luftverkehr immer weiter, in Deutschland gibt es Zuwächse bei Autozulassungen, vor allem bei Spritfressern, und der Fleischkonsum steigt.
Worum geht es in Madrid?
Guterres erwartet, dass die einzelnen Staaten bis spätestens 2020 ihre Klimaschutzzusagen kräftig nachbessern. Es geht darum, das Pariser Klimaabkommen zu verwirklichen. Die Aktivisten von Fridays for Future dürften ihnen genau auf die Finger schauen. Nicht nur Guterres appellierte zum Auftakt. „Je länger wir warten, desto schwieriger und teurer wird es“, erklärte auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) in Berlin. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte: „Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten.“Umweltschützer appellieren, auch wirklich zu liefern – und sind skeptisch, ob es gelingt.
VON TORSTEN HOLTZ