Der erste Chef der Saar-Grünen: „Es war eine aufregende Zeit“
Der erste Wahlkampf der Saar-Grünen wurde in einer Saarbrücker WG organisiert. Ihr damaliger Vorsitzender lebt heute in Schleswig-Holstein.
Wilfried Osterkamp-Andresen (68) wurde 1979 erster Landeschef der Saar-Grünen und erlebte auch die Gründungsphase des Bundesverbandes hautnah. Heute führt er in Meldorf in Schleswig-Holstein den grünen Ortsverband. Sein Berufsleben als Sozialarbeiter in der Drogentherapie verbrachte er überwiegend in Niedersachsen.
Als im Oktober ’79 im Dillinger Hotel Waldeck rund 60 Leute die Saar-Grünen gründeten, ging es um Cattenom, Kohle, Saar-Ausbau, also um Umweltschutz. Hätten Sie sich damals träumen lassen, dass die Grünen mal als normale Partei diskutieren, den Kanzler zu stellen?
OSTERKAMP-ANDRESEN Das war schon damals mein Gedanke: dass es nicht nur ein Schwerpunktthema gibt, sondern man ein allgemeinpolitisches Programm mit ökologischer Orientierung entwickelt. Reiner Umweltschutz bringt es nicht. Es ist etwa ein anderer Ansatz von Sozialpolitik, wenn sie ökologisch orientiert ist.
Die Bundespartei war anfangs im Saarland vielen zu links. Es gab sogar Streit, ob man dem Bundesverband beitreten soll. Sie waren dafür.
OSTERKAMP-ANDRESEN Ich konnte mit dem Bundesprogramm gut leben. Aber wir hatten sehr konservative Menschen im Vorstand. Die hatten richtig Angst, dass ihr reines ökologisches Denken verwässert würde. Es sind auch einige ausgetreten. Ich kam aber durch die Bürgerinitiative gegen das AKW Cattenom in die Politik. Mir war es wichtig, ein möglichst breites Spektrum zu haben.
Gegen K-Gruppen grenzte man sich aber durch Unvereinbarkeitsbeschluss nach heftigen Debatten ab. Wie wichtig war das?
OSTERKAMP-ANDRESEN Das Grüne Projekt war an diesem Punkt sehr gefährdet. Die Spannbreite ging damals schon von bürgerlich bis weit links. Keine Abgrenzung gegen kommunistische Gruppen – das hätte die Partei nicht ausgehalten.
Wie kamen Sie an den Vorsitz?
OSTERKAMP-ANDRESEN Das liegt wohl an meinem Beruf. Ich habe in Heidelberg Sozialarbeit studiert, war in Saarbrücken bei der SHG beschäftigt. Ich habe gelernt zuzuhören. Ich konnte zwischen den Gruppierungen, zwischen den Merzigern und den Saarbrückern, vermitteln.
Im Saarland, so lesen sich alte SZ-Berichte, gingen die ersten Parteitage sehr strukturiert ab – auch ohne Blockade durch Stadtindianer. Wie haben Sie als Saarländer da den Gründungsparteitag in Karlsruhe erlebt?
OSTERKAMP-ANDRESEN Das war schon sehr irritierend. Die Unterschiede zwischen den Großstädten und den eher Konservativen wie Rheinland-Pfalz und auch Saarland waren heftig. Einige haben in Karlsruhe auch die Strategie der italienischen Linksradikalen verfolgt, durch lange Redebeiträge die Entscheidung rauszuschieben, bis die anderen wegfahren mussten. Die Baden-Württemberger saßen auf heißen Kohlen. Die Hamburger hatten alle Zeit der Welt.
Den ersten Programmparteitag der Bundes-Grünen wenige Wochen später haben dann die Saar-Grünen mitorganisiert. Die SZ lobte damals: „Es ist den Grünen auch in Saarbrücken gelungen, das Durcheinander perfekt zu organisieren.“Wie ist Ihnen das gelungen?
OSTERKAMP-ANDRESEN haben versucht, einen etwas anderen Drive reinzubringen, haben etwa ein Tauziehen unter den rivalisierenden Gruppen der Grünen organisiert – aber eine Variante, bei der es keinen Gewinner gibt. Wir haben auch den Erdball reingeworfen, der
Wir heute auf den alten Fotos zu sehen ist. Und die Leute haben Massagen bekommen.
Das hat manche amüsiert …
OSTERKAMP-ANDRESEN Ja. Ich habe damals in meinem alten Ford-Granada im Radio gehört, wie sie sich nur darüber lustig machten und nichts von den Inhalten erzählten. Da bin ich gleich auf den Halberg gefahren und habe in der Livesendung protestiert. Ich weiß nicht, wo ich die Frechheit damals her hatte.
Kurz darauf gingen die Saar-Grünen schon in die erste Landtagswahl. 2,9 Prozent. Immerhin!
OSTERKAMP-ANDRESEN Damals habe ich gedacht: O weh, so wenig. Aus heutiger Sicht waren 2,9 Prozent gar nicht so schlecht. Die Partei gab es erst seit Oktober. Die Geschäftsstelle war im ehemaligen Wohnzimmer meiner WG in der Paul-Marien-Straße 12 im zweiten Stock. Im Wahlkampf gingen wir gegenüber in den Jazz-Club Hades Nudeln mit Käse essen. Es war ne aufregende Zeit. Abenteuerlich.
Ich zehre da heute noch von.
Der Landesverband ist in den 90ern deutlich nach links gerückt. Da waren Sie schon im Norden. Wieso sind Sie damals ausgeschieden?
OSTERKAMP-ANDRESEN Es fiel mir leicht. Es lief ja einigermaßen. Es ergab sich die berufliche Möglichkeit in Niedersachsen. Ich habe im Laufe meines Lebens fünf Drogentherapieeinrichtungen aufgebaut. Aufbauen war immer meins. Im Saarland waren es halt die Grünen.
Sie sind im Verband von Robert Habeck aktiv. Wie erleben Sie ihn?
OSTERKAMP-ANDRESEN Ich hatte ihn schon bei uns im Ort zu Lesungen. Ich mag seine Art zu schreiben und zu reden, der Mann kann zuhören, er ist ein Pragmatiker, setzt seine Sachen um. Sie hören es: Ich bin ein Fan von ihm.
Sind Sie stolz darauf, am Anfang dabei gewesen zu sein?
OSTERKAMP-ANDRESEN Ich bin stolz darauf. Und ich bin stolz, dass ich noch dabei bin.